Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Der Geschäftsführer, den Ismaik nicht wollte

  • Mit Markus Fauser wird ein Fachmann für Insolvenzfälle Geschäftsführer des TSV 1860 München.
  • Der Verein setzt die Personalie gegen den Willen von Investor Hasan Ismaik durch.
  • Fauser wird nun einen Blick auf die Finanzströme der Vergangenheit werfen.

Von Philipp Schneider

Am Pfingstmontag hielten vier wichtige Männer des TSV 1860 München eine Konferenz ab, um ein sehr wichtiges Thema zu klären: Ein neuer Geschäftsführer musste dringend bestellt werden, denn diesen benötigt auch ein Fußballklub, der noch nicht so richtig weiß, in welcher Liga er nächste Saison spielt. Und in welchem Stadion. Oder ob überhaupt.

In einem anderen Klub hätten sich die vier wichtigen Männer in so einer wichtigen Frage möglicherweise an einen Tisch gesetzt, in dessen Mitte dann ein Teller mit Salamischnittchen gestellt worden wäre, damit physisch keiner vorzeitig wegbricht. In einem anderen Klub hätten die Männer geredet und sich irgendwann geeinigt.

Beim TSV 1860 geht es schon mal damit los, dass die vier wichtigen Männer an wichtigen Tagen über den ganzen Globus verteilt sind. Der in London weilende Investor Hasan Ismaik, sein Bruder Yahya und die Vereinsvertreter Markus Drees und Robert von Bennigsen berieten sich also telefonisch - und einigten sich nicht.

Ein kleines bisschen Fußballgeschichte

Andererseits: Nicht, dass eine Versammlung mit Schnittchen etwas gebracht hätte. Die vier wichtigen Männer können sich nämlich aus unterschiedlichen Gründen ganz und gar nicht leiden. Sie hätten sich vermutlich auch an einem Tisch nicht geeinigt. Der TSV 1860 brauchte aber weiterhin einen Geschäftsführer - und so kam es, dass sich am Dienstagvormittag der Übergangspräsident Robert Reisinger und sein tapferer Vize Hans Sitzberger auf den Weg zum Notar machten, um ein kleines bisschen Fußballgeschichte zu schreiben.

Dort angekommen, setzten sie ihr gutes Recht durch, das hierzulande als 50+1-Regel der Deutschen Fußball-Liga (DFL) bekannt ist und besagt, dass der Verein in einer Pattsituation mit dem Investor das letzte Wort bei der Bestellung des Geschäftsführers hat. "Wir haben nicht die Zeit, mit unserem Mitgesellschafter über Personen zu diskutieren", sagte Reisinger, "uns läuft die Zeit weg." Das war knallhart.

So saß nun also der Wirtschaftswissenschaftler Markus Fauser, 39, ein Spezialist für Insolvenzfälle, in seiner Funktion als neuer Geschäftsführer am Dienstag im Pressestüberl an der Grünwalder Straße und fragte: "Warum sitze gerade ich hier? Wie Sie wissen, befinden wir uns aktuell in einer schwierigen Situation." Das Insolvenzthema stehe "nicht im Fokus". Oh nein. Es gehe nur darum, "die Handlungsfähigkeit der KGaA wieder herzustellen", betonte Fauser. "Das bedeutet eben auch, dass wir am 13. Juli eine Mannschaft haben und einen möglichst guten Saisonstart in die Regionalliga vorbereiten können."

Fauser, der in Stuttgart für die Restrukturierungsfirma Anchor arbeitet, ist eine Art Aufräumer. Einer, der für wenige Wochen in eine Firma geschickt wird, um dort nachzusehen, ob das Finanzkonstrukt gesund oder krank ist. Und ob möglicherweise die Notbremse gezogen werden muss. Dass ausgerechnet Fauser - ein Mann, den Ismaik gar nicht haben wollte - sein Haupt über sämtliche Verträge und Dokumente auf der Geschäftsstelle des Giesinger Arbeiterklubs beugen darf, das gefällt dem Jordanier ganz und gar nicht. Zumal bei 1860 in dieser Saison erstmals so richtig investiert worden ist in Spieler, Trainer und Geschäftsführer aus allerlei Nationen.

Am Abend verschickte Ismaik erst eine Mitteilung, dann tobte er auf Facebook. "Herr Robert von Bennigsen und Herr Dr. Markus Drees haben sich entschieden, nicht für diesen großartigen Club zu kämpfen", schrieb er. "Sie haben sich der 50+1-Regel bedient und bessere Kandidaten ignoriert, die bestens qualifiziert sind und 1860 zurück zu altem Ruhm hätten führen können." Drees und Bennigsen sollen also zurücktreten. Und auch noch der Verwaltungsrat Richard Ostermeier. Nachdem er gemerkt hatte, dass eine Rückkehr seines Lieblingsgeschäftsführers Anthony Power nicht durchzusetzen war, hatte Ismaik Franz Gerber vorgeschlagen und den Luzerner Treuhänder Philippe Huber. In der Tat wurden die abgelehnt, weil ihnen das notwendige Wissen fehle, hieß es: Sie sind keine Insolvenzexperten. Ismaik wittert nun also die "Vorbereitung einer Insolvenz". Fauser wird sicher auch noch einmal die teils bizarren Vorgänge untersuchen, die dazu führten, dass es Ismaik am vergangenen Freitag "leider nicht möglich war", die für eine Drittligalizenz notwendigen 11,3 Millionen Euro zu stellen, wie er sagte. Am Dienstag hatte Fauser Ismaik noch nicht kennengelernt, er gab aber bekannt, dass ein Treffen mit der Investorenseite "ganz oben auf der Prioritätenliste" stehe. Und da ja das Pressestüberl ohnehin gerade geblockt war für Fauser, nutzte auch der Übergangspräsident die Gelegenheit, sich einzuführen in die Debatte bei 1860, die nun täglich für neue Geschichten sorgt.

"Wieder mal ein neuer Präsident, wieder mal ein neuer Geschäftsführer - das kommt ja nicht so oft vor", scherzte Reisinger. Auf der Mitgliederversammlung am 2. Juli, in der vor allem mit einer Kampfabstimmung über 50+1 gerechnet wird, wolle er sich zur Wahl stellen, um die Amtszeit von Peter Cassalette zu Ende zu führen. Ob er denn glaube, wurde Reisinger gefragt, dass der Investor bei 1860 bleibe? "Das Leben ist kein Wunschkonzert. Wir haben zwei Gesellschafter. Und das wird auch in Zukunft so bleiben, denke ich."

Er pflege allerdings, sagte Reisinger, einen anderen Führungsstil als sein Vorgänger, der trotz seines devoten Kurses gegenüber Ismaik permanent alles öffentlich kommentiert hatte. "Ich interpretiere das Amt des Präsidenten anders. Ich kümmere mich um den e.V. Ich mische mich nicht ins Tagesgeschäft ein", versicherte Reisinger.

Die neue Strategie bei 1860 geht so: Das Tagesgeschäft wird einem Geschäftsführer überlassen, den der Verein gegen den Willen von Ismaik durchgedrückt hat.

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SZ vom 07.06.2017/chge
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