TSV 1860 München:"Das wäre ein neuer Affront"

FC St. Pauli v 1860 Muenchen - 2. Bundesliga

Umstrittener Trainer beim TSV 1860: Alexander Schmidt.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Alles deutet darauf hin, dass der TSV 1860 München umgehend mit Trainer Schmidt und Sportchef Hinterberger verlängern will. Damit würde der Verein seinen Investor Hasan Ismaik aufs Neue provozieren. Der würde die beiden am liebsten loswerden, genauso wie Geschäftsführer Schäfer. Doch das ist nicht so einfach.

Von Gerald Kleffmann und Markus Schäflein

Diesmal bestand die Delegation aus vier Personen. Hassan Shehata, 63, der sportliche Berater des 1860-Investors Hasan Ismaik, tauchte am Montag erneut am Gelände des Fußball-Zweitligisten auf, er brachte nebst seinem ehemaligen Assistenztrainer und Ismaiks Cousin Noor Basha einen Dolmetscher mit zur Trainingsbeobachtung bei den Löwen.

Wozu ein Dolmetscher nötig war, blieb unklar. Denn Shehata mochte gar nichts sagen. "Heute nicht. Ist besser", erklärte Basha. "Herr Shehata wird morgen etwas sagen. Heute sollen die Spieler sich fokussieren."

Diese Argumentation musste in den Ohren der Spieler und Trainer wie Hohn klingen, haben sie doch nach allem Anschein längst die Nase voll vom Gast aus Ägypten. "Unter dem Strich wird das Theater langsam zu viel", sagte Übungsleiter Alexander Schmidt. "Wenn ich immer öfter von der Mannschaft höre, dass sie das belastet, kann ich das auch nicht ausblenden." Zudem befand Schmidt: "Ich dachte, es soll das Training beobachtet werden. Findet das statt? Ich habe ja auch Augen im Kopf."

Eine schöne Spitze in Richtung des ägyptischen Besuchers war das. Dabei hatte Schmidt kürzlich noch wegen Shehata versichert: "Wir sind zu allen gastfreundlich, die auch zu uns freundlich sind."

Für das Geschehen auf dem Rasen interessierte sich Shehata in der Tat nur kurz, stattdessen hielt er einen Plausch mit einem Bekannten: Burkhard Pape, 80, schaute als Überraschungsgast vorbei. Der Trainer, der von 1974 bis 1978 das ägyptische Nationalteam anleitete und Shehata als Spieler unter sich hatte, wohnt in der Nähe von München und brachte alte Fotos mit.

Dass Schmidt Daniel Halfar nach einem überharten Trainingsfoul in die Kabine schickte? Dass Moritz Stoppelkamp Grippe hat? Dass am Wochenende Christopher Schindler in die Startelf rückt? Die normalen Nachrichten interessierten fast niemanden. Das Theater auf vereinspolitischer Ebene überlagert alles - der nächste spannende Punkt ist, ob 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer, gegen den Willen des Investors, mit Schmidt und vor allem mit Sportchef Florian Hinterberger noch in dieser Woche verlängert; Ismaik hatte ja gefordert: "We need a new sportchef."

Der Trainer indes hat "ein gutes Gefühl", dass die Verlängerung bald passiere. Daher plant er auch für die kommende Saison, sucht talentierte und preiswerte Spieler (schließlich, so argumentiert der Klub, habe Ismaik keine 13 Millionen Euro zur Finanzierung eines Strategiewechsels überwiesen). "Wir haben am Wochenende zig Beobachtungen gemacht. Wir haben nämlich Scouts", sagte Schmidt mit Gruß an Basha, der das Sichtungssystem verbessern und selbst als offizieller Scout arbeiten möchte.

1860 am längeren Hebel

Die Ereignisse am Montag unterstrichen: Es wird immer noch unwahrscheinlicher, dass beide Lager ihr Rollenspiel aufgeben und an einem Strang ziehen. Würde der Klub etwa, worauf alles hindeutet, umgehend mit Schmidt und Hinterberger verlängern, wäre für die andere Seite die nächste Provokation perfekt. "Das wäre ein neuer Affront", sagte Michael Scheele bezüglich eines 1860-Alleingangs in der Causa Hinterberger; beim Thema Trainer ist, so der Münchner Anwalt, bei seinem Mandanten Ismaik bisher kein generelles Veto formuliert worden.

Dafür aber dürfte sich eine andere Personalie zum nächsten Kräftemessen entwickeln. "Jede Angelegenheit zu Herrn Schäfer ist eine Angelegenheit des Beirats", sagte Scheele; Schäfer, 37, besetzt seit Ende 2010 die wichtige Position des Geschäftsführers. Allerdings, und jetzt kommt sicher eine Enttäuschung für Ismaik: Der Investor kann Schäfer aufgrund des komplexen Kooperationsvertrags nicht über den Beirat loswerden.

Für Schäfers Verbleib für ein weiteres Jahr reicht es, wenn die Vereinsvertreter im Beirat für ihn votieren - oder eben gegen eine Ablösung, worum es streng genommen einzig geht bis Ende Mai; dann nämlich muss eine Entscheidung gefallen sein. Ansonsten verlängert sich Schäfers Vertrag ab November wieder.

In dem Minigremium können bis zu vier Personen sitzen, je zwei Vertreter von Löwen- und Investorenseite. Ursprünglich tagten dort der frühere Präsident Dieter Schneider, der frühere Vizepräsident Wolfgang Hauner, Ismaik und Hamada Iraki. Iraki war lange die rechte Hand Ismaiks in München, ehe er als Beirat und Aufsichtsrat hinwarf.

Noch am Montag listete die Sechzig-Homepage Ismaik, Schneider und Hauner als Beiräte auf, doch das wird sich nun ändern. Für Schneider rückt der neue Präsident Hep Monatzeder nach, auch die Hauner-Stelle soll mit jemandem mit Präsidium-Geruch besetzt werden; jemand wie Karl-Christian Bay, Anwalt und Wirtschaftsprüfer, den Monatzeder als Berater verpflichtete, ist demnach auch Kandidat.

Ismaik dagegen hat Irakis Stelle noch nicht besetzt, was hieße: Bei einer Abstimmung wäre er unterlegen. Aber selbst wenn er etwa seinen Bruder oder Cousin schnell platzieren würde, wäre 1860 im Vorteil. Für einen Beschluss braucht es eine Mehrheit. Ein Patt hieße: Alles bleibt, wie es ist. Also Schäfer im Amt. 1860 ist demnach am längeren Hebel.

Vielleicht auch deshalb, wissend um diesen Vorteil, hat Schäfer zuletzt den Investor erstmals scharf kritisiert. Besonders bizarr: Wegen offensichtlicher handwerklicher Fehler hatte der 1860-Aufsichtsrat (mit dem jetzigen Präsidenten Monatzeder) noch 2011 Schäfers Entlassung gefordert. Doch ausgerechnet Ismaik hielt Schäfer im Amt, der ihm mit loyalen Äußerungen dankte. So geht es bei Sechzig zu.

Die Besetzung des Geschäftsführers ist von zentraler Bedeutung, weil dieser im Tagesgeschäft den Kurs vorgibt - und genau diesen Kurs will Ismaik geändert sehen. Er wünscht sich mehr Kompetenz und Professionalität vom "General Manager", ließ er seinen Cousin jüngst ausrichten, doch erst einmal wäre die Investorenseite erfreut, man würde andere Ziele erreichen.

Um seine Einflussmöglichkeiten auszuloten, hat Ismaiks Anwalt Einsicht in Unter- lagen erbeten. 1860 antwortete per Anwalt und verlangte erst einmal eine Vollmacht, die nun aus Abu Dhabi, Ismaiks Hauptwohnsitz, nach Giesing geschickt wurde. "Doch wir haben immer noch keine Unterlagen erhalten", sagt Scheele und klagt: "1860 zieht sich immer auf Formalpositionen zurück." Dabei geht es, so Scheele, dem Investor darum, "gemeinsam zeitnah in die erste Bundesliga aufzusteigen", und nicht darum, "Krieg zu führen".

Am Mittwoch will Scheele seine Analyse trotzdem abgeschlossen haben, dann will er Empfehlungen an Ismaik übermitteln. Auch das Thema Sportdirektor dürfte zur Sprache kommen. Es geht etwa um die Frage: Wer schlug vor, dass Hinterberger weichen müsse? Ismaik? Oder doch auch 1860?

"Im Rahmen eines regen E-Mail-Verkehrs, der uns vorliegt, wurden am 1. April seitens der Vereinsführung 1860 München sogar konkrete Vorschläge unterbreitet", sagt nun Scheele und präzisiert: "Als Herr Monatzeder in Abu Dhabi war, kam von ihm das Thema Hinterberger auf die Agenda." Monatzeder verzichtete vorerst auf einen Kommentar. Es geht aber ganz sicher weiter, das Löwen-Machtspiel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: