Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:"Das ist jetzt der Herr Ian"

Der Prozess eines früheren Scouts vom TSV 1860 gegen die Profifußball-KGaA gerät zur Posse. Der Löwen-Anwalt vergisst sogar den Namen des Geschäftsführers.

Von Markus Schäflein

Ob denn Anthony Power noch Geschäftsführer beim TSV 1860 München sei, wollte Richter Bernhard Swienty vom Anwalt der Löwen wissen, der wieder einmal ganz alleine vor dem Arbeitsgericht in der Winzererstraße erschienen war. "Nein", sagte Tassilo König, "das ist jetzt der Herr Ian, es fällt mir gerade nicht ein, wie er mit Vornamen heißt." Der neue Geschäftsführer, der Ian mit Vornamen und Ayre mit Nachnamen heißt, war jedenfalls ebenso wenig anwesend wie ein anderer Vertreter der Profifußball-KGaA, als am Freitagvormittag der Prozess zwischen dem gekündigten Scout Peer Jaekel und dem TSV 1860 stattfand.

"Ein Stück weit respektlos" fand das Jaekels Anwalt Ralf Stempel, "es war ausdrücklich ins Protokoll aufgenommen, dass ein zum Vergleich Berechtigter erscheinen muss." Und auch Richter Swienty war sauer: "Wir könnten hier eventuell mit einem Ordnungsgeld arbeiten", meinte er, "bei einer Verdachtskündigung muss der Arbeitgeber die Ermittlungen durchführen, die naheliegen."

Der Verdacht lautete ja, so hatte es König beim ersten Termin erklärt, dass Jaekel und sein damaliger Chef, Geschäftsführer Thomas Eichin, in Sebastian Boenisch einen verletzten und untauglichen Spieler wider besseres Wissen unter Vertrag genommen hätten. Der Richter wiederholte die Sicht vom ersten Termin: "Der Kläger war nicht als Mediziner beschäftigt, sondern als Scout, und er traf auch nicht die Entscheidungen." Zudem wurde Boenisch in der Rückrunde längere Zeit zum Stammspieler.

Im Juli stehen weitere Prozesse an

Nun galt es, sich zu einigen, wobei 1860-Anwalt König erklärte, es habe seinerseits "natürlich Besprechungen" mit Klubvertretern gegeben, die jedoch "nicht so ganz einfach" gewesen seien: "Ein Angebot in der Form ist nicht mit der Partei besprochen, das haben wir versucht, aber die Kommunikation ist nicht die einfachste." Dafür sei auch die sportliche Lage verantwortlich, erklärte König: "Die Idee ist jetzt, dass ich noch mal auf die Beklagte einrede und ein Einlenken erreiche."

Also machte er ein widerrufliches Angebot: Jaekel soll sein Gehalt bis zum 30. Juni 2017 erhalten, dazu 100 000 Euro Abfindung, eine Erklärung, dass die Vorwürfe nicht aufrecht erhalten werden und ein "Arbeitszeugnis mit der Note gut". Dem stimmte Jaekel zu, sein Anwalt Stempel meinte allerdings: "Das Angebot ist genauso, wie wir es schon einmal hatten. Es erscheint nicht so, dass man große Hoffnung hat, aber wir würden mitmachen." Bis zum Mittwoch kann der TSV 1860 das Angebot zurücknehmen.

Im Juli stehen dann die Prozesse des Geschäftsführers Eichin, des Trainers Kosta Runjaic und seiner Assistenztrainer gegen den TSV 1860 an. Auch in deren Fällen hatte der Klub unter dem ehemaligen Geschäftsführer Power, einem Vertrauten des jordanischen Investors Hasan Ismaik, die Gehaltszahlungen nach den Freistellungen einfach eingestellt. Das Trainerteam hat nach SZ-Informationen Verträge, die auch im Falle eines Abstiegs in die dritte Liga weiterlaufen. Mit Fitnesscoach Zvonko Komes hatte der Klub bereits eine Abfindung ausgehandelt, den Vergleich einige Tage später jedoch ohne Angabe von Gründen widerrufen.

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SZ vom 20.05.2017/chge
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