TSV 1860 München:"Das ist ein Witz, oder?"

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Ratlos am Ende einer schlimmen Saison: Stefan Aigners Führungstreffer in Heidenheim genügte nicht. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Wenig spielerische Klasse, auch kaum Kampf: Nach dem 1:2 in Heidenheim geht Vitor Pereira davon aus, dass er Trainer bleibt.

Von Markus Schäflein

Absteiger, Absteiger", rief das Publikum auf dem Heidenheimer Schlossberg, und es sang: "Oh, wie ist das schön!", während die Spieler des TSV 1860 München ermattet auf dem Rasen lagen. Mitleid hatte tatsächlich weit und breit niemand mit den Löwen, die sich zwischenzeitlich dank eigener 1:0-Führung und gleichzeitig passenden anderen Ergebnissen auf dem besten Weg zum Klassenverbleib in der zweiten Fußball-Bundesliga gefühlt hatten. Doch dann kam die 86. Minute, ein Freistoß von Marc Schnatterer, dazu kurz davor Bielefelds Ausgleich in Dresden, und alles war dahin - am Ende verlor der TSV 1860 gar noch 1:2.

"Wenn du solche Spiele nicht über die Zeit bringst, stehst du da, wo wir jetzt stehen", sagte Mittelfeldspieler Michael Liendl, der Stefan Aigners Führungstor per Ecke vorbereitet hatte (61.). Und er meinte: auf dem Relegationsplatz. "Der Spielverlauf war passend zur Saison", fand Aigner, "wenn wir führen, haben wir Angst, es über die Zeit zu bringen."

Trainer Vitor Pereira wurde hinterher in der Pressekonferenz gefragt, ob er davon ausgehe, in jener Relegation noch als Trainer des TSV tätig zu sein - in der Tat sind die Entscheidungen der Führung um den jordanischen Investor Hasan Ismaik bei den Löwen ja oft genug kaum erwartbar gewesen. "Das ist ein Witz, oder?", antwortete Pereira nur, "bitte ernsthafte Fragen." Auf die ernste Frage, weshalb seine Mannschaft erneut durch ein spätes Standardtor bestraft wurde, hatte er aber auch keine Erklärung. "Das Schwierige war heute eigentlich, die Dose aufzumachen", sagte Pereira mit einigem Recht, doch als Aigner sie geöffnet hatte, schlossen sie die Kollegen wieder. "Das ist uns schon oft passiert in dieser Saison", klagte Pereira, "jetzt heißt es, eine neue Seite aufzuschlagen. Ich glaube, dass wir es verdient haben und es packen." Er fand seine Mannschaft, die lange keine Chancen zugelassen und keine kreiert hatte, diesmal "im Vergleich zum Spiel gegen Bochum besser" - doch sie verlor erneut.

"Da geht irgendein Flatterschuss durch alle durch und irgendwie ins Tor", beschrieb Aigner das bittere 1:1, doch ganz so banal war es nicht. "Genau diese Freistoßvariante hatten wir in der Vorbereitung zwei, drei Mal angesprochen", klagte Liendl. "Wenn du das so verteidigst, hast du den Sieg nicht verdient." Der letzte in der Fehlerkette war dann Torwart Stefan Ortega, der ganz schlecht aussah. Dass neben Abdoulaye Ba diesmal in Marin Pongracic und Felix Weber gleich zwei Spieler in der Abwehrkette standen, die noch vor kurzem in der Regionalliga gespielt hatten, wollte Liendl nicht als maßgeblich für den späten Einbruch ansehen: "Natürlich ist das nicht so einfach mit zwei extrem jungen Spielern", sagte er, "aber das muss man über die Bühne bringen, ohne Wenn und Aber." Bemerkenswert ist es dennoch, dass Pereira von den drei erfahrenen Innenverteidigern Kai Bülow, Sebastian Boenisch und Jan Mauersberger keinen einzigen für tauglich hält, seine Vorstellungen umzusetzen.

Nun stehen die Löwen noch zwei Mal auf der Bühne, im Hin- und Rückspiel gegen den Drittliga-Dritten Jahn Regensburg. "Das ist wie ein Pokalfinale", meinte Liendl, "da entscheidet nicht nur die Kondition, sondern auch die Mentalität" - es hörte sich fast an wie ein Appell nach einer Partie, in der Sechzig ganz wenig spielerische Klasse, aber auch nicht überragend viel Kampf in die Waagschale geworfen hatte. Ob die Löwen ihr Trainingslager in Bad Wörishofen nun gleich verlängern, wussten die Spieler noch nicht. Aigner meinte: "Ob wir ins Trainingslager gehen oder nach Mallorca fliegen, ist mir ehrlich gesagt scheißegal."

© SZ vom 22.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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