Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Antwort 15 sorgt für Staunen

In einer Stellungnahme spekuliert das Präsidiums über eine Zukunft ohne Daniel Bierofka - und kommentiert das Gehalt des Trainers. Der reagiert verärgert.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Nach dem Training am Dienstagmorgen eilte Daniel Bierofka strammen Schrittes an den wartenden Journalisten vorbei. Ob er kurz Zeit habe für ein paar Fragen? "Nach gestern nicht!", rief der Trainer des Fußball-Drittligisten TSV 1860 München aus der Entfernung. Nach gestern? Hatte er denn gestern schon etwas gesagt? "Ich habe nichts gesagt, andere haben etwas gesagt. Deswegen brauche ich jetzt mal eine Pause."

Genauer gesagt hatten andere gar nichts gesagt, sondern geschrieben. Das Präsidium des TSV 1860 um Robert Reisinger hatte auf der Website des e.V. eine Stellungnahme veröffentlicht, die so lang war wie die Bibel. Darin ging es um die politischen Themen, die die Löwen so umtreiben im Streit zwischen den Vereinsvertretern und dem Investor Hasan Ismaik. Unter dem Titel "Häufig gestellte Fragen zum Profifußball" fand sich viel Altbekanntes, die Rechtfertigung des Konsolidierungskurses ohne neue Darlehen Ismaiks etwa, eine klare Positionierung für eine Zukunft im Grünwalder Stadion oder der Wunsch nach einer Kapitalerhöhung mit neuen Gesellschaftern. Dann allerdings, Frage 15 von 18: "Was ist, wenn Daniel Bierofka keine Lust mehr auf das Traineramt hat?"

Diese Frage stellen Anhänger ja tatsächlich häufig, wird doch von den Befürwortern Ismaiks vermutet, dass der bei vielen Fans überaus beliebte Bierofka sich wegen des Konsolidierungskurses einen ambitionierteren Klub suchen könnte; es gebe ja zahlreiche Interessenten. Dass diese Frage - ursprünglich aus klubpolitischen Erwägungen heraus forciert - dauernd gestellt wird, bedeutet nicht, dass man sie beantworten muss. Das Präsidium tat es aber. "Auch in seinem Fall gelten die bekannten Mechanismen der Branche", stellte es fest. "Erhält er ein attraktives Angebot eines höherklassigen Klubs, kann ihm niemand verdenken, wenn er die Offerte annehmen würde. Als junger Trainer muss er auch seine eigene Karriere im Blick haben. Der TSV 1860 München hat vor Daniel Bierofka existiert und er wird es auch nach ihm tun. Seine Verdienste um die Löwen schmälert das nicht."

Das ist eine übertrieben nüchterne Einschätzung, die einerseits realistisch ist, Bierofka allerdings den Legenden- und Heldenstatus als echter Einmal-immer-Löwe entzieht. Bei Bierofka und seinen Bewunderern kam dies selbstredend nicht sonderlich gut an. Und schon gar nicht, dass das Präsidium darauf hinwies, der Trainer habe "einen für die Verhältnisse in der dritten Liga gut dotierten Vertrag" - eine möglicherweise unverschämte, jedenfalls aber unnötige Anmerkung. Und eine überraschende, zumal die Maxime Reisingers und seiner Kollegen ja stets war, sich aus dem operativen Geschäft der Profifußball-KGaA herauszuhalten. Jenen gut dotierten Vertrag hatte Bierofka auch der glühende Wunsch Ismaiks eingebracht, ihn langfristig zu binden - Laufzeit bis 2022. Bierofka habe "beim TSV 1860 München eine besondere Rolle, die über die eines normalen Trainers hinausreicht", stellte das Präsidium mit einigem Recht fest, nämlich: "Seine Scharnierfunktion in alle Richtungen und seine persönliche Identifikation mit den Löwen ermöglicht, dass sich irgendwie alle auf ihn einigen können. Auch unser Mitgesellschafter (Hasan Ismaik, d. Red.), der bis dato als wenig geduldig mit Trainern gilt." Dieses gute Verhältnis zwischen Bierofka und der Investorenseite finden auch die e.V.-Vertreter demnach offiziell "erfreulich".

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Quelle:
SZ vom 11.09.2019
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