TSV 1860 München:Kampf den Jutetaschen

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Gebrüll mit Gänsehaut: Fynn Lakenmacher (Mitte) jubelt mit den Kollegen vor der Westkurve. (Foto: Mis/Imago)

Zensur am Stadiontor: Die aufstiegsambitionierten Löwen starten mit drei Siegen - doch der Streit zwischen der Investorenseite und ihren Kritikern eskaliert. Beim 4:0 gegen Meppen sammelt das Sicherheitspersonal Fanutensilien ein.

Von Christoph Leischwitz und Markus Schäflein

Es war im Grunde genommen ein rauschender Abend. 4:0 gewonnen, neun Punkte aus drei Spielen, der TSV 1860 München feierte seinen klassenübergreifend besten Saisonstart seit 15 Jahren. Der stark nachgebesserte Kader des Fußball-Drittligisten empfiehlt sich für größere Aufgaben. Fynn Lakenmacher, Vertreter des verletzten Torjägers Marcel Bär, erzählte nach seinem Doppelpack gegen den SV Meppen, dass er "Gänsehaut" gehabt habe, als er vor der Fankurve stand. In Martin Kobylanski hatte ein weiterer Zugang schon zur 1:0-Führung getroffen.

Es war wieder einmal ein denkwürdiges Spiel gegen den SVM, wenn auch nicht ganz so denkwürdig wie damals in Meppen, als die Sechziger 1994 in die Bundesliga aufstiegen. Noch immer fragen sich ja viele Löwenfans gegenseitig: Warst du damals dabei, gegen Meppen?

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Diese Frage müssen einige Anhänger für das Spiel 2022 künftig auch mit Nein beantworten. Sie hatten aufs Dabeisein verzichtet, sie sahen nicht, wie begeisternd die Mannschaft in der zweiten Halbzeit spielte, sie jubelten Lakenmacher nicht zu. Der Grund dafür war eine Anweisung, die das Sicherheitspersonal umzusetzen hatte: Anhänger, die investoren-kritische Utensilien wie Taschen, Aufkleber oder Fanmagazine mit sich führten, wurden aufgefordert, diese abzugeben. Einige Fans berichteten, dass sie sich geweigert hätten und daraufhin nach Hause gegangen seien.

Die Fahne mit Ismaiks durchgestrichenem Konterfei schafft es trotz aller Kontrollen wieder irgendwie ins Stadion

1860-Investor Hasan Ismaik und sein Münchner Stellvertreter Anthony Power waren in den vergangenen Wochen immer wieder von den Ultras kritisiert worden. Dabei geht es in erster Linie um den Markenrechts-Streit zwischen der von Power geführten Merchandising GmbH, die Ismaik gehört, und dem e.V. sowie den Fangruppierungen. Bisheriger Höhepunkt war das erste Drittliga-Heimspiel der Saison am vergangenen Samstag gegen Oldenburg (1:0). Während der Partie waren zwei Fahnen mit Ismaiks durchgestrichenem Konterfei zu sehen, wurde Power auf Flugblättern attackiert - und ein investorenfreundlicher Blogger mit einem sehr unfreundlichen Spruchband bedacht.

1860-Geschäftsführer Marc-Nicloai Pfeifer (links) und Investor-Stellvertreter Anthony Power. (Foto: MIS/Imago)

Am Montag dann hatte die Geschäftsleitung der Profifußball-KGaA, bestehend aus den Geschäftsführern Marc-Nicolai Pfeifer und Günther Gorenzel, öffentlich an die Fans appelliert, sich doch bitte auf das Sportliche zu konzentrieren, jetzt, wo es so gut laufe. Und sie kündigte zugleich "klare Kante" an. Für Irritationen sorgte angesichts dieser Ankündigung die Formulierung, der Klub stehe unter anderem für "Meinungsfreiheit". Und die Ereignisse vom Dienstag geben dem in der Mitteilung enthaltenen Satz "Sechzig München schließt niemanden aus" zweifelsfrei einen gewissen Humor.

Die Fahne mit Ismaiks durchgestrichenem Konterfei hatte es trotz aller Kontrollen auch gegen Meppen irgendwie wieder ins Stadion geschafft. Doch die Meinungsfreiheit endete am Dienstagabend schon bei den in Fankreisen recht verbreiteten Jutetaschen mit Anti-Ismaik-Logo. Wer eine solche mitführte, musste sich entscheiden, diese abzugeben - sie wurde dann wie an der Theatergarderobe mit einer Nummer versehen und konnte nach dem Spiel wieder abgeholt werden - oder eben draußen zu bleiben.

Weder Power noch Ultras sind dafür bekannt, schnell nachzugeben

Am Mittwoch befassten sich also viele Fans weniger mit einer Spielanalyse als mit der Frage, ob die bestehende Stadionordnung solch ein Verbot überhaupt hergibt. Einige berufen sich darauf, dass ein durchgestrichenes Konterfei, auch laut einer Gerichtsaussage im Prozess zwischen der Merchandising GmbH und den "Löwen-Fans gegen Rechts", von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Es gab im Stadion allerdings auch andere freie Meinungen: Dass in der Westkurve das so genannte Scheich-Lied gesungen wurde, quittierten auf der Haupt- wie auf der Gegentribüne viele Anhänger mit Pfiffen.

Auch der investorenfreundliche Blogger wurde am Dienstagabend wieder in Gesängen übel beleidigt. Er hatte vor einigen Tagen ein Foto in sehr großem Format auf seine Seite gestellt, in dem der Halter einer Anti-Ismaik-Fahne sehr gut zu erkennen war. Dieser Streit bei 1860 ist im Kern so banal wie jeder andere: Solange das Pochen auf die eigenen Rechte wichtiger ist als der Respekt vor den Rechten des Anderen, wird die Sache weiter eskalieren. Und weder Power noch Ultras sind dafür bekannt, schnell nachzugeben.

Kindergarten, könnte man meinen. Im Gegensatz zu einem Streit dort wirken die Kindergärtner bei Sechzig allerdings angesichts der immensen Wucht beider Seiten überfordert. Am Mittwoch sah sich das Präsidium des e.V. um Robert Reisinger veranlasst, sich in einer Stellungnahme für antiautoritäre Erziehung auszusprechen: "Die Vorstellung, eine mitunter unschöne Auseinandersetzung könnte durch ein paar Verbote für die Fanszene gelöst werden, ist so verführerisch wie falsch." Dadurch entstehe eine "Spirale aus Aktion und Reaktion", schrieb das Präsidium: "Als Gesellschaftervertreter wünschen wir uns, dass diese Fahne nicht mehr weht. Dafür bedarf es Überzeugungskraft. Verbote sind der falsche Weg." Auf das nächste Heimspiel des TSV 1860 darf man gespannt sein - auch, weil ja nebenbei der Aufstieg angepeilt wird.

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