Vor zehn Tagen in der S-Bahnlinie 3, eine Frau ruft einem Mann mit einem Sechzig-Schal zu: „Tschuldigung, wie hams denn gspielt?“ – „2:0“, sagt der Mann lächelnd. „Ah danke“, antwortet die Frau, „ich wollt' bloß wissen, wie jetzt daheim die Stimmung ist.“ Vermutlich war sie im vergangenen Jahr öfter griesgrämig daheim empfangen worden, aber ganz aktuell kann sie sorgenfrei sein. Die Stimmung ist richtig prächtig beim TSV 1860 München, der plötzlich so beständig daherkommt wie schon seit Jahren nicht mehr. Jetzt läuft nach den Heimspielen auch wieder regelmäßig „Stark wie noch nie“, eine Stadionhymne aus dem Jahr 1993, und alle singen mit.
Am Samstagnachmittag wuchsen in der 89. Spielminute die Träume wieder bis hinauf in den weiß-blauen Himmel. Sechzig hatte diesmal nicht gut gespielt, oder besser gesagt: Der Gegner hatte ziemlich gut gespielt. Aber die Entstehung des 2:1 (1:0)-Siegtreffers in der 89. Minute zeigte sehr anschaulich: Wenn es läuft, dann kann der Gegner sich noch so anstrengen, es hilft nichts.

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Diesmal ohne Phantomtor: Der TSV 1860 siegt durch zwei frühe Treffer 2:0 gegen Sandhausen. Weil auch zwei Konkurrenten punkten, steht die endgültige Rettung aber noch aus.
Aachens Mika Hanraths packte noch einmal eine beherzte Grätsche aus, um eine Ecke zu verhindern, der Ball kullerte ins Seitenaus. Von dort aber gelang dem eingewechselten Maximilian Wolfram eine eckballähnliche Flanke, der Ball flog abgefälscht durch den Strafraum und tropfte gegen die Brust des eingewechselten David Philipp, dem erst eine Woche zuvor beim 3:0-Erfolg in Mannheim ein Jokertor gelungen war. Seine Brustannahme geriet zur perfekten Vorlage, keiner attackierte ihn, aus Angst, einen Elfmeter zu provozieren. Dann schoss Philipp schwach, aber platziert ins Eck.
„Er springt mir vor die Füße, ich hab’ natürlich ein bisschen Glück, dass der reinfällt“, räumte der 25-jährige Angreifer selbst ein. „Das war ein dreckiger Sieg für uns, der aber auch mal schön ist“, sagte anschließend Trainer Patrick Glöckner. Insgesamt aber verdient nähert sich seine Mannschaft allmählich der Tabellenspitze. Zumindest sind nach vier Siegen hintereinander sowie fünf Heimsiegen in Serie die Aufstiegsplätze mal wieder näher als die Abstiegsplätze, und am Samstag fehlten auf den vierten Platz, der zumindest noch für die Teilnahme am DFB-Pokal berechtigt, nur noch fünf Punkte. „Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Wenn wir jetzt weiter siegen, warum nicht?“, sagte Leroy Kwadwo auf die Frage, ob da eventuell noch mehr möglich ist, nachdem Trainer Glöckner ja explizit als Abstiegskampf-Trainer im Januar geholt worden war.
„Die jagen dich über den ganzen Platz“, so die Spielzusammenfassung von Philipp Maier
Aachen wiederum befindet sich immer noch im Abstiegskampf und erwies sich als leidenschaftlicher, schwer bespielbarer Gegner. „Die jagen dich über den ganzen Platz“, so die Spielzusammenfassung von Philipp Maier. Es dauerte fast eine halbe Stunde, ehe eine Mannschaft einen gefährlichen Torabschluss verzeichnete: Soichiro Kozuki traf aus kurzer Distanz das Außennetz (29.).

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Als die Kräfte bei den Gästen nach unheimlich konsequentem Pressing erstmals nachließen, hatte Sechzig seine beste Phase. Kapitän Jesper Verlaat scheiterte zunächst noch mit einem spektakulären Skorpion-Kick, der allerdings auch nicht Richtung Tor ging. Wenig später fiel dann aber doch die Führung durch Dickson Abiamas zweites Saisontor (39.), vorgelegt von Geburtstagskind Thore Jacobsen (28 Jahre). Vorausgegangen war allerdings auch ein Rempler von Patrick Hobsch, mit dem er den Ball eroberte. „Für mich ein Foul“, fand Aachens Trainer Heiner Backhaus. Seiner Mannschaft gelang aber gleich nach dem Seitenwechsel der Ausgleich, ebenfalls durch einen eingewechselten Spieler: Anas Bakhat konnte ungestört einköpfen, weil Tim Danhof zu weit entfernt von ihm stand (48.). „Ich finde auch, dass Aachen einen Punkt verdient hat“, sagte Sechzigs Trainer Glöckner, denn außer einem Maier-Kopfball, der deutlich über das Tor ging, erspielte sich Sechzig keine weiteren Möglichkeiten.
Es ist freilich unwahrscheinlich, dass Sechzig noch einmal ins Aufstiegsrennen eingreifen darf. Der früh gesicherte Ligaverbleib allerdings ermöglicht es schon einmal, ohne größere Hektik am Kader für die kommende Spielzeit zu arbeiten. Der Verbleib von Torwart und Publikumsliebling Marco Hiller ist fraglich, ebenso jener von Julian Guttau, der sich aber schon vorsichtig optimistisch geäußert hat. Der 18-jährige Außenverteidiger Lukas Reich soll Medienberichten zufolge Angebote aus der zweiten (Greuther Fürth) und ersten Liga (FC Augsburg) vorliegen haben, der seit Wochen überragende Sean Dulic dürfte auch nicht leicht zu halten sein.
Wie es mit Kwadwo weitergeht, ist auch noch fraglich. „Das liegt nicht in meiner Hand, das liegt in Christians Hand“, sagte er auf die Frage, wann denn Klarheit herrschen wird und meinte Geschäftsführer Christian Werner: „Wenn man das Spiel heute gesehen hat, weiß man, dass ich gerne mit dieser Mannschaft zusammen sein will.“ Das dürfte auch an der prächtigen Stimmung liegen, die zurzeit herrscht.