TSV 1860 München:90 Prozent Gehalt, 100 Prozent Einsatz

Lesezeit: 3 Min.

Die Mannschaft des TSV 1860 zeigt sich unbeeindruckt von der anstehenden Gehaltskürzung und bezwingt den Aufstiegsfavoriten Hertha BSC Berlin. Trainer Maurer ist begeistert - und will weiter siegen.

Albert Linner

Es lief die 81. Minute eines ohnehin schon intensiven Fußballspiels zwischen 1860 München und Hertha BSC Berlin. Djordje Rakic, der Stürmer der Münchner, jagte mit wallender Mähne einem weiten Befreiungsschlag seiner Abwehr nach, ein scheinbar aussichtsloses Unterfangen. Doch der Serbe war fast zeitgleich mit Marco Sejna, dem Torwart von Hertha BSC Berlin, am Ball, luchste ihm diesen außerhalb des Strafraums ab und provozierte damit ein Handspiel des Keepers.

Unbeeindruckt von der Gehaltsdiskussion: Die Löwen bejubeln Lauths Siegtreffer. (Foto: dpa)

Die Folge: Sejna sah die rote Karte und auch der letzte Beobachter in der Allianz Arena war überzeugt, dass die Diskussion über die bevorstehende Gehaltskürzung bei den Spielern nicht die geringsten Spuren hinterlassen hat.

Auch wenn die Mannschaft - wie alle Vereinsangestellten - demnächst nur noch 90 Prozent ihres bisherigen Gehalts kassieren sollen, Trainer Rainer Maurer machte bei seiner Mannschaft "100 Prozent Wille und Leidenschaft" aus. Der Einsatz stimmte bei den Löwen von der ersten Minute an, vor allem deshalb ging der 1:0-Sieg über die favorisierten Gäste aus Berlin in Ordnung.

Maurer sprach seinen Spielern ein Kompliment aus, "wie sie die Turbulenzen unter der Woche weggesteckt haben". Die Münchner stellten damit sicher, dass der Abstand zu den vorderen Plätzen nicht uneinholbar groß wurde. Die Hertha rutscht dagegen mit der dritten Niederlage in Serie immer tiefer in die Krise.

Berlins Trainer Markus Babbel war dennoch nicht unzufrieden mit seinem Team: "Die Mannschaft hat ein gutes Spiel gezeigt. Vor allem die Reaktion nach dem 0:1 hat mir gefallen, wir haben uns nicht ergeben." Angesprochenes Führungstor hatte Benjamin Lauth bereits in der 11. Minute erzielt. Und es war - wie schon mehrmals in der laufenden Saison - ein ebenso schönes wie wichtiges Tor des Stürmers, der den Ball namens "Torfabrik" aus 22 Metern mit links in den Winkel schlenzte. "Mit diesem Ball ist alles möglich", gab der Torschütze nachher bescheiden zu Protokoll.

Auch nach Lauths Führung gaben sich beide Mannschaften höchst engagiert. Es entwickelte sich ein abwechslungsreiches Zweitliga-Spiel mit Vorteilen für 1860. Lauth hätte in der 25. Minute nachlegen können, auch Alexander Ludwigs Standardsituationen segelten meist gefährlich durch den Strafraum. Einzig ein Abnehmer fand sich nur selten.

Doch auch auf der Gegenseite war Hertha BSC immer wieder gefährlich. Insbesondere die rechte Abwehrseite, besetzt durch Antonio Rukavina, wurde von den Berlinern als Schwachstelle ausgemacht. Die schnellen Adrian Ramos und Nikita Rukavytsya brachen mehrmals durch, ohne aber zu wirklich zwingenden Chancen zu kommen.

TSV 1860 München: Einzelkritik
:Lauth knackt den Liga-Krösus

Ein Torwart, der auch für 20 Prozent Gehalt spielt. Ein Abwehrspieler, dem sogar das Trikot gekürzt wurde. Und ein Stürmer, der traumhaft in den Winkel trifft. Wer hat beim 1:0 gegen Hertha überzeugt? Die Einzelkritik mit Vote.

Albert Linner, Fröttmaning

Zur Halbzeit konnte das Münchner Publikum in der mit 23 600 Zuschauern wieder einmal nur spärlich besuchten Allianz Arena sehr zufrieden mit der Leistung der Löwen sein. Danach wurden die Berliner Angriffe aber immer wütender, der Druck auf die Hintermannschaft der Münchner zunehmend größer. Stefan Buck kratzte kurz nach Wiederanpfiff einen Ball von der Linie, nachdem sein Torwart Gabor Kiraly bereits geschlagen war.

TSV 1860 München: Einzelkritik
:Lauth knackt den Liga-Krösus

Ein Torwart, der auch für 20 Prozent Gehalt spielt. Ein Abwehrspieler, dem sogar das Trikot gekürzt wurde. Und ein Stürmer, der traumhaft in den Winkel trifft. Wer hat beim 1:0 gegen Hertha überzeugt? Die Einzelkritik mit Vote.

Albert Linner, Fröttmaning

Die Schlussphase wurde dann noch mal turbulent: Berlins Torwart Sejna spielte den Ball nach Rakic' beherztem Einsatz außerhalb des Strafraums mit der Hand. Dem aus der Situation entstandenen Tor durch Lauth, welches die endgültige Entscheidung bedeutet hätte, verwehrte Babak Rafati die Anerkennung. Maurer sagte: "Da hätte der Schiedsrichter auch noch zwei Sekunden warten können."

Machte Rafati aber nicht, sondern stellte Sejna umgehend vom Platz. Ins Tor der Berliner, die zu diesem Zeitpunkt bereits drei Mal gewechselt hatten, stellte sich für die letzten zehn Minuten Mittelfeldmann Fabian Lustenberger. Ein Tor musste der Schweizer jedoch nicht mehr hinnehmen, auch weil der eingewechselte Moritz Leitner für die Münchner nur noch den Querbalken traf.

Am Ende des Tages waren zwei Trainer zu sehen, deren Gefühlslage gar nicht so unterschiedlich war. Babbel sprach zwar von einer "bitteren Niederlage", stellte aber auch fest: "So wie wir heute gespielt haben, kommen wir aus diesem Negativlauf bald wieder heraus. Die Mannschaft lebt, sie ist nicht tot."

Kollege Maurer fand es dagegen "superschön, gegen die beste Mannschaft der Liga zu gewinnen" und richtete den Fokus bereits wieder nach vorne: "Mit 24 Punkten liegen wir im Soll, jetzt müssen wir schauen, dass wir gegen Ingolstadt und Paderborn nochmal nachlegen."

© sueddeutsche.de/alin - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: