TSV 1860 München:Power liegt schwer im Magen

TSV 1860 München: "Es ist besser, einen Angriff gut auszuspielen, als zehn überhastet": Jesper Verlaat trifft, umringt von Oldenburgern, zum späten 1:0.

"Es ist besser, einen Angriff gut auszuspielen, als zehn überhastet": Jesper Verlaat trifft, umringt von Oldenburgern, zum späten 1:0.

(Foto: Ulrich Gamel/Kolbert-Press/imago)

Die Löwen arbeiten sich geduldig und letztlich erfolgreich an Aufsteiger Oldenburg ab. Währenddessen eskaliert der Zwist zwischen den Ultras und dem Vertreter von Investor Hasan Ismaik.

Von Christoph Leischwitz

Jesper Verlaat klopfte sich mit der flachen Hand auf die Brust. "Mit reiner Seele" könne er sagen: Damit habe er den Ball reingemacht. Der Schiedsrichter hatte ihn nach dem einzigen Torjubel dieses Drittliga-Spiels auch nochmal um Ehrlichkeit gebeten, nein, kein Handspiel, die Zeitlupenbilder bestätigten das auch.

Es ist legitim zu sagen, dass sie Verlaat wegen seiner breiten Brust zu 1860 München geholt hatten. Der 26-jährige Sohn des ehemaligen Bundesliga-Profis Frank Verlaat ist schon jetzt, so früh in der Saison, der uneingeschränkte Abwehrchef bei den Löwen. Das konnte man nach dem Schlusspfiff gleich nochmal sehen: Da nahm er sich jeden Defensiv-Kollegen vor, klatschte per Brust mit ihnen ab, als Dank für den Zu-Null-Sieg. Dass Verlaat dann auch noch mit der Brust das entscheidende Tor machte und somit sehr dazu beitrug, dass die Löwen nach zwei Spielen mit sechs Punkten dastehen - umso passender.

Schon in der Saisonvorbereitung war deutlich geworden, dass Verlaat die Löwen bei Offensivstandards gefährlicher macht. Diesmal, bei einer zweiten Flanke nach einem Eckball, zahlte sich das aus. Als Abwehrspieler wisse er ja, wie "eklig es ist, wenn so ein langer Ball kommt und man neu rotieren muss". Also habe er zugesehen, dass er besser positioniert war als sein Gegenspieler, und als dann die Hereingabe kam, stand er genau richtig zum 1:0-Siegtreffer (75.).

Skenderovic arbeitet hart, könnte im Strafraum aber "vielleicht mal den Kopf hochnehmen"

In der Theorie ist ja alles ganz einfach. Der Trainer hatte es auch mit auf den Weg gegeben: geduldig bleiben! Jeder hatte gewusst, dass es eine zähe Angelegenheit werden würde gegen einen (ebenso mit breiter Brust auftretenden) Aufsteiger. Der VfB Oldenburg ist gekommen, um zu bleiben, und trat am Samstag im Grünwalder Stadion auch so auf. Wenn dieser Gegner auch noch schmerzhafte Nadelstiche setzt und vorne ein bisschen zu wenig passiert, könnte man schon mal ins Grübeln kommen. In diesen Situationen ist es wichtig, einen wie Verlaat in den eigenen Reihen zu haben, der die eingeforderte Geduld auch umsetzt und andere damit ansteckt.

"Es ist besser, einen Angriff gut auszuspielen, als zehn überhastet", analysierte er nach dem Spiel in der Interviewzone. Ein paar Sekunden davor war Marcel Bär hinter seinem Rücken vorbeigehumpelt. Vor dem Spiel hatte der Torschützenkönig der vergangenen Saison den Fans lediglich mit einer seiner beiden Krücken zuwinken können. Noch so eine Frage, die sich ein junger Spieler stellen könnte: Wie gut sind wir denn wirklich ohne Bär?

Es ist dem Trainer aktuell ein großes Anliegen, dass niemand alleine allzu viel Verantwortung übernehmen muss. Vor der Partie hatte Michael Köllner gesagt, dass man bei Semi Belkahia und Marcel Bär auch deshalb keine genaue Diagnose veröffentliche, weil man die beiden nicht unter Druck setzen wolle, also unter Zeit- oder Erwartungsdruck. Nach dem Spiel wurde Köllner dann gefragt, warum Angreifer Fynn Lakenmacher überraschend nicht in der Startelf stand; man wolle das Fehlen von Bär "auf mehrere Schultern verteilen", erklärte der Coach. Außerdem habe Meris Skenderovic sich seine Chance verdient.

Für den Zugang vom Regionalligisten FC Schweinfurt war es schon in seinem ersten Pflichtspiel eng zugegangen, im Verbandspokal beim Bezirksligisten SV Rödelmaier hatte er sich immer wieder im zugestellten Sechzehner durchwursteln müssen und war auf fünf Tore gekommen. Gegen Oldenburg hatte er wieder viele Abschlüsse, denen aber oft die Genauigkeit fehlte. Etwas Pech hatte der 24-Jährige mit einem Kopfball, der nur knapp über das Tor strich (40.). Er wäre freilich der neue Liebling der Sechzig-Fans geworden, wenn er exakt nach 60 Minuten bei einem Scherenschlag den Ball besser getroffen hätte. Applaus bekam er allerdings reichlich bei seiner Auswechslung (78.).

Ismaik wünscht sich mehr "positive Energie. Von allen Rängen". Er meint die Kritik an sich selbst

"Er arbeitet hart, er hat sich vieles selber erarbeitet", sagte der Teilzeit-Angreifer Verlaat, der aber auch anmerkte, dass Skenderovic "vielleicht mal den Kopf hochnehmen" könne im engen Sechzehner. Die Frage, ob Sechzig für den vermutlich rund drei Monate fehlenden Bär noch eine externe Verstärkung braucht, ist erst einmal vertagt. Aber am Dienstag gegen den SV Meppen (19 Uhr, Grünwalder Stadion) steht schon das nächste Heimspiel an.

Die Stimmung bei den Fans war spätestens ab dem 1:0 ausgesprochen gut. Insofern war es nicht ganz stimmig, dass auf der Facebookseite von Investor Hasan Ismaik am Sonntag mehr "positive Energie. Von allen Rängen" gefordert wurde. Dass die Mannschaft nicht ausgiebig unterstützt worden sei, war auch nicht richtig. Gemeint hatte der Jordanier aber ja die Kritik an sich selbst - und an seinem in München arbeitenden Vertreter, Anthony Power.

Zum einen waren in der Westkurve diesmal schon zwei Anti-Ismaik-Fahnen zu sehen gewesen. Zum anderen war vor dem Spiel ein Flugblatt der Ultras verteilt worden, das die Absetzung des Geschäftsführers der Merchandising GmbH forderte ("Power muss weg"). Die Firma, die Ismaik gehört, hatte jüngst ein Design nachgeahmt, das im e.V.-Fanshop verwendet wurde. Im Flugblatt wird Power außerdem ein Gebaren als "Axt im Walde" vorgeworfen. Das Umfeld der Löwen habe zuletzt den Eindruck von Zusammenhalt, Fokus und Geschlossenheit erweckt, hieß es: "Doch bereits seit Ende der vergangenen Saison bahnt sich etwas an, das uns schwer im Magen liegt und über das wir nicht gewillt sind hinwegzusehen: Anthony Power."

Im Block zeigten die Fans viele Logos und Sprüche, so genannte Wort- und/oder Bildmarken, die die Merchandising GmbH hatte schützen lassen, und das Spruchband: "Verklag uns doch, du Luftpumpe!" In dem Flyer wurde gefordert, dass "kein Löwenfan Angst vor Urheberrechtsverletzungen" haben dürfe, wenn er Wappen oder Slogans verwende - die "Löwenfans gegen Rechts" hatten bereits einen solchen Prozess erlebt.

Ismaik, nach eigenen Angaben "nicht der große Ultra-Versteher", teilte mit: "Ich schätze die Arbeit der Fanszene, und trotzdem muss ich ihr sagen: Wir werden unseren eingeschlagenen Weg nicht verlassen, sondern alles dafür tun, dass 1860 eines Tages sportlich und wirtschaftlich so aufgestellt ist, dass wir wieder deutschlandweit für positive Schlagzeilen sorgen." Vorerst ist erstmal wieder für negative gesorgt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: