Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Der Plan geht auf

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Drittligist TSV 1860 München schafft den besten Saisonstart seit 51 Jahren - auch dank Spielern wie Zugang Meris Skenderovic. Die Transfers überzeugen bislang.

Von Christoph Leischwitz

Es ist gerade einmal 13 Monate her, dass Meris Skenderovic zum Regionalligisten FC Schweinfurt 05 wechselte. Er war erst ein paar Tage dabei, wurde aber am ersten Spieltag beim TSV Buchbach nach 60 Minuten eingewechselt. Elf Minuten später folgte eine weite Flanke von der rechten Seite, Skenderovic stand völlig frei - und setzte den Ball mit dem Kopf deutlich daneben.

Am vergangenen Samstag wurde der 24-Jährige erneut als Joker eingewechselt, zu seinem zweiten Drittliga-Spiel für den TSV 1860 München. Elf Minuten später folgte eine weite Flanke von der rechten Seite, Skenderovic stand völlig frei - und setzte den Ball mit dem Kopf ins Netz, zum 1:0-Siegtor für die Löwen (90.+2). Der Jubel fiel trotz der enormen Hitze, die dieses Spiel beim SC Verl geprägt hatte, besonders vital aus, Trainer Michael Köllner umarmte Skenderovic als einer der Ersten auf dem Feld.

Wohl aus mehreren Gründen: Die Sechziger sind dank des vierten Sieges im vierten Spiel alleiniger Tabellenführer. So gut waren sie in den vergangenen 51 Jahren nicht mehr in eine Saison gestartet. Zweitens dürfte sich Köllner darüber gefreut haben, dass in diesem Moment ein großer, lang angelegter Plan aufgegangen war - auch wenn natürlich noch niemand sagen kann, wie sich die Löwen-Saison nach diesem Traumstart weiter entwickeln wird.

Für Hoffenheim schoss er in der Jugend-Bundesliga Tore, wie er wollte

"Wir haben lange überlegt, wen wir zu Sechzig München holen", sagte Köllner nach dem Spiel bei Magentasport. Es zeigt sich nun, dass der Kader tatsächlich recht ganzheitlich zusammengestellt ist, so sehr, dass auch Ausfälle erfolgreich kompensiert werden. Das gilt sowohl für die Abwehr, wo Stammspieler Semi Belkahia seit Anfang August fehlt, aber eben auch für den Angriff - Marcel Bär wird nach seiner Sprunggelenksoperation noch viele Wochen zuschauen müssen. Skenderovic hat nun erstmals als Joker und Matchwinner gezeigt, dass er die Rolle ausfüllen kann. Der eigentliche Kopfball war leicht zu verwandeln aus gerade mal fünf Metern. Entscheidend war sein Stellungsspiel, mit dem er überhaupt so nah vor dem Kasten so freistehend an den Ball kam. "Ich setze mich an den zweiten Pfosten ab", erklärte er, sein Gegenspieler folgte nicht, darauf hatte er spekuliert.

Ein bisschen haben die Löwen diesen Instinkt den Verantwortlichen in Schweinfurt zu verdanken. Als Skenderovic damals in Buchbach die gute Möglichkeit vergab, ordnete Sportdirektor Robert Hettich sofort verstärktes Kopfballtraining an. Ein paar Wochen später köpfelte Skenderovic auch schon das erste Mal für die Schnüdel ins Netz. Dabei galt er als extrem gut ausgebildet. Bei der TSG Hoffenheim schoss er in der Jugend Tore, wie er wollte, in der U17-Bundesliga traf er bei 30 Einsätzen 31 Mal, nicht zufällig bekam er einen Profivertrag. Er spielte 15 Mal für Montenegros U21, und unter Julian Nagelsmann im Dezember 2017 eine gute halbe Stunde in der Europa League.

Doch der Durchbruch gelang nicht. Im Sommer 2021 hatte er noch einige Probetrainings bei Profiklubs, aber die höherklassigen wie Erzgebirge Aue bissen nicht an. So landete er in Schweinfurt, wo sie ihm die Tür lange offen hielten. Wie nun auch bei Sechzig. Die Münchner hatten ihr erstes Angebot schon im vergangenen Winter abgegeben, doch der Wechsel scheiterte an der geforderten Ablösesumme. Das große Interesse riss nie ab, und so kam der Transfer im Sommer zustande, als er vereinslos war.

Die Situation bei Sechzig ähnelte jener in Schweinfurt - mit einer klar gesetzten Nummer eins im Sturm

Vor allem Köllner wollte Skenderovic unbedingt haben. Dabei dürfte es eine große Rolle gespielt haben, was neben seinen fußballerischen Qualitäten über ihn erzählt wird: Der Jungprofi kann sich gut ein- und unterordnen, er ist eine perfekte Nummer zwei. Die Situation zu Beginn bei Sechzig ähnelte jener bei Schweinfurt: eine klar gesetzte Nummer eins im Sturm (beim FC ist das Adam Jabiri, der auch maßgeblichen Anteil an Skenderovics verbessertem Kopfballspiel haben soll), dahinter zwei Stellvertreter mit ähnlicher Qualität. In der Saisonvorbereitung spielte Fynn Lakenmacher eine auffälligere Rolle als Skenderovic, jetzt haben aber beide schon bewiesen, dass sie ihre Chance nach der Verletzung Bärs nicht nur nutzen wollen, sondern das auch können. Skenderovic hatte sich schon im Toto-Pokal mit fünf Toren beim Bezirksligisten SV Rödelmaier mehr ins Zeug gelegt als nötig. Mal sehen, ob er das an diesem Dienstagabend in der zweiten Runde beim Unterhaching-Bezwinger TuS Feuchtwangen (18.30 Uhr) wieder tut oder ob er diesmal eher geschont wird.

Skenderovic ist das Gegenteil von egoistisch, mit der Ausnahme einer Fläche von rund 660 Quadratmetern: dem gegnerischen Strafraum. Auch gegen Verl hatte er gleich nach seiner Einwechslung eine Szene, als er mehrere Gegenspieler auf sich zog, dann aber nicht abspielte. Die Ruhe am Ball fehlt dem Angreifer im Profifußball immer noch ein wenig. Aber nach allem, was über ihn bekannt ist, ist er ein schneller Lerner mit Köpfchen.

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