TSV 1860 München:Ohren zu - und Spaß haben

TSV 1860 München: Vorbereiter des ersten und Schütze des zweiten Treffers: Die ersten sieben Spielminuten von Fynn Lakenmacher gegen den FSV Zwickau können sich sehen lassen.

Vorbereiter des ersten und Schütze des zweiten Treffers: Die ersten sieben Spielminuten von Fynn Lakenmacher gegen den FSV Zwickau können sich sehen lassen.

(Foto: Ulrich Gamel/kolbert-press/Imago)

Dank eines Blitzstarts setzen sich die Münchner Löwen im Schneegestöber gegen Zwickau durch und retten Trainer Köllner damit vorerst den Job. Ein klares Bekenntnis sieht aber wohl anders aus.

Von Christoph Leischwitz

Gleich zu Beginn der Pressekonferenz sah Michael Köllner aus, als wolle er sich sofort wieder verabschieden, dabei war das gar nicht nötig. Der TSV 1860 München hat endlich wieder gewonnen an diesem Samstag, 3:1 (3:0) gegen den FSV Zwickau. Beim umgekehrten Ergebnis hätte sich der Trainer wahrscheinlich wirklich verabschieden müssen. "Ich kann nicht sitzen", sagte er zur Erklärung - Hexenschuss. Dieser begleitete ihn seit Freitag. Sogar auf dem kurzen Weg zum Stadion im Bus sei er gestanden, erzählte der 53-Jährige lachend. Abgesehen vom Rücken wirkte er gelöst.

Er wäre höchstwahrscheinlich beurlaubt worden nach einer Niederlage, es war "Druck auf dem Kessel", formulierte Köllner. Insofern hätte man den Blitzstart der Mannschaft - 2:0 nach sieben Minuten - auch als Statement für ihn auffassen können. Das interpretierte der Trainer aber anders, das Ergebnis habe "nicht viel mit meiner Person zu tun" - und auch seine Profis lieferten dieses klare Bekenntnis hernach nicht. "Als Spieler versuchst du das eher auszuschalten und konzentrierst dich auf deinen Job", antwortete Fynn Lakenmacher, Schütze des 2:0, bei Magentasport zum Thema Druck auf den Trainer. Man habe halt eine Reaktion auf die vorangegangenen schlechten Leistungen zeigen wollen.

Gleich vier Stammspieler hatte Köllner zu Beginn auf der Bank gelassen. Bei Kapitän Stefan Lex und Angreifer Marcel Bär handelte es sich nach Erkrankungen um Vorsichtsmaßnahmen; bei Jesper Verlaat und Christopher Lannert eher um Denkzettel. Der Eindruck der Trainingswoche zähle ja auch etwas, gab der Trainer zu bedenken. Verlaat hatte er nach dem 1:3 in Mannheim eine Woche zuvor bereits kritisiert und nach nur einem schlechten Spiel durch Semi Belkahia ersetzt, der im Trainingslager, gelinde gesagt, unauffällig gespielt hatte.

Frust, Zufall oder Inszenierung? Vor der Geschäftsstelle werden weggeworfene Köllner-Autogramme entdeckt

Es bleibt weiter offen, wieviel Rückhalt Köllner eigentlich hat. Sollte es abgesehen von Investor Hasan Ismaik weitere überzeugte Befürworter geben, sind sie kaum zu hören. Die Abendzeitung berichtete am Wochenende, im Papiermüll neben der 1860-Geschäftsstelle seien weggeworfene Köllner-Autogramme gefunden worden. Egal, ob dahinter echter Köllner-Frust, Zufall oder eine Inszenierung steckt: Köllner-Gegner erfahren zurzeit wenig Widerspruch.

Fest steht nach dem Erfolg aber auch: Die von Köllner dringend geforderte Verpflichtung von Raphael Holzhauser hatte sich im Schicksalsspiel schon nach 28 Sekunden ausgezahlt. Dem zweiten so genannten Achter, Martin Kobylanski, gelang ebenfalls ein Treffer, jener zum 3:0 (42.) - obwohl er von Köllner kritisiert worden war. "Die schönste Antwort" sei das gewesen auf die Kritik der vergangenen Wochen, sagte Kobylanski, der sich nach seinem Kopfballtreffer die Ohren zugehalten hatte. Jetzt habe man auch gezeigt, dass er und Holzhauser gemeinsam auf dem Platz stehen könnten. Wenn man ihm nach dem Spiel gegen Zwickau so zuhörte, konnte man glauben, dass es zuvor überhaupt keine Probleme gegeben hatte. "Alle harmonieren miteinander", gab er zu Protokoll.

Holzhauser betonte nach dem Spiel zu Recht, dass "noch nicht alles gut" gewesen sei. In der Tat hatte Sechzig nur eine Halbzeit lang energisch, die zweite Halbzeit wieder deutlich ideenloser gespielt. Was der Trainer ihnen mitgegeben habe? "Dass wir Spaß haben sollen. Dass wir unser Hobby zum Beruf gemacht haben", erzählte Holzhauser. Und dass der Gegner bitteschön früh attackiert werden solle. Sein Heimspiel-Traumeinstand mit dem frühen Kopfballtreffer nach einem Heber Lakenmachers habe übrigens nichts damit zu tun, dass man als Österreicher mit Schnee besser umgehen könne: "Ich kann nicht Skifahren und nicht Snowboarden", versicherte Holzhauser. Rund 30 Helfer hatten sich schon gegen fünf Uhr morgens getroffen, um die Ränge vom Schnee zu befreien, wofür sich Köllner später ausdrücklich bedankte.

Eines der großen Probleme der Löwen zuletzt war ihr Spielaufbau, oft fanden die Verteidiger keine Anspielstationen im Mittelfeld. Dieses Problem ist noch nicht behoben, wie Zwickaus 1:3-Anschlusstreffer durch Dominic Baumann zeigte (56.). Eine pragmatische Lösung fand Yannick Deichmann vor dem 2:0: Eben noch hatten die Gäste ein Abseitstor erzielt, da trieb Deichmann den Ball auf der rechten Seite fast über den gesamten Platz. Die Flanke konnte Lakenmacher nur dank Zwickauer Mithilfe nutzen, Deichmanns Lauf- und Kampffreude aber wurde von den Fans honoriert.

Trotz des verschneiten Geläufs zogen die Sechziger ein besseres Kombinationsspiel auf als in den Partien zuvor. Zwar war es keine überragende Leistung in diesem ersten Drittliga-Heimspiel des Jahres, aber doch die beste seit langer Zeit. Am kommenden Montag empfangen die Löwen zum Rückrundenauftakt Dynamo Dresden. Zu den Aufstiegsrängen fehlen weiterhin einige Punkte. Es deutet daher wenig darauf hin, dass bis zum nächsten Spiel jemand den Deckel lüftet, um Druck aus dem Kessel zu lassen.

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