Bundesliga:Nagelsmann ist genervt vom Stillstand

TSG 1899 Hoffenheim v Sport-Club Freiburg - Bundesliga

Julian Nagelsmann äußert harsche Kritik an den Fans nach dem 1:1 gegen Freiburg

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Nach dem 1:1 gegen Freiburg wird die Stimmung in Hoffenheim zunehmend schlechter. Julian Nagelsmann kritisiert die Fanreaktionen scharf.
  • Nach nur einem Sieg aus den letzten acht Spielen hinkt Hoffenheim den eigenen Erwartungen hinterher.
  • Geschäftsführer Hansi Flick ist weiterhin im "Urlaub" und steht vor dem Aus.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Wer Julian Nagelsmann nach dem enttäuschenden 1:1 (0:0) gegen Freiburg zuhörte, hätte glauben können, die Fans der TSG Hoffenheim wären auf die Barrikaden gegangen. Dabei fielen die Unmutsbekundungen zuvor eher moderat aus. Und dass die zahlenden Besucher nach vielen Rückpässen zum Torwart auch mal pfeifen, ist nicht wirklich ein Vorgang, den man zum großen Drama hochspielen muss. Zumal die Reaktionen auf die zwar bemühte, aber insgesamt doch dürftige Vorstellung der Hoffenheimer nicht aggressiv ausgefallen waren. Zu den Anhängern in die Kurve trottete nach Abpfiff trotzdem nur Torschütze Andrej Kramaric.

Trainer Nagelsmann aber ätzte: "Wir waren noch nie schlechter als Platz neun. Wenn wir anfangen, ab Platz neun zu pfeifen, wird's eng. Was machen denn Fans, die hinter uns stehen?", fragte Nagelsmann und ließ seinen Gedanken verärgert Lauf: "Beim Tabellenzehnten stürmen sie das Feld, beim Elften nehmen sie einen Spieler mit nach Hause, beim Zwölften machen sie den Mannschaftsbus kaputt."

Und weil ein Reporter fragte, ob bei einem Sieg in acht Partien nicht einiges im Spiel seiner Elf verloren gegangen sei, bekamen auch die Journalisten eine Belehrung. So betonte Nagelsmann, dass die TSG auch gegen Freiburg immer versucht habe, nach vorne zu spielen und sich Chancen zu erarbeiten. Und: Es gebe ja auch Gegner, die zurecht in der Bundesliga spielen, das müsse man respektieren - so wie die taktisch vorzüglichen Freiburger.

In den jüngste zwölf Begegnungen erlitten sie nur eine Niederlage. Aber Nagelsmanns Pauschalkritik an Reportern, diese würden ihre Analysen an Strichlisten von Torchancen ausrichten, wirkte dann doch - wie die Publikumsbeschimpfung - überzogen. Den ehrlichsten Kommentar zur mauen Gesamtlage gab der junge Verteidiger Kevin Akpoguma: "Das Spiel gibt unsere Stimmung wieder. Die Fans sind enttäuscht, und auch wir sind enttäuscht, weil wir es uns anders vorgestellt haben."

Hoffenheim hechelt den Erwartungen hinterher, auch wenn die Verantwortlichen betonen, ein Mittelfeldplatz wäre normal, die Europapokalteilnahme die Ausnahme. Doch der ehrgeizige Nagelsmann würde nicht so harsch auf Kritik reagieren, wenn er nicht selbst enttäuscht über den Stillstand in Hoffenheim wäre. Mit 32 Zählern nach 24 Spielen steckt die TSG im Mittelmaß fest, die Luft ist irgendwie raus. Ob Nagelsmann fürs Saisonfinale eine neue Aufbruchsstimmung erzeugen kann?

Hoffenheim ist für Spieler vor allem ein Sprungbrett auf dem Weg zu größeren Klubs. Letzte Saison gelang die erstmalige Europapokalteilnahme. Im Sommer wechselten dann die Nationalspieler Sebastian Rudy und Niklas Süle zum FC Bayern, im Winter folgte Mittelstürmer Sandro Wagner. Nach dieser Saison wird auch der ausgeliehene Serge Gnabry der Einbahnstraße nach München folgen - und Stürmer Mark Uth wechselt zum FC Schalke.

Mäzen Hopp wollte Flick vor allem noch für Geschäfte mit Chinesen

Der Leistungsabfall hat also Gründe: Der Aderlass zehrt an der Qualität, hinzu kommt das klägliche Aus in der Europa-League-Gruppenphase. Alle müssen lernen, mit solchen Enttäuschungen umzugehen. Auch in der Klubführung läuft nicht alles rund. Im Sommer wurde der ehemalige DFB-Sportdirektor und Bundestrainer-Assistent Hansi Flick auf Betreiben von Gesellschafter Dietmar Hopp als Geschäftsführer Sport verpflichtet, ausgestattet mit einem Fünfjahresvertrag. Sein Aufgabenbereich war aber nicht wirklich definiert, die anderen Geschäftsführer beäugten Flicks Ankunft kritisch. Seit zwei Wochen befindet sich Flick im "Urlaub", auch an seinem 53. Geburtstag fehlte er am Samstag gegen Freiburg im Stadion.

Nicht auf Gegenliebe stieß auch Hopps Versuch, Flick in beratender Funktion zu halten, weil dessen Status als Weltmeistertrainer unter anderem bei künftigen Geschäftsanbahnungen mit Chinesen, die nach deutschem Fußball-Know-how lechzen, helfen könnte. Für Flick war offenbar keine weitere Zusammenarbeit möglich. Bald, ist zu hören, soll das Missverständnis beendet werden.

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