Süddeutsche Zeitung

TSG Hoffenheim:"Die Matarazzo-raus-Thematik hat uns noch mal einen Push gegeben"

Das 3:1 gegen Hertha rettet dem Hoffenheimer Trainer den Job - und stärkt Manager Rosen, der Matarazzo gegen interne Widerstände durchgesetzt hatte.

Von Christoph Ruf, Sinsheim

Der größte Fan von Pellegrino Matarazzo saß beim souveränen Hoffenheimer 3:1-Sieg gegen Hertha BSC auf den besseren Plätzen der Haupttribüne: Alexander Rosen, seit fast zehn Jahren Manager der TSG, hatte beim brisanten Abstiegsduell mit den Berlinern noch mehr Gründe als sonst, um nach schwierigen Wochen auf einen Sieg zu hoffen. Denn hätte der erst Anfang Februar verpflichtete Matarazzo als Null-Punkte-Trainer schon wieder entlassen werden müssen, wäre auch er selbst massiv beschädigt worden.

Rosen war es schließlich gewesen, der den ehemaligen Stuttgart-Coach gegen erhebliche interne Widerstände als Nachfolger von André Breitenreiter durchgesetzt hatte. Der als Retter auserkorene Matarazzo verlor dann zum Einstand fünf Spiele am Stück. Doch dann kam die Hertha, die am Samstag überzeugender denn je nachwies, warum sie das auswärtsschwächste Team dieser Ligasaison ist.

Es dürfte deshalb nicht lange gedauert haben, bis sich auch bei Rosen die größte Anspannung legte. Während der 90 Minuten war es schließlich so gewesen, wie TSG-Mittelfeldspieler Christoph Baumgartner später behauptete: "Ich glaube, niemand im Stadion hatte heute das Gefühl, dass Hertha gewinnt." Und damit nun wirklich jeder begreifen möge, wie das Hoffenheimer Team zu seinem Trainer steht, schob Baumgartner eindeutige Sätze hinterher: "Die Matarazzo-raus-Thematik hat uns noch mal einen Push gegeben. Kein Spieler hätte es okay gefunden, wenn er hätte gehen müssen. Er macht es sensationell gut."

Das führt natürlich zu der Frage, auf wessen Betreiben eine seit Tagen als Szenario in den Raum gestellte Matarazzo-Entlassung erfolgt wäre. Die Spieler schlagen sich ungefragt für ihn in die Bresche. Auch Sportchef Rosen, der nach dem Sieg ebenso tapfer wie wahrheitswidrig behauptete, es habe "kein Ultimatum gegeben", ist von Matarazzo überzeugt- und dennoch wäre der Coach im Fall einer weiteren Niederlage wohl freigestellt worden. Denn nach wie vor gibt es beim einstigen Start-up-Klub Hoffenheim ein offizielles Organigramm, das die Zuständigkeiten im sportlichen und wirtschaftlichen Bereich klar zuordnet. Und es gibt ein anderes Machtzentrum - ein informelles.

Der mit Dietmar Hopp befreundete Berater Wittmann soll eine andere Trainer-Empfehlung gehabt haben.

Der Kicker hatte kurz vor dem Hertha-Spiel berichtet, dass der Spielerberater Roger Wittmann (Agentur "Rogon"), den der Klubpatron Dietmar Hopp seit vielen Jahren als "Freund" bezeichnet, als Nachfolger des freigestellten Breitenreiter den ehemaligen Coach des Nachbarklubs SV Sandhausen, Kenan Kocak, empfohlen hatte - nicht Matarazzo. Den seit Wochen artikulierten Forderungen der Südkurve, den Hoffenheimer deep state auszuleuchten, dürften diese Vorkommnisse neue Nahrung gegeben. Am Samstag entrollten TSG-Fans erneut ein Transparent mit der Forderung: "Wittmann im Verein entmachten".

Dass das Spieler-Trainer-Verhältnis intakt ist, davon konnten sich die Zuschauer beim 3:1 nicht nur wegen des Ergebnisses überzeugen: Als Andrej Kramaric, der mit zwei verwandelten Elfmetern den Grundstein gelegt hatte, ausgewechselt wurde, klatschte der Kroate von sich aus mit dem Trainer ab - obwohl er selbst unter ihm keinen Stammplatz mehr hat. Allerdings hatte Matarazzo Kramaric vor der Partie auch geschmeichelt, indem er ihm das Potenzial attestierte, "uns zum Klassenerhalt zu schießen." So etwas hören verunsicherte Stürmer gerne. Ebenso muntert es einen vom Platz gestellten Spieler auf, wenn ihn der Trainer nicht zusätzlich zum schlechten Gewissen mit Missachtung straft, sondern ihm einen tröstenden Klaps mitgibt. Genau das tat Matarazzo mit Stürmer Munas Dabbur, der nach kaum zwei Minuten Einsatzzeit und einem üblen Foul an Herthas Dodi Lukebakio die rote Karte sah (71.) - da stand es aber bereits 3:0.

Dabei hatten die munteren Hoffenheimer auch diesmal zunächst nicht viel aus ihrer deutlichen Überlegenheit gemacht. Doch wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Handelfmeter her - jener zum 1:0 (24.) war allerdings genauso berechtigt wie der folgende Foulelfmeter zum 2:0 (38.). Doch erst nach dem 3:0 durch Ihlas Bebou (51.) glaubte auch Matarazzo an den Sieg und die Rettung des eigenen Arbeitsplatzes. Während er sich nach den ersten beiden Treffern eher innerlich gefreut hatte, brach nun die Erleichterung aus ihm heraus. Dabburs Platzverweis hatte auf das Spielgeschehen nur noch insofern Einfluss, als die Berliner Hilflosigkeit noch offensichtlicher wurde.

In der Nachspielzeit gelang der Hertha zwar das 1:3 durch Stevan Jovetic. Aber nach einem Auftritt, bei dem ihre Mannschaft nicht mal in 25 Minuten Überzahl annähernd konkurrenzfähig war, hatten selbst die Fans aus Berlin Mitleid. Statt einer Standpauke bekamen die Spieler, die in Erwartung verbaler Prügel Richtung Gästekurve geschlichen waren, dort minutenlang Aufmunterndes zu hören. Nach allem, was man am Samstag (nicht) gesehen hat, wird die Hertha diesen Zuspruch in den kommenden Wochen auch dringend brauchen.

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