TSG Hoffenheim:Auf dem alten Fahrrad nach Europa

Simunic für hinten, Ibisevic für vorne, ein reumütiger Demba Ba und Talente aus fernen Ländern: 1899 Hoffenheim wähnt sich stärker als in der Vorsaison.

Moritz Kielbassa

Demba Ba hat seine Phase des Aufbegehrens beendet, er wohnt in Leogang nun doch wieder beim "Kirchenwirt", im urig-familiären Haus der Wirtsleute Lisi und Hannes Unterrainer. Geliebäugelt hatte Ba mit dem "Krallerhof", dort nächtigt der VfB Stuttgart. Mit zeitweise beachtlicher Ungeniertheit hatte sich der Hoffenheimer Stürmer um einen Wechsel zu den Schwaben bemüht, bis der VfB wegen einer entzündeten Schienbein-Wunde Bas den Handel abblies.

TSG Hoffenheim: Vedad Ibisevic beim Laktattest vor der Saison-Vorbereitung.

Vedad Ibisevic beim Laktattest vor der Saison-Vorbereitung.

(Foto: Foto: ddp)

Jetzt sind beide Vereine im Salzburger Land im Trainingslager, sogar im selben Ort. Demba Ba dient die Sommerfrische in den Bergen in zweierlei Hinsicht: zur körperlichen Reha und für soziale Reperaturarbeiten. "Demba muss Vertrauen zurückgewinnen, auch bei den Fans", sagt Hoffenheims Manager Jan Schindelmeiser, "das wird eine Weile dauern."

Beim Hoffenheimer Publikum fand der Senegalese bisher guten Anklang. Ba galt als Musterschüler der badischen Fußballuniversität: bescheiden, integer, immer fröhlich - bis aus dem Nichts ein Landsmann als Berater ins Bild trat: Karim Aklil. Er lenkte Ba in Richtung Stuttgart und riet ihm zum fürchterlichen Eigentor, in den Medien bereits den geistigen Abschied aus Hoffenheim zu verkünden. Dort erkannten sie Ba nicht wieder. Peter Zeidler, Co-Trainer und Französisch-Dolmetscher des Vereins, berichtete irritiert, Ba benehme sich "wie ein Kind, das jetzt sofort ein neues Fahrrad möchte".

Diese Woche hieß es, die beteiligten Trainer, Markus Babbel und Ralf Rangnick, hätten im Nachtarock dieses für alle misslichen Transferpokers noch ein paar Giftpfeile durch das Pinzgauer Tal gejagt - aber das war konstruiert. Der VfB hatte erst spät von Bas schleppender Heilung erfahren. Im Mai war ihm ein 41 Zentimeter langer Titannagel aus dem Schienbein entfernt worden. Dass der Patient - gegen den Rat der Ärzte - danach im Urlaub durch die Casinos von Las Vegas stiefelte, war eine Zusatzpointe, die nun Bas Teilnahme am Saisonstart gefährdet.

Die Hoffenheimer wollen ihm dennoch nicht ausdauernd gram sein. Ba platzierte auf der Klubhomepage eine Mea-culpa-Erklärung, Jan Schindelmeiser nahm ihn beim Training in Leogang väterlich in den Arm: "Wenn Demba sich klug verhält, gibt es keine Gräben, die man nicht wieder zuschütten kann, die Spieler haben keine Barrieren aufgebaut", sagt der Manager; seinen Stammplatzbonus habe Ba aber eingebüßt: "Er muss sich hinten anstellen und arbeiten."

Im Kern konnte man Bas Motive verstehen: Mit Stuttgart wollte er Europa bereisen - die Hoffenheimer touren nur durch Deutschland. Ihr extremes Debütjahr in der Bundesliga, mit Herbstzauber und Frühjahrsdelle, beendeten sie als zweitbester Aufsteiger der Annalen. Doch ohne internationale Startrechte ist der Fortbestand ihrer elitären Dorfgemeinschaft über kurz oder lang gefährdet, "dafür haben zu viele Spieler das Potential, um auch bei Spitzenklubs im Ausland zu spielen", weiß Rangnick. Wohin die Reise gehen soll, leuchtet ein.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, auf welchen Hoffenheimer Zugang Diego Maradona Loblieder singt.

Juwele aus fernen Kontinenten

Diesmal darf der Trainer wohl alle Leistungsträger behalten, auch das Wolfsburger Werben um Mittelfeldtrickser Carlos Eduardo prallte ab. Hinzugeholt wurden stattdessen ansprechende Spieler für 16 Millionen Euro - so wie es Rangnick bei den kurzzeitig entgleisten Budgetdebatten mit Mäzen Dietmar Hopp verlangt hatte.

Auch diesmal sind die Neuen überwiegend Talente aus fernen Kontinenten, die nur Insider kannten: Beim argentinischen Juwel Franco Zuculini kam man Bremen zuvor; Nationaltrainer Diego Maradona singt Loblieder auf den 18-Jährigen, der im Mittelfeld ein Balldieb und gescheiter Aufbauspieler sein soll. Der Brasilianer Maicosuel, 23, ist offensiv rechts oder zentral verwendbar, pfeilschnell, ein Leichtgewicht und berüchtigt selbstbewusst. Prince Tagoe, 22, aus Ghana, erweitert das Sturmsortiment.

Als Stilmerkmale bevorzugt Rangnick weiterhin hohes Pressing und Volldampfangriffe; zu flinken, jungen Füßen passe keine künstlich anerzogene, abgeklärte Spielweise, beschloss der Trainer in der Saisonpause. Seine Königspersonalie des Sommers fällt da scheinbar aus der Reihe. Für Josip Simunic, 31, hat Gönner Hopp sieben Millionen Euro aus dem Geldspeicher geholt - die erste Großinvestion der TSG ohne Aussicht auf Rendite durch Weiterverkauf. Sportlich ergibt sie Sinn. Die verlustreiche Rückrunde lehrte die Hoffenheimer, dass sie doch ein paar erfahrene Anführer benötigen für ihre ehrgeizigen mittelfristigen Vorhaben.

Simunic, im Vorjahr bei Hertha BSC einer der besten Innenverteidiger der Liga, könnte mit seiner Routine und großen Statur die zuletzt poröse Abwehr festigen. Auch der aus Karlsruhe geholte, sympathisch beleumundete Linksverteidiger Christian Eichner, 26, soll den Jüngeren Halt geben. Solche Käufe seien kein Verrat am Klubdogma, ereifert sich Rangnick, es sei ein feiner Unterschied zwischen Jugendstil und Jugendwahn.

Weitere Transfers schließt Schindelmeiser aus: "Unser Boarding ist completed." Interne Behauptungskämpfe werden zunehmen, Rangnick erkennt eine "höhere Leistundsdichte im Kader als im Vorjahr" - zumal es schon im Mai lautes Gejohle gab, als er im Training "unseren ersten Neuzugang" begrüßte. Es war Vedad Ibisevic, mit 18 Toren der Senkrechtstarter 2008.

Nach seinem Kreuzbandriss im Januar macht er zügigere Fortschritte als erwartet, erste Testspieleinsätze bestand er unversehrt. Die Tage beim "Kirchenwirt" sind Balsam für den Bosnier, dabei veräppelte ihn sein neuer Freund Simunic in Leogang als Entlauber - Ibisevic hatte bei Torschussübungen den Ball in die Baumkronen gebolzt.

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