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Trotz Doping-Enthüllungen:Radsport in der Hand der Schattenmänner

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Die Vergangenheit holt den Radsport durch den Dopingfall Lance Armstrong ein. Auch junge Fahrer, die mit den Skandalen nichts zu tun haben, müssen sich ständig dazu äußern. Doch so lange der Weltverband UCI an seiner Spitze und deren Hintermännern festhält, wird sich im Radsport nichts ändern.

Andreas Burkert

Mit den WM-Rennen neigt sich traditionell die Radsaison dem Ende zu, das Regenbogentrikot wird diesen Sonntag auf dem Cauberg in Valkenburg vergeben. Der junge Mittelfranke John Degenkolb, der soeben international reüssierte mit vier Tagessiegen bei der Vuelta, gilt als Außenseiter, doch nicht mal ein Coup von ihm würde wohl den Frust seiner nachrückenden Generation über das Image des Radsports vertreiben.

Bitter seien die übergeordneten Debatten, etwa über die als Betrüger gebrandmarkten Promis wie Lance Armstrong und Alberto Contador, klagt Degenkolb und findet: "Es ist ein Kapitel, das abgeschlossen wurde. Wir können darauf keinen Einfluss mehr nehmen."

Degenkolb ist Jahrgang 1989; er war neun, als der Festina-Skandal zwar den Radsport erschütterte, aber nicht die Betrugsmentalität des Pelotons, und er war 17, als 2006 das Netzwerk des Blutmixers Dr. Fuentes aufflog. Doping füllt im Radsport nicht nur Kapitel, sondern Buchbände.

Dass Talente wie Degenkolb stets mit der Vergangenheit konfrontiert werden, liegt offenkundig auch daran, dass diese vom Weltverband UCI halbherzig bis gar nicht aufgearbeitet wird. Nicht erst seit den Anschuldigungen der geständigen Floyd Landis und Tyler Hamilton zu einem angeblichen UCI-Schutzprogramm für die einstige Galionsfigur Armstrong ahnt man, weshalb das so ist. Erwartungsgemäß hat der Verband nun auch die Idee einer Generalamnestie für geständige Doper verworfen: Man wolle sich auf die Gegenwart konzentrieren, sagt Präsident Pat McQuaid, "nicht auf die Vergangenheit".

Daran kann der UCI ja auch nicht gelegen sein, denn eine Geständnis-Flut würde die Seriosität ihres Kontrollsystems und ihre Rolle schon während der Amtszeit von McQuaids umstrittenem Vorgänger und Schattenmann Hein Verbruggen (1991 - 2005) mehr denn je in Frage stellen.

Verbruggen hat nun übrigens in Valkenburg erklärt, er habe das spektakuläre Enthüllungsbuch Tyler Hamiltons nicht gelesen - dafür gebe es auch keinen Grund. Womöglich sind ihm einige Kapitel auch schon bekannt. Wirklich (ab)schließen könnte sie der Radsport allerdings nur, wenn die UCI-Spitze samt Schattenmännern endlich abträte.

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Quelle:
SZ vom 22.09.2012
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