Triumph in Melbourne:Kerber bläst frischen Wind ins muffige deutsche Tennismuseum

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Selfie fürs Fotoalbum: Angelique Kerber bei ihrer Ankunft in Frankfurt (Foto: dpa)

Es ist albern, nach dem Grand-Slam-Turniersieg von Angelique Kerber einen Tennis-Boom zu erwarten. Der Triumph der 28-Jährigen ist aus anderen Gründen bemerkenswert.

Kommentar von René Hofmann

Die Australian Open 2016 sind zu Ende. Aber Tennis wird zügig weitergespielt. Bereits am Wochenende hat Angelique Kerber ihren nächsten Auftritt. Die erste Fed-Cup-Runde steht an. In dem Länderwettstreit trifft Deutschland in Leipzig auf die Schweiz. Unmittelbar nach dem ersten Grand-Slam-Triumph in der Heimat aufzuschlagen, ist eine besondere Herausforderung. Nach dem Sieg über Serena Williams, die Nummer eins der Welt, wird von Kerber nun natürlich Großes erwartet. Dem nach all den Feierlichkeiten gerecht zu werden, wird nicht leicht. Zudem wird der Auftritt in Leipzig ein Gradmesser: Wie viel Begeisterung für den einst so umjubelten Sport löst Kerber wirklich aus?

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:Wenn Angie baden geht

Wettschulden sind auch für eine Grand-Slam-Siegerin Ehrenschulden: Angelique Kerber hat wie versprochen ein Bad im trüben, kalten Yarra River in Melbourne genommen.

Vergleiche mit Steffi Graf und Boris Becker sind albern. Becker gewann mit 17 Wimbledon. Kerber ist 28. In dem Alter hatte Graf 21 ihrer insgesamt 22 Grand-Slam-Trophäen schon beisammen. Allein diese Zahlen verdeutlichen die Relationen. Als Graf und Becker die Bühne verließen, suchte Deutschland eine Zeit lang sehnsüchtig neue Tennisgrößen. Tommy Haas und Nicolas Kiefer wurden heiß gehandelt. Sie konnten die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Bei den Frauen rückte eine Generation nach, der nicht nur das überwältigende Talent von Graf fehlte; sie strahlte auch kaum Spielfreude aus. Das deutsche Tennis - es wirkte oft verkrampft, mehr als einmal auch zerstritten, weshalb sich ein Eindruck festsetzte: Viele Möglichkeiten blieben unausgeschöpft.

Hinter Serena Williams klafft eine Lücke

Dieses Bild wandelte sich zuletzt. Vor allem wandelte es sich dank der Frauen. Andrea Petkovic, Julia Görges, Sabine Lisicki und Angelique Kerber ließen einen frischen Wind durch das Boris-Becker-und-Steffi-Graf-Museum wehen, in dem das deutsche Tennis sich etwas muffig eingerichtet hatte. Jeder von ihnen war der große Coup zuzutrauen, der nun Kerber in Melbourne glückte. Das Frauen-Tennis weltweit befindet sich gerade im Umbruch. Hinter Serena Williams klafft eine Lücke. Kerbers Auslosung bei den Australian Open war glücklich.

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Nur fünf Minuten zum Duschen und Interviews bis drei Uhr nachts - Angelique Kerber erlebt nach ihrem Triumph von Melbourne einen berauschenden Abend.

Von Gerald Kleffmann

Auf dem Weg ins Finale begegnete sie keiner Gegnerin, die in der Weltrangliste unter den besten 15 geführt wird. Das alles aber mindert Kerbers Leistung nicht. Im entscheidenden Moment, im Finale gegen Serena Williams, war sie voll da und holte alles aus sich heraus. Das ist das wohltuende an diesem Triumph: Endlich schöpft da jemand seine Möglichkeiten aus.

© SZ vom 01.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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