Andrea Trinchieri beim FC Bayern:Ein Trainer - so heiß wie ein Vulkan

Trainer Andrea Trinchieri

Von Belgrad nach München: Andrea Trinchieri

(Foto: Andreas Gora/dpa)

Andrea Trinchieri, der neue Trainer der Bayern-Basketballer, bringt Kompetenz, Temperament und Leidenschaft mit - und steht damit für Dinge, die den Münchnern zuletzt gefehlt haben.

Von Ralf Tögel

Blutleer, kaum Emotionen, keine Leidenschaft - die letzten Auftritte der Basketballer des FC Bayern in der Saison 2019/20 hinterließen keinen guten Eindruck. Beim Turnier um den deutschen Meistertitel, den die Münchner in eigener Halle zu verteidigen gedachten, scheiterte der Meister folgerichtig an einem Team, das zwar klar schlechter besetzt war, aber eben jene Emotionen und Leidenschaft auf das Feld brachte. Mit unbändigem Kampfwillen und Einsatz kegelte Ludwigsburg den Favoriten aus dem Turnier. Die Saison des FC Bayern war endgültig verkorkst: Pokal-Aus in der ersten Runde, 17. und Vorletzter in der Euroleague, in der die Runde der besten Acht das Ziel war - und das unrühmliche Scheitern im Meisterschaftsturnier. Das sind die Fakten, die bleiben, neben den Bildern der müden Spieler.

Doch die sportliche Führung der Bayern hat einen Plan, wie das Feuer im Team wieder entzündet werden soll: mit einem italienischen Vulkan. Dieses platte Bild für die Heißblütigkeit der Italiener passt gar nicht schlecht zum neuen Cheftrainer der Münchner, die Andrea Trinchieri, ihren Wunschkandidaten, am Mittwoch offiziell vorstellen. Wie die SZ berichtet hatte, waren nur noch Details zu klären, nun wurde ein einjähriger Vertrag vereinbart. Dem Vernehmen nach sollen aber weitere Optionen im Raum stehen.

Einer Gehaltskürzung in Belgrad, ist zu hören, wollte er nicht zustimmen

Kommende Woche wird der 51-jährige Trinchieri in München erwartet, derzeit erholt er sich noch im italienischen Ferienort Milano Marittima an der Adria von seinem jüngsten Engagement bei Partizan Belgrad. Dort hatte er den serbischen Traditionsklub in der südosteuropäischen Adria-Liga ABA an die Tabellenspitze geführt und war im Eurocup, dem zweithöchsten europäischen Wettbewerb, mit der besten Gruppenbilanz aller Teilnehmer ins Viertelfinale gegen Kasan eingezogen - ehe das Coronavirus den Basketball weltweit lahmlegte. Einer Gehaltskürzung in Belgrad, ist zu hören, wollte er nicht zustimmen. Trinchieri hatte ohnehin eine Klausel im Vertrag, die es ihm ermöglichte, zu einem Euroleague-Klub zu wechseln. Das ist nun der FC Bayern. Der gebürtige Mailander Trinchieri nennt seine neue Arbeitsstelle "die perfekte Herausforderung".

Wenn Trinchieri neben seiner fachlichen Kompetenz für eines bekannt ist, dann ist es sein Temperament. Für Kompetenz spricht seine Trainerbilanz: Wo er wirkte, war Erfolg. In Italien war er zweimal Trainer des Jahres, gewann mit Cantu, bei seiner ersten Station als Chefcoach, den italienischen Supercup. Mit Kasan holte er 2014 den russischen Pokal, wurde Eurocup-Coach des Jahres und trainierte zugleich das griechische Nationalteam. Danach heuerte er in der Bundesliga (BBL) bei Brose Bamberg an - und machte sich mit drei Meisterschaften und einem Pokalsieg zumindest in Oberfranken unsterblich.

Trinchieri steht für Dinge, die den Bayern zuletzt fehlten

Auch beim FC Bayern dürfte er in Erinnerung geblieben sein, denn es waren damals stets die Münchner, die von Trinchieris Team mit teils begeisterndem Kombinationsspiel aus der Meisterschaft geworfen wurden. Unvergessen sind auch seine Duelle mit dem ähnlich impulsiven Bayern-Coach jener Zeit: Wenn Svetislav Pesic und Trinchieri aufeinandertrafen, soll es nach Schießpulver gerochen haben. Legendär waren Trinchieris Aussagen nach dem Pokalsieg 2017 gegen den FCB (74:71), als er erst den Gegner als "großartigen Verein" lobte und dann seinem Team "eine sehr schlechte Leistung" attestierte - für den ungeliebten Kontrahenten aber hatte es noch allemal gereicht. Nun also soll der Italiener just diesen Klub zurück auf die Erfolgsspur bringen. Und das ergibt Sinn.

Trinchieri steht eben für unbändige Leidenschaft - im Wettkampf wie im Training. Dinge, die den Bayern zuletzt fehlten. In Bamberg, erzählt man sich, habe er wegen mangelhafter Einstellung der Spieler mal einen Tisch durch die Trainingshalle gefeuert, was eine größere Reparatur am Parkett nach sich zog. Auch die Wortwahl des Italieners, wenn er unzufrieden ist, soll alles andere als zimperlich sein.

Davon kann auch Maodo Lo berichten, der eineinhalb Jahre unter Trinchieri in Bamberg spielte. Ob es zu einer erneuten Zusammenarbeit in München kommt, ist offen. Lo gilt als ruhiger und besonnener Zeitgenosse, sein Vertrag in München ist ausgelaufen - und derzeit flirtet der Spielmacher dem Vernehmen nach mit Alba Berlin, er würde in seine Heimatstadt zurückkehren. Sein Weggang würde nach dem Abschied von Kapitän Barthel ein weiteres Loch in den Kader reißen, gerade im Hinblick auf die in der BBL geforderten sechs deutschen Spieler. Lo und Barthel sind Nationalspieler, Akteure auf diesem Niveau sind rar.

Der neue Trainer bringt noch eine weitere Unbekannte mit an die Isar: Wie wird er sich mit Sportdirektor Daniele Baiesi vertragen? Schon zu erfolgreichen Bamberger Zeiten bildeten die beiden ein starkes Duo, bis man sich wegen eines Kompetenzgerangels derart überwarf, dass nur Platz für einen blieb - Baiesi verlor die Kraftprobe und heuerte danach bei den Bayern an.

Dort gibt es nun mit dem Eintreffen von Trinchieri eine Häufung an Alphatieren. Neben den beiden Italienern ist Geschäftsführer Marko Pesic weiter der starke Mann im Klub. Trinchieri wird mindestens einen Assistenten mitbringen. Ob ein Platz für Vorgänger Oliver Kostic bleibt, sofern dieser einen annehmen will, ist offen. Wie auch immer die Konstellation letztlich aussieht - es wird sehenswerte Bilder geben.,

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