Der entlarvende Satz stand in der ersten Stellungnahme des Nordostdeutschen Fußballverbandes. Man habe die Sorge, dass sich durch die Werbung "eine bestimmte Gruppe von Personen provoziert fühlen könnte", schrieb der NOFV in einer Mail an den Klub Tennis Borussia Berlin, der diese prompt veröffentlichte. Es folgte eine Riesenaufregung. Worum ging es? Der Regionalligist aus dem Berliner Westen hatte Ende Juli keinen Trikotsponsor, wollte stattdessen für den Cura Opferfonds der Amadeu Antonio Stiftung, der die Opfer rechter Gewalt unterstützt, auf der Frontseite der Trikots werben - und durfte nicht. Der Verband untersagte es mit dem Verweis auf Paragraph 25, Ziffer 8 der Spielordnung, wonach Werbung für politische Gruppierungen verboten ist. Und das mit oben genanntem Grund.
Tennis Borussia Berlin:Zu viel Politik auf der Brust
In der Regionalliga Nordost schwelt ein Streit darüber, wie politisch ein Trikot sein darf. Nun protestiert Tennis Borussia in einem offenen Brief gegen ein Verbot des Verbands - und schlägt vor, die Spielordnung zu ändern.
Seitdem versucht der NOFV den Satz wieder einzufangen, schreibt in einer nachgeschobenen Begründung, der Fonds wende sich eben nur an Opfer rechter Gewalt, und es gebe auch Gewalt von links und damit auch Opfer von linker Gewalt, die sich provoziert fühlen könnten. Darum habe man so handeln müssen. Garniert ist die Stellungnahme mit dem Satz: "Der Verband setzt sich dafür ein, dass in den 90 Minuten Spielzeit die gesellschaftspolitischen Probleme nicht thematisiert werden, ohne diese jedoch aus den Augen zu verlieren." Besser kann man Widersprüchlichkeit kaum ausdrücken.
Wer fühlt sich von einem Opferfonds gegen rechte Gewalt provoziert?
Der NOFV läuft hier wieder in die gleiche Falle wie der europäische Fußballverband Uefa bei der EM. Man kann sich nicht plump auf politische Neutralität zurückziehen, alles ist politisch, auch das Verbot der Werbung ist es, und darum muss man als Verband jedes Mal neu abwägen, welche politische Botschaft man aussenden will. Die Uefa sendete die Botschaft: Wir wollen kein Regenbogenstadion. Der NOFV nun: Wir wollen keinen Opferfonds.
Noch fataler ist aber der zu Beginn zitierte Satz. Denn der lässt einen viel naheliegenderen Schluss zu als den vom NOFV verbreiteten: Denn wer fühlt sich von einem Opferfonds gegen rechte Gewalt provoziert? Opfer von linker Gewalt? Oder vielleicht doch eher Rechtsextreme, vor denen man, sollte die Interpretation zutreffen, feige und in vorauseilendem Gehorsam in die Knie gegangen wäre. Das ist eine politische Botschaft, die ein Verband niemals zulassen darf.
Der NOFV sollte da dringend den politischen Kompass neu ausrichten, Grundlage dieser Justierung müssen übrigens gesellschaftliche Grundwerte sein. Warum der Opferfonds dagegen verstoßen sollte - die Begründung bleibt der NOFV schuldig. Jedenfalls in diesem Fall. Denn im vergangenen Jahr lief der SV Babelsberg in der Regionalliga Nordost mit dem Schriftzug "Seebrücke" auf dem Trikot auf, ein gemeinnütziges, internationales Bündnis, das sich für sichere Fluchtwege einsetzt. Die Werbung wurde erlaubt.