Triathlon:Schneller als die meisten Männer

01 06 2018 Letzigrund Stadion Zürich SCHWEIZ Medienkonferenz Daniela Ryf *** 01 06 2018 Letzigru

Favoritin auf Hawaii: Daniela Ryf könnte ihren vierten WM-Titel in Serie gewinnen.

(Foto: Manuel Geisser/imago)
  • Die Schweizerin Daniela Ryf könnte am Samstag ihren vierten Ironman-Titel in Serie gewinnen.
  • "Die Zahl meiner Hawaii-Siege ist für mich zweitrangig. Ich will ein spektakuläres Rennen zeigen", sagt Ryf.
  • Sei setzt dabei auf eine spezielle Art des Trainings, von dem sie sagt, es sei anstregender als der Wettkampf.

Von Emil Bischofsberger

Auf Hawaii läuft die Woche der Worte, der vollmundigen Ankündigungen und Versprechen. Das Training ist so kurz vor dem Ironman-WM-Rennen der Triathleten erledigt, die Profis haben Zeit für öffentliche Verpflichtungen, für Sponsoren und Medien. Niemand erzählt nun von einer schwierig verlaufenen Vorbereitung oder gar einer Verletzung. Sondern einzig von der eigenen Topform. Daniela Ryf ist da keine Ausnahme. Als die Titelverteidigerin nach ihrem Trainingslager auf Maui Anfang der Woche nach Big Island reiste, wo der mythenumwehte Ironman in diesem Jahr zum 40. Mal stattfindet, meldet sie: "Alles ist nach Plan gelaufen, die große Arbeit ist erledigt."

Bis zum Rennen am Samstag (18.35 Uhr MEZ) dominieren die Worte, dann gibt die Kanone am Kailua Pier den Startschuss für die Taten während der gut acht Rennstunden. Es gilt, einen der berühmtesten Dreiklänge des Ausdauersports hinter sich zu bringen: 3,8 Kilometer schwimmen, 180 Kilometer Rad fahren, 42 Kilometer laufen.

In diesem Jahr ist Daniela Ryf noch ungeschlagen

Viele träumen davon, auf Hawaii, der Urzelle dieses Dreikampfs, das Rennen der Saison - oder noch besser: der Karriere - zu zeigen. Daniela Ryf träumt nicht. Sie will nur das abrufen, was sie das Jahr über an Können aufgebaut hat. Das reicht in der Regel, um die Konkurrenz zu dominieren, in diesem Jahr ist sie noch unbesiegt.

Die Hawaii-Siegerinnen der letzten zwölf Jahre

2017 Daniela Ryf (Schweiz)

2016 Daniela Ryf (Schweiz)

2015 Daniela Ryf (Schweiz)

2014 Mirinda Carfrae (Australien)

2013 Mirinda Carfrae (Australien)

2012 Leanda Cave (Großbritannien)

2011 Chrissie Wellington (Großbritannien)

2010 Mirinda Carfrae (Australien)

2009 Chrissie Wellington (Großbritannien)

2008 Chrissie Wellington (Großbritannien)

2007 Chrissie Wellington (Großbritannien)

2006 Michellie Jones (Großbritannien)

Die bislang beste deutsche Triathletin auf Hawaii war Nina Kraft im Jahr 2002, als Zweite.

Die 31 Jahre alte Schweizerin wechselte 2014 von der olympischen auf die Langdistanz und wurde bei ihrem Hawaii-Debüt gleich Zweite; erst auf den letzten Kilometern des Marathons zog die Australierin Mirinda Carfrae an ihr vorbei. Seitdem gewann Ryf alle drei Ironman-Rennen auf der Pazifikinsel. Das gelang ihr, weil sie auf der Langstrecke so komplett ist wie keine andere - stark im Schwimmen und Laufen, überragend auf dem Rad.

Natürlich glauben die Herausfordererinnen an ihre Chance, die Britin Lucy Charles etwa; die Deutschen um Hawaii-Neuling Anne Haug sind eher Außenseiter. Allzu große Hoffnungen sollten sie alle sich aber nicht machen, zumindest wenn man hört, was Ryfs Trainer Brett Sutton daheim in St. Moritz erzählt. "Ich bin sehr glücklich. Ich war nie glücklicher - und zuversichtlich", sagt der Australier, der in der Schweiz seine Trainingsgruppe betreut. Sutton gilt als einer der erfolgreichsten Triathlontrainer der Welt, als Schleifer, der mit öffentlichem Lob eher spart. Und als einer, der oft schon mit einem Blick erkennt, ob es seinem Athleten gut geht oder nicht so gut.

Zwischenzeitlich rebellierte der Körper

Seine Zuversicht zieht Sutton aus dem Wandel, den Ryf im Vergleich zur vergangenen Saison durchgemacht hat. Damals hatte ihr Körper bereits im Frühling rebelliert, die Muskulatur im unteren Rücken verkrampfte sich immer wieder. Selbst "ein außerordentliches physisches Exemplar" wie Ryf (O-Ton Sutton) stößt manchmal an Grenzen, und an diese hatte die Triathletin ihren Körper gebracht, indem sie sich zwei Winter lang keine Pause gegönnt hatte. Nicht wegen ihres Trainingsfleißes, sondern wegen höchst lukrativer Rennen - wie der "Triple Crown", die sich zumeist über Wettbewerbe im Nahen Osten erstreckt. Vor drei Jahren gewann Ryf die Serie und den Jackpot, den Bahrains triathlonbegeisterter Scheich Nasser für diese Tat ausgelobt hatte: eine Million Dollar.

Auch deshalb mogelte sie sich durch die Saison 2017 (in der sie den Jackpot knapp verfehlte), gewann trotzdem auf Hawaii - aber ohne zu dominieren, wie üblich. "Sie hatte das ganze Jahr über nur fünf richtige Ironman-Trainingswochen absolviert", sagt Sutton. Deshalb beobachtete er Ryf vor dieser Saison mit seinem geschulten Blick und verordnete ihr drei Monate Pause. Es dauerte, bis die Athletin sich damit abfand. Doch Sutton hatte ein recht überzeugendes Argument parat: "Ohne Pause wäre dies ihre letzte Saison gewesen."

Das Training ist anstrengender als die Wettkämpfe

Nun blicken die beiden weiter, sicher bis 2021, sie vergessen aber auch die Gegenwart nicht. Ryf suchte aerodynamische Verbesserungen im Windkanal und auf der Rennbahn. Die Trinkflaschen sind nun hinter dem Sattel angeordnet statt am Rahmen, acht Watt gewinne sie damit, "das macht auf 180 Kilometern zwei bis drei Minuten". Und wenn sie dazu noch den Kopf tief zwischen die Schultern drücke, erzählt Ryf, den Blick nur auf die Linie am Straßenrand gerichtet, seien das weitere zehn Watt. Es ist dieses Tüfteln, auf das sich auch die zuletzt so erfolgsverwöhnten deutschen Männer berufen: Viele kleine Vorteile sollen sich in der Lavawüste von Hawaii zu einem großen Vorteil verdichten.

Die Zahlen aus Ryfs Mund erstaunen. Denn im Alltag fehlen diese komplett. Da lässt sie sich von ihrem Gefühl leiten. Das Training absolviert sie mithilfe von Suttons Anweisungen, der ihr eine subjektive Intensität vorschreibt - oder die Einheiten so gestaltet, dass deren einziger Sinn es ist, sie zu schaffen. "Es gibt bei uns keine Schlüsseltrainings. Es geht darum, das Training als Ganzes zu absolvieren, auch wenn du müde bist, auch wenn du Muskelkater hast", sagt Ryf. Es gibt Tage, an denen sie sich fragt, wie sie die folgende Einheit überhaupt überstehen wird. Entsprechend empfindet sie das Training oft anstrengender als Wettkämpfe. Weil sie dort erholt antreten kann.

"Ich will ein spektakuläres Rennen zeigen."

Sutton führt sehr wohl Buch über die Einheiten. Er hat früh verstanden, dass Ryfs Können am besten zur Geltung kommt, je länger die Quälerei anhält - weil ihr sparsamer, schleichender Laufstil sich besonders für lange Distanzen eignet, vor allem, wenn einem bereits sechs Stunden im Wasser und auf dem Rad in den Knochen stecken. Aber wenn Sutton durch seine Aufzeichnungen der aktuellen Saison blättert, staunt selbst er: "Ich hätte nie gedacht, dass sie nach der Pause dieses Niveau erreichen würde." 2018 hätte eigentlich ein Übergangsjahr werden sollen.

Stattdessen spricht Ryf schon jetzt vom Gefühl des Fliegens, wenn es um das Rennen am Samstag geht. 2016 erlebte sie dieses bei ihrer bislang dominantesten Vorstellung auf Hawaii, als sie mit Streckenrekord und 24 Minuten Vorsprung gewann. Beim Ironman in Frankfurt in diesem Jahr lag sie fast 27 Minuten vor der zweitbesten Frau, nur sechs Männer waren schneller als Ryf. "Die Zahl meiner Hawaii-Siege ist für mich zweitrangig. Ich will ein spektakuläres Rennen zeigen", sagt sie.

Wer die Konkurrenz derart dominiert, muss sich andere Ziele setzen.

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