Triathlon:Neue Besitzer entwurzeln den Triathlon

Jan Frodeno

Jan Frodeno hievte den Triathlon mit seinen Erfolgen auf eine neue Ebene.

(Foto: AP)
  • Jan Frodeno setzte 2015 ein Ausrufezeichen im Triathlon. Ironman, Europameisterschaft und Weltmeisterschaft gewann der Deutsche.
  • Doch seine Sportart steht vor einer Wende. Neue Besitzer wollen den chinesischen Markt erobern.
  • Philippe Blatter, Neffe von Joseph Blatter, lenkt das Vorhaben und nimmt beunruhigende Personalwechsel vor.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Triathlet Jan Frodeno, 34, blickt auf ein unvergleichliches Jahr zurück. Der Coup beim Ironman Hawaii über 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42 Kilometer Laufen. Europameister beim Ironman Frankfurt. Weltmeister beim Ironman in Zell am See über die halb so lange Strecke. Und das alles nach dem Olympiasieg 2008 in Peking, wo Frodeno über die Kurzdistanz triumphierte. Der Ausdauerspezialist hat die Grenzen seiner Sportart neu definiert. Und nun auch noch: Sportler des Jahres 2015

Der in Köln geborene, in Südafrika aufgewachsene Frodeno weiß sehr wohl, dass seine Erfolge nicht nur ihm selbst dienen. Sondern vor allem auch der Marke Ironman. Eher unbemerkt war vor dem Showdown auf Big Island ein sagenhafter Deal über die Bühne gegangen, als der chinesische Mischkonzern Dalian Wanda für die Übernahme der Marke Ironman und seiner Dachorganisation World Triathlon Corporation (WTC) unglaubliche 650 Millionen Dollar bezahlte.

Der Ironman gehört jetzt den Chinesen. "Als eine global denkende Firma mit dem gleichen Streben nach Qualität und Wachstum, speziell in Asien, ist Wanda der ideale Partner", teilte WTC-Boss Andrew Messick seinerzeit mit. Das Geld floss aber direkt an das amerikanische Private-Equity-Unternehmen Providence, das 2008 wiederum für 85 Millionen Dollar die WTC aufgekauft hatte.

Auch Neffe Blatter wird kritisch gesehen

Ende November dieses Jahres gab der neue Besitzer die Gründung von Wanda Sports bekannt, der mächtige Sportvermarkter Infront Sports & Media wurde mit der Ironman-Marke verschmolzen. Und dieses Unternehmen wird nun von Philippe Blatter geleitet. Der Neffe des gesperrten Fifa-Präsidenten Sepp Blatter, 79, sah sich in der Vergangenheit immer wieder Vorwürfen ausgesetzt, er sei bei Vergaben des Weltfußballverbands bevorteilt worden. Nun ließ Philippe Blatter verlauten, man wolle strategischen Investitionen bündeln und die weitere Expansion vorantreiben. Der Sportart Triathlon, deren Teilnehmer oft keine Kosten und Mühen scheuen, um sich der Herausforderung zu stellen, fällt dabei offenbar eine wichtige Rolle zu.

Dazu passt die Pressemitteilung vom ersten Weihnachtstag: "Ironman freut sich, ein neues Rennen in China bekanntgeben zu dürfen. Es handelt sich dabei um den ersten Ironman 70.3 in der Hafenstadt Xiamen an der Südostküste des Landes." Sogenannte 70.3-Triathlons werden über die halbe Ironman-Distanz gelaufen. Renndatum ist der 6. November 2016, dann können in Xiamen direkt 15 Startplätze für den Hawaii Ironman 2017 ergattert werden. Mittelfristig könnten zu den 2016 geplanten 41 Langdistanz- und 136 Halbdistanz-Veranstaltungen unter Ironman-Label wohl noch 20 oder 30 neue Rennen in Fernost kommen, vermuten Insider. Vor allem China ist auf der Triathlon-Landkarte bisher fast ein weißer Fleck.

Wer bei dem von Onkel Sepp stets zielsicher protegierten Philippe Blatter für den Triathlon wenig Gutes vermutet, liegt wohl richtig: Obwohl die neue Firma mit Sitz in Zug/Schweiz zunächst verkündete, sie wolle das erfahrene Ironman-Management nicht verändern, trennte sich das Unternehmen kurz vor Weihnachten von dem aus Frankfurt operierenden Europa-Chef Thomas Dieckhoff. Der 58-jährige Wiesbadener hatte drei Jahre lang die europäische Firmenpolitik verantwortet - die dürre Presseerklärung zum Abschied ließ viele Fragen offen. Ironman-Kommunikationschef Stefan Jaeger teilte auf Anfrage lapidar mit, mehr müsse nicht gesagt werden, ein Nachfolger werde zeitnah bestimmt.

Der Arzt, der gegen Doping vorgeht, wird gekündigt

Bedenken, dass die deutschen Standorte - neben dem Ironman Frankfurt als Aushängeschild die Halbdistanz-Rennen in Wiesbaden, Kraichgau und Rügen - gefährdet sein könnten, zerstreut der zuständige Geschäftsführer Björn Steinmetz: "Die vier Rennen in 2016 sind nicht betroffen." Die Verträge in Frankfurt und Wiesbaden laufen aus, man sei aber "in guten Gesprächen", sagt Steinmetz.

Zur Dieckhoff-Trennung ("Habe viel von ihm gelernt") möchte sich Steinmetz nicht weiter äußern - aus gutem Grund. Die Personalie fügte sich in ein bestimmtes Bild: Ähnlich wurde zuvor mit ehrenamtlichen Helfern und langjährigen Mitarbeitern umgegangen. Selbst der engagierte Triathlon-Arzt Klaus Pöttgen, der zuvor mithalf, ein umfassendes Anti-Doping-Programm aufzubauen, erhielt in einer formlosen E-Mail seine Kündigung. Pöttgen hat mit den neuen Herren über den Ironman abgeschlossen.

Dachmarke steuert in eine gefährliche Richtung

Was bleibt, ist die Frage, ob sich das eigentlich vertragen kann: eine an die amerikanische Unternehmenskultur angelehnte Kommunikations- und Personalpolitik plus der chinesische Investoreneinfluss auf der einen Seite - und die Ideale einer Sportart, die gerne ihren ideellen Charakter und ihr familiäres Ambiente herausstellt auf der anderen?

Für Kurt Denk, der 2002 mit privatem Geld die Ironman- Lizenz aus Roth für Frankfurt erwarb, ehe er nach sieben Jahren seine Anteile verkaufte, steuert die Dachmarke jedenfalls in keine gute Richtung. Nämlich "in ein System, welches nicht mehr überschaubar und transparent ist - weder für die Sportler noch für die Öffentlichkeit", sagt Denk der SZ. Frankfurts Ironman-Begründer ist überaus skeptisch: "Geld verdienen ist keine Schande. Eine andere Sache ist aber, wie man dabei mit Menschen umgeht, die diesem Sport geholfen haben." Der 66-Jährige hatte die neuen Macher intern wiederholt davor gewarnt, den Ironman zu entwurzeln. Aber Wurzeln sind halt manchmal schlecht fürs globale Geschäft.

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