Roth:Ein kleines Städtchen prägt den deutschen Triathlon

Challenge Roth

Jetzt kennt also auch der Triathlet Jan Frodeno dieses Gefühl, wenn einem beinahe das Trommelfell platzt.

(Foto: Getty Images for Challenge Triat)

Es gibt Wimbledon im Tennis, Kitzbühel im Wintersport - und das mittelfränkische Roth im Triathlon. Dabei stand die Veranstaltung vor 15 Jahren schon vor dem Aus.

Von Johannes Knuth, Roth

Jetzt kennt also auch der Triathlet Jan Frodeno dieses Gefühl, wenn einem beinahe das Trommelfell platzt. So kam es ihm zumindest vor, erzählte Frodeno, als er sich am Sonntag auf dem Rad zum ersten Mal den Solarer Berg hinaufschob, den die Triathleten beim Langdistanz-Rennen in Roth passieren. Der Berg ist für seine flirrende Atmosphäre bekannt, die Zuschauer geben eine schmale Gasse frei, durch die die Fahrer hinaufklettern.

Es ist ein süßer wie gefährlicher Moment, manche Fahrer lassen sich dann gerne etwas zu sehr von der Begeisterung treiben. Und auch wenn Frodeno bei seinem ersten Aufritt in Roth die Fassung bewahrte, knipste er am Berg ein zartes Lächeln an, ganz kurz. "Ich bin einfach dankbar", sagte er später, "ich habe jetzt kapiert, warum das hier das größte Rennen ist."

Vor einem Jahr kamen 260 000 Zuschauer

Derartige Wortmeldungen nehmen die Rother bei ihrem Langdistanz-Triathlon natürlich gerne entgegen. Es gibt ja den einen oder anderen Triathlon, der ähnliches für sich beansprucht, die Rennen unter dem Dach der konkurrierenden Ironman-Bewegung etwa. In Roth sind sie vor 15 Jahren aus dieser Familie ausgetreten und haben ihr eigenes Prädikat gegründet, die Challenge. Am vergangenen Sonntag feierten sie also auch ein kleines Jubiläum.

Jan Frodeno, Olympiasieger und Hawaii-Gewinner 2015, war als Ehrengast gekommen, er verließ Roth am Abend mit einer neuen Weltbestzeit, 7:35:39 Stunden. "Das war das schönste Geburtstagsgeschenk", sagte Rennchef Felix Walchshöfer. So richtig konnte er freilich nicht in seiner Freude baden. Ein 50-Jähriger war am Sonntag aus dem Wasser gezogen worden, er starb später in der Klinik; die Nürnberger Polizei sprach am Montag von einem natürlichen Tod. "Man schwankt da sehr", sagt Walchshöfer, zwischen Freude und Trauer, die sich über seine Geburtstagsfeier legte.

Es gibt diese kleinen Orte, die durch den Sport groß werden. Kitzbühel und Wengen mit ihren alpinen Abfahrten, Wimbledon mit dem Tennis. Oder eben die Kreisstadt Roth in Mittelfranken, mit 25 000 Einwohnern, die alle irgendwie mit diesem Triathlon verbunden sind, die stundenlang an der Strecke stehen oder ein paar norwegische Triathleten in ihren Häusern unterbringen, weil es im Landkreis kaum Hotels gibt. Der Sport wird ja oft auch erst groß, wenn er ins Kleine geht. Und auch wenn sie an den mythenumwehten Ironman in Hawaii wohl nicht ganz herankommen, so haben sie den deutschen Triathlon nachhaltig geprägt, im kleinen Roth.

"Es war alles andere als einfach"

Detlef Kühnel war es, der in den 80er Jahren die Idee des Ausdauerdreikampfes aus Hawaii nach Roth verpflanzte, er selbst hatte beim Ur-Rennen auf Kona mitgemacht. 1984 richtete er mit dem örtlichen TSV 1859 den ersten deutschen Triathlon mit internationaler Besetzung aus, vier Jahre später die erste Langdistanz: 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren, 42,195 Kilometer Laufen. Bis 2001 kauften sie dafür die Lizenz der amerikanischen World Triathlon Corporation (WTC), um als Qualifikationsrennen für Hawaii zu firmieren. Dann hatten Kühnel und Herbert Walchshöfer keine Lust mehr.

Wegen finanzieller Forderungen, erinnert sich Felix Walchshöfer, Sohn und Nachfolger von Herbert, der 2007 starb. Und weil sie nicht mehr wollten, "dass man in Florida über den Landkreis bestimmt, obwohl man noch nie hier vor Ort war". Sie erfanden einfach ihr eigenes Rennen, aus dem bald eine Wettkampfserie wuchs, die Challenge. Was zunächst vor allem die eigene Organisation betraf. Sie wussten ja nicht, wer bleiben würde, von den Sponsoren und Athleten. Kurz vor Weihnachten 2001 trudelten die ersten 25 Zusagen ein, damals noch per Post.

"Es war alles andere als einfach", erinnert sich Walchshöfer, aber sie behielten die Ruhe. Warteten, bis ihr Unternehmen in die Gewinnzone kletterte. Gewannen Helfer (mittlerweile sind es rund 7000) und Unterstützer im Landkreis. Bauten Rennen wie die Staffeln an, mit der sie die wachsende Fitness-Kundschaft im Land bedienten. Vor einem Jahr standen 260 000 Zuschauer an der Strecke, die Startplätze waren binnen 40 Sekunden ausgebucht. Am vergangenen Sonntag schliefen viele Teilnehmer vor dem Festzelt, um sich für einen der Startplätze einzuschreiben, die am Montag am Ort verteilt wurden.

Sie denken schon auch kaufmännisch mit ihrer Challenge, weltweit soll ihre Serie noch wachsen, sagt Walchshöfer. Aber sie positionieren sich dabei als familiärer Gegenentwurf zur Ironman-Konkurrenz - was freilich nicht schwerfällt: Im Dezember wurde die Serie für 650 Millionen Dollar vom chinesischen Konzern Dalian Wanda aufgekauft, der das Unternehmen bald kühl nach seinen Vorstellungen umbaute. "Tradition kann man sich eben nicht kaufen", sagte Frodeno am Sonntag. Man durfte das als kleinen Seitenhieb auf den Kurs der neuen Eigentümer verstehen.

Frodeno wird bald übrigens wieder auf Hawaii (und damit unter Ironman-Flagge) starten, nach Roth will er aber wiederkommen. Dann allerdings ohne Weltrekord-Projekt. "Ich will das Rennen auch mal richtig genießen können", sagte er.

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