Triathlet Sebastian Kienle:Talent in der Ü30-Klasse

Lesezeit: 3 min

"Mir hat alles wehgetan": Sebastian Kienle (Foto: dpa)

Sebastian Kienle gilt mit 29 Jahren als die größte deutsche Begabung auf der Triathlon-Langstrecke. Sein dritter Platz beim Ironman-Klassiker auf Hawaii soll nur ein Zwischenstopp sein auf dem Weg zum großen Triumph - obwohl, oder gerade weil er demnächst ins reifere Athletenalter eintritt.

Von Thomas Hahn

Die Zukunft sieht gut aus, findet Sebastian Kienle, der Triathlon-Profi. Besser fast als die Gegenwart, die auch schon sehr gut aussieht. Sebastian Kienle hat einen Blumenkranz um den Hals und ein Lächeln im Gesicht. Er sitzt mit wehen Beinen auf einem Mäuerchen am Meer, etwas abseits vom Zieltor des Hawaii-Ironman, durch das Kienle gerade nach 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen als Drittplatzierter hinter dem Tagessieger Frederik Van Lierde aus Belgien und dem Australier Luke McKenzie getreten ist.

8:19:24 Stunden war Kienle unterwegs, 6:55 Minuten länger als Van Lierde, 4:05 als McKenzie, und Kienle kann nicht sagen, dass er da draußen in der reizlosen Landschaft von Big Island einen angenehmen Tag hatte: "Ich habe bestimmt zehn Mal gedacht, bleib einfach stehen." Aber er ist nicht stehen geblieben, weshalb er "superzufrieden" ist. Und mit Blick in die Zukunft erkennt er die Schemen einer besonderen Errungenschaft. "Ich denke", sagt er nach den Anstrengungen im Hessischen Rundfunk, "ich werde hier noch den perfekten Tag haben."

Sebastian Kienle aus Mühlacker gilt als das größte Talent auf der Triathlon-Langstrecke, das es in Deutschland je gab. Das will was heißen, denn in Deutschland hat es schon viele sehr gute Langstrecken-Triathleten gegeben. Vor wenigen Wochen erst hat Kienle zum zweiten Mal nach 2012 das Halb-Ironman-Rennen in Las Vegas gewonnen, das die Veranstalter als 70.3-WM vermarkten. Er war 2012 Zweiter beim Ironman in Frankfurt. Im vergangenen Jahr wurde er bei seinem Debüt auf Hawaii, dem schwierigsten und ältesten Rennen der Triathlon-Welt, trotz Panne auf der Radstrecke Vierter.

Und gerade seine neueste Errungenschaft von Hawaii bei landestypischer Schwüle, dieser hart erkämpfte dritte Platz, war noch einmal eine Bestätigung für den Umstand, den viele Experten immer wieder hervorheben: dass Kienle nach Thomas Hellriegel (1997), Faris Al-Sultan (2005) und Normann Stadler (2004, 2006) der vierte Deutsche werden dürfte, der auf Hawaii gewinnt.

Kienle macht Triathlon, seit er zwölf ist, relativ früh hat er sich auf die Langstrecke spezialisiert. Es ist ein bisschen so, als sei er in dieses zehrende Gewerbe hineingeboren worden, und sein Alter, 29, deutet daraufhin, dass das Beste erst vor ihm liegt. Denn die Altersklasse Ü30 ist traditionell stark vertreten auf dem Siegerpodest von Hawaii.

In diesem Jahr stand der Sieger wieder für den Wert der Erfahrung im Kampf mit den zehrenden Bedingungen beim Schwimmen im Pazifik und bei den Land-Disziplinen im hawaiianischen Oktoberwind - auch wenn der Rostocker Mitfavorit Andreas Raelert, 37, wegen einer mysteriösen Bein-Verletzung nach dem Radfahren aufgeben musste: Frederik Van Lierde ist nämlich auch schon 34.

Auf der olympischen Distanz (1,5 km/40 km/10 km) stieß Frederik Van Lierde einst an seine Grenzen, Fachleute rieten ihm zum Wechsel auf die lange Strecke, den er 2008 vollzog. Seitdem hat er sich Schritt für Schritt nach oben gearbeitet. In diesem Jahr hat er zum dritten Mal in Serie den Nizza-Ironman gewonnen. 2012 war er in Hawaii Dritter, was er vor der diesjährigen Auflage "meine wichtigste Leistung" nannte. Er ist weder verwandt noch verschwägert mit dem früheren belgischen Hawaii-Sieger Luc Van Lierde, das muss Frederik Van Lierde seit seinen Anfängen als Ausdauer-Dreikämpfer immer wieder klarstellen.

Luc Van Lierde ist in den Neunzigerjahren eine Überfigur der Langstreckenszene gewesen. Damals, als das Blutdopingmittel Epo noch so neu war, dass es keinen Test darauf gab, siegte er regelmäßig und erzielte Fabelzeiten. Luc Van Lierde ist mittlerweile 44. Seine Karriere ist längst zu Ende, aber als Coach ist er noch drin in der Szene - und deshalb gibt es doch eine enge Verbindung zwischen den beiden belgischen Triathlon-van-Lierdes: Luc ist seit Anfang 2011 der Trainer von Frederik.

Ohne Schwächephase, warum auch immer

Lucs Einfluss scheint sich bezahlt zu machen, warum auch immer, am Samstag war Frederik Van Lierde der einsame Souverän auf der Strecke. Vierter war er nach dem Schwimmen, Vierter auch nach dem Radfahren, und beim Laufen vollendete er dann sein Meisterstück ohne erkennbare Schwächephase. Sebastian Kienle erreichte er kurz nach der Halbmarathon-Marke. Der Deutsche wehrte sich kurz, dann zog Van Lierde davon. Den Australier Luke McKenzie, der als Führender nach dem Radfahren mehr als drei Minuten Vorsprung gehabt hatte, stellte Van Lierde etwa zehn Kilometer später.

Van Lierde hatte seinen perfekten Tag in der Lavawüste. Und Sebastian Kienle behielt von dem Rennen den Eindruck zurück, dass ihm so etwas auch mal gelingen könnte. Verletzung und Krankheit hatten ihn in diesem Jahr zurückgeworfen. Auch am Samstag ging nicht alles glatt.

Platz 48 nach dem Schwimmen war okay. Aber das Radfahren, seine beste Disziplin, war schwer. Und dass er seinen Vorsprung von 20 Sekunden auf Van Lierde auf den ersten Lauf-Kilometern ausbaute, erwies sich als zu kühn. "Ich hab' mich heute auch ein bisschen mit meinem eigenen Gift vergiftet", sagte Sebastian Kienle. Trotzdem: "Es ist wieder einen Schritt weiter nach vorne gegangen." Es fehlt nicht mehr viel bis zum ganz großen Erfolg.

© SZ vom 14.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: