Liverpool-Profi Alexander-ArnoldHe’ll walk alone – nach Madrid

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Bekommt zu spüren, was Liverpool mit Legenden macht, die fremdgehen: Trent Alexander-Arnold.
Bekommt zu spüren, was Liverpool mit Legenden macht, die fremdgehen: Trent Alexander-Arnold. (Foto: Phil Noble/Reuters)

Fast eine Dekade prägte der Fußballer Trent Alexander-Arnold das Spiel des FC Liverpool. Seit feststeht, dass er Anfield verlässt, obwohl er dort ausgebildet wurde, machen ihm die Fans das Leben zur Hölle.

Von Sven Haist, London

Anfield sei wie die Hölle, sagte der Fußballer Étienne Capoue mal über die Stimmung im Stadion des FC Liverpool. Damit bezog er sich auf die gelegentlich teuflische Unterstützung der Heimfans, die so schon zahlreiche Matches für ihren Verein gewonnen haben. Als der Tabellenzweite FC Arsenal am Sonntagabend beim feststehenden Meister Liverpool zu Gast war, schien es jedoch so, als hätte das Stammpublikum eher einen Punktverlust für die Elf von Trainer Arne Slot eingeleitet – indem es Anfield für den eigenen Spieler Trent Alexander-Arnold gewissermaßen zur Hölle machte.

Bei seiner Einwechslung in der 67. Minute wurde Alexander-Arnold, 26, mit Buhrufen empfangen. Die Pfiffe setzten sich bei jedem Ballkontakt des Rechtsverteidigers fort, was ihn spürbar verunsicherte. Prompt stellte er sich drei Minuten später als mitschuldig an Arsenals Ausgleichstor von Mikel Merino zum 2:2 (2:0)-Endstand heraus. Er spielte zunächst einen ungenauen Pass, und beim folgenden Gegenangriff hob er das Abseits aus.

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Die Revolte sei zum „Akt der Selbstsabotage“ geworden, titelte der Telegraph. Vor dem Spiel hatte das Eigengewächs bekannt gegeben, seinen am Saisonende auslaufenden Vertrag nicht mehr zu verlängern – nach 20 Jahren im LFC. Dem Klub und seinem Trainer hatte er dies bereits im März mitgeteilt. Die Entscheidung hielt er öffentlich bislang geheim, um die Saisonziele nicht zu beeinflussen. Als Grund gab er an, eine neue Herausforderung zu suchen, die Komfortzone verlassen zu wollen und sich sowohl beruflich als auch persönlich weiterzuentwickeln. Wegen seiner tiefen Verbundenheit zu Liverpool, zur Stadt wie zum Klub, darf man ihm abnehmen, dass dies der „härteste Beschluss seines Lebens“ war, wie er sagte.

Inzwischen hat er mit Liverpool alle möglichen Titel gewonnen. Vizekapitän ist er auch

Am Unverständnis über seinen Weggang änderte das nichts. Die LFC-Sympathisanten sahen in ihm einen sogenannten „One-Club-Footballer“ – einen, der seine ganze Laufbahn lang immer nur für einen Verein spielt. Die Reds haben einige davon, etwa die Idole Bob Paisley und Jamie Carragher. Das Selbstverständnis der Anhängerschaft gegenüber aus Liverpool stammenden Profis verdeutlicht ein altes Zitat von Carragher. „Was ist größer als Liverpool?“, hatte der Abwehrhaudegen einst einen Reporter zusammengefaltet, als der es wagte, ihn zu fragen, ob er nicht mal zu einem anderen Klub wechseln wolle.

Diese Hoffnung befeuerte ebenfalls Alexander-Arnold, indem er zu Beginn seiner Karriere euphorisiert verlautbarte, sein Ziel sei es, Titel zu gewinnen, Kapitän zu werden und zu einer Legende des Klubs aufzusteigen. Dies sei „selbstverständlich“ nicht vorstellbar, wenn er den Verein irgendwann verlasse, fügte er damals fachkundig an. Inzwischen hat er mit Liverpool alle möglichen Titel gewonnen. Vizekapitän ist er auch. Von seinem Wunsch, für immer in Anfield zu bleiben, war seit geraumer Zeit allerdings nicht mehr viel zu hören.

Das dürfte daran gelegen haben, dass Real Madrid erwartungsgemäß um seine Dienste geworben hat, als Weltklasse-Nachfolger für den derzeit verletzten Dani Carvajal, 33. Beide Seiten sind sich dem Vernehmen nach längst einig. Es geht nur um den Zeitpunkt der Verkündung und eine kleine Ablösesumme für Liverpool, damit der Engländer vorzeitig bei der Klub-WM im Juni für Real auflaufen kann. Damit würde es der Nationalspieler seinen Landsleuten Steve McManaman und Michael Owen gleichtun, die einst auch zu Liverpools internationalem Erzrivalen umsiedelten. Wenn man von den eigenen Leuten verunglimpft werde, sei das wie ein „dicker Kloß im Hals“, berichtete Owen. Er könne sich vorstellen, dass sich Trent „gedemütigt“ fühle, weil es ihm, Owen, seinerzeit ähnlich ergangen sei. Statt „You’ll never walk alone“, wie im LFC immerzu gesungen wird, gilt für Alexander-Arnold auf dem Weg nach Madrid eher: „He’ll walk alone“.

An der verbitterten Stimmungslage ist der Liverpool FC nicht unbeteiligt. Trotz der Verdienste von Alexander-Arnold, der gegen Arsenal sein 353. Pflichtspiel für die Reds absolvierte, speiste ihn der Verein in einem Statement (neben Fakten und seinen eigenen Zitaten) mit nur einem einzigen Satz ab. Der Spieler werde mit „unserer Dankbarkeit und Wertschätzung für seinen Beitrag während einer anhaltenden Erfolgsperiode“ den Verein verlassen, hieß es. Und der Trainer Slot fand zwar einige wohlwollende Worte für Alexander-Arnold, kündigte aber an, fortan auf den internen Nachfolger Conor Bradley zu setzen, um diesem Spielpraxis zu verschaffen. Zur Reaktion der Fans befand Slot kühl, das Gute an Europa sei, dass jeder eine Meinung haben könne.

Dabei war Trent Alexander-Arnold ein Spieler wie kein anderer aus der eigenen Nachwuchsabteilung. Er bildete seit 2016 fast eine Dekade lang zusammen mit Mohamed Salah das Gespann auf der rechten Seite. 23 Tore und 92 Vorlagen gelangen ihm als Rechtsverteidiger, seine Flanken gehören zu den gefühlvollsten im Weltfußball. Immerhin erhielt er einen Klaps von Salah, als er den Platz betrat. Es wirkte wie ein kleiner Dank.

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