Trendsport Surfen:Schöner Surfen

Neue Tricks, neue Märkte, sexy sowieso: Die Surf-Tour der Frauen ist eine sehr heile Welt, die mitunter wie ein einziger langer Werbespot für Sonnencreme aussieht. Die neue Generation der Wellenreiterinnen verändert ihren Sport nun gewaltig.

Marc Baumann

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(Foto: AP)

Sein erster Schlag trifft sie am Kopf, Stephanie Gilmore spürt das Blut. Dann holt der fremde Mann wieder mit der Eisenstange aus, sie hält ihre Hand schützend vors Gesicht, die Wucht seines zweiten Hiebs bricht ihr das Hand- gelenk. Endlich hören Nachbarn ihre Schreie und eilen zur Hilfe, der Angreifer lässt ab und flieht. Der so brutale wie rätselhafte Überfall auf die viermalige Surfweltmeisterin (im Bild) passierte am 27. Dezember vor Gilmores Haustür in Tweed Heads in Australien. Und erst nach diesem Wochenende, sieben Monate später, hat Stephanie Gilmore das Gefühl, sich davon erholt zu haben: als sie beim Weltcup in Biarritz die oberste Treppe des Siegerpodestes besteigt. Ein Ort, an dem sie lange nicht mehr war.

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(Foto: AFP)

Alle Weltcup-Wettkämpfe in diesem Jahr hatten entweder Carissa Moore, 18, aus Hawaii oder Sally Fitzgibbons, 21, aus Australien gewonnen. Die Szene feiert die beiden als die neuen Gesichter des Surfens. "Es ist frustrierend, anderen beim Siegen zuzusehen", sagte Gilmore (im Bild), Weltmeisterin 2007, 2008, 2009 und 2010 kurz vor den Endläufen. Und dann nahm sie erst der Nummer zwei der Rangliste, Fitzgibbons, alle WM-Titelchancen - um kurz darauf auch noch Moore im Finale zu besiegen, mit einem fast unmöglichen Manöver. Gilmore gelang es, in der kleinen, schwer vorhersehbaren Brandung für einen Moment unter einer brechenden Welle zu verschwinden, wie in einem Tunnel. Diese höchste Kunst des Surfens wird im Englischen "Tuberide" genannt. "In Biarritz eine Tube zu erwischen ist unmöglich, das kann nur Stephanie", schrie der Moderator der Siegerehrung.

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(Foto: AP)

Weltmeisterin wurde, wegen des Vorsprungs im Gesamtklassement, trotzdem eine Andere: Carissa Moore. Die Frage, ob sie das auch geworden wäre, wenn ihre Konkurrentin Gilmore nicht von einem offenbar geisteskranken Herumtreiber verletzt worden wäre, drängt sich auf. Andererseits hat die breitschultrige, noch kindlich wirkende 18-Jährige den Titel absolut verdient. Sie surft wie ein Mann - und der Vergleich gilt hier, anders als beim Frauenfußball, als Kompliment. Moore fährt die Wellen in radikaleren Linien als alle anderen, sie kann vor allem auch die neuesten technischen Tricks der Jungs: Sprünge aus der Welle und wieder hinein, oder 360-Grad-Drehungen während der Fahrt.

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(Foto: AFP)

Carissa Moore war schon 2010 eine ernstzunehmende Konkurrentin für Gilmore (im Bild), aber seit dieser Saison bewerten die Punktrichter Sprünge noch höher als zuvor. Wer mithalten will, muss den modernen, technischen, kraftvollen Surfstil fahren. "Diese Mädchen surfen viel besser als wir damals, sie lesen die Wellen besser - und es sieht schöner aus", sagt Lisa Anderson, die Weltmeisterin von 1994 bis 1997. "Die heutigen Profisurferinnen haben das Surfen in sehr jungen Jahren gelernt", das belegen die vielen auf der Tour mitreisenden Väter und deren sonnen- und wassergegerbte Haut. "Und es gibt heute viel dehnbarere Neoprenanzüge, leichtere und wendigere Surfbretter, die Mädchen trainieren gezielter, und sie werden von ihren Sponsoren besser gefördert", sagt Anderson. Nicht allein von Surf-Firmen wie Roxy, Sponsor des "Roxy Pro Biarritz". Moore etwa gehört den Surfteams von Red Bull und Nike an. Gilmore soll seit dem WM-Titel 2010 einen Vertrag für fünf Jahre über fünf Millionen Dollar von ihrem Sponsor Quiksilver haben.

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(Foto: imago sportfotodienst)

Die blonde, attraktive Surferin, genannt "Happy Gilmore" und "The Smile", gibt eine gute Werbefigur ab, die gutgelaunt sagt, wie "gesund, naturnah, spaßig und sexy" das Surfen ist. Und damit der blutige Anfang dieses Artikels keinen falschen Eindruck vermittelt: Die Surf-Tour der Frauen ist eine sehr heile Welt, die mitunter wie ein einziger langer Werbespot für Sonnencreme aussieht. Beim einwöchigen Treffen der 17 besten Surferinnen an der französischen Atlantikküste fiel es als Beobachter mitunter schwer, das Ganze nicht als Urlaub zu sehen, sondern als Sport: Hochsommerwetter, der von mächtigen Felsen grandios umrahmte Strand, das Feuerwerk am Abend des 14. Juli, Frankreichs Nationalfeiertag, kostenlose Konzerte und die große Feier des Hauptsponsors in den Markthallen von Biarritz.

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(Foto: AFP)

Dort hielt Maritxu Darrigrand eine Rede, sie gehörte in den sechziger Jahren zu den ersten Surferinnen Europas. Die Grande Dame des französischen Frauensurfens kann zufrieden sein, an Europas Küsten gibt es unzählige Surfschulen von Cornwall bis runter nach Lissabon. Und oft sind die Hälfte der Anfänger Frauen. Die Zukunft ist gesichert und jetzt geht es nach China. Die Longboard-WM, die klassische Variante des Surfens auf langen, schweren Brettern, wird 2011 erstmals nicht nur in Frankreich ausgetragen, Teil zwei findet im Herbst in China statt. Eine Schweizer Uhrenfirma finanziert den Ausflug nach Asien, wo das Surfen bisher nur auf Bali und in Japan wahrgenommen wurde. Neue Tricks, neue Märkte, eine neue Weltmeisterin - im Frauensurfen fühlt man sich am Anfang einer neuen Ära. Stephanie Gilmore (im Bild) wird oft gefragt, ob sie sich angesichts der 18-jährigen Carissa Moore alt fühle. Gilmore amüsiert das: "Hey, ich bin erst 23!"

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