Trauerfeier für verunglückten Eigner:Abschied vom Oberhaupt

Leicester City v Burnley FC - Premier League

The Boss: Vor einem Porträt Vichai Srivaddhanaprabhas und einem Meer aus Blumen gedenken Fans von Leicester dem verstorbenen Besitzer ihres Klubs.

(Foto: Getty Images)

Vor einer Woche wurde der verunglückte Klubchef von Leicester City in Bangkok beigesetzt. Nun nahm auch die nordenglische Stadt von Vichai Srivaddhanaprabha Abschied.

Von Sven Haist, Leicester

Niemand wird bei Leicester City diesen 10. November 2018 vergessen. Am Mittelkreis versammelten sich die Angestellten nach der Ligapartie gegen Burnley, um bei einer Gedenkrunde dem thailändischen Vereinseigentümer Vichai Srivaddhanaprabha die letzte Ehre zu erweisen.

Bei einem Helikopterabsturz nach Leicesters vergangenem Heimspiel vor zwei Wochen war Srivaddhanaprabha auf dem anliegenden Parkplatz mit vier weiteren Personen ums Leben gekommen. Im Beisein seines Bruders Apichet führte Aiyawatt Srivaddhanaprabha den Trauerzug für seinen Vater an, mit dem er gemeinsam als dessen Stellvertreter den Klub geleitet hatte. Auf den Tribünen verneigten sich 32 243 Menschen vor der Lebensleistung ihres Khun Vichai - ein Titel für verdiente Personen im Königreich Thailand - mit Rufen nach ihm und weißen Schals, auf denen in schwarzer Schrift der Leitspruch der Trauerfeier gedruckt stand: "Mr. Chairman - forever in our hearts".

Schon bei der Zeremonie eine Viertelstunde vor Spielbeginn fiel es den meisten schwer, die Tränen zurückzuhalten. Mit einer fünfminütigen Videohommage richtete Leicester City einen letzten Gruß an Vichai Srivaddhanaprabha, der einst über ein Duty-Free-Unternehmen zu einem der reichsten Männer seiner Heimat aufstieg. Der Streifzug bildete sein Engagement im Klub ab, den er für etwa 45 Millionen Euro im Jahr 2010 übernahm. Angeblich weil sich sein Sohn Aiyawatt, kurz Top genannt, in den Verein verliebte, als er bei einer Gastreise nach England das Ligapokalfinale 1997 zwischen Leicester City und dem FC Middlesbrough verfolgte.

Um das Stadion liegen Blumen, Trikots, Bilder, Briefe

Die Sequenzen des Films zeigten Srivaddhanaprabha als das, was er für den Klub stets gewesen war: das Familienoberhaupt. Auf den Videoleinwänden prangte sein Konterfei wie auf der Titelseite des Stadionhefts, das ihm mit Anekdoten und Gastbeiträgen gewidmet war. Die Werbebanden am Spielfeldrand zeigten diesmal nahezu keine Werbung - sondern Beileidsbekundungen. Um das Stadion herum liegen nach wie vor Blumen, Trikots, Bilder und Briefe der Anteilnahme aus, der Verein hat den Trauernden ein Kondolenzbuch zur Verfügung gestellt. Nach der Schweigeminute auf dem Platz kurz vor Anpfiff hielten die Fans für den 60 Jahre alt gewordenen Srivaddhanaprabha nach 60 Minuten ein weiteres Mal inne, mit Beifall und Sprechgesängen.

Auf der Ehrentribüne blieb der Platz zur linken Seite seines Sohnes Aiyawatt, an dem Khun Vichai immer die Spiele seines Klubs verfolgte, unbesetzt. "Das waren pure Emotionen. Es war wichtig, unserem Vorsitzenden unser Bestes zu geben", sagte Claude Puel, der im Oktober 2017 das Traineramt bei Leicester übernahm. Auf Instagram schrieb Torjäger Jamie Vardy, der ein besonders inniges Verhältnis zu Srivaddhanaprabha hatte: "Vielen Dank an unsere grandiosen Fans, die uns so massiv über die vergangenen zwei Spiele hinweggeholfen haben."

Den Fans hat er wieder das Träumen beigebracht

Zehntausende Menschen schlossen sich gegen Mittag am Jubilee Square in der Innenstadt zusammen zum sogenannten "5000/1"-Gedenklauf ins Stadion. Dieser Tributmarsch sollte daran erinnern, dass Srivaddhanaprabha - der seinen Namen ("Licht des fortschreitenden Ruhms") für seine Verdienste in Thailand erhielt - den Fans in den tristen East Midlands das Träumen beigebracht hat. Bei der ersten Meisterschaft des 1884 gegründeten Klubs in der Spielzeit 2015/16 überraschte Leicester City, den Quoten der Wettbüros zufolge als Fünftausend-zu-eins-Außenseiter, die steinreichen Rivalen der Premier League.

Mit einer Verteidigung, die nichts dem Zufall überließ, und einem Angriff, der alles dem Zufall überließ, gelang dem Abstiegskandidaten ein Saison, die in England immer noch seinesgleichen sucht. An der Hand führte der italienische Meistertrainer Claudio Ranieri seinen Landsmann Andrea Bocelli vor dem letzten Heimspiel der damaligen Saison zum Mittelkreis. Auf der Bühne eröffnete Bocelli mit "Time to Win again" die Titelfeier vor den Augen der Welt, bei der die Spieler mit Vichai Srivaddhanaprabha um den Pokal herumtanzten. Vor einer Woche wurde er in Bangkok beigesetzt. "Sein Traum, seine Arbeit hat hier das Leben vieler verändert", sagte Puel, "alle Menschen wollen für ihn und seine Familie das Werk fortführen."

Den Spielern war es im Duell mit Burnley anzumerken, wie gerne sie ihrem ehemaligen Boss ein Tor und einen Sieg mitgegeben hätten. Die Statistik wies 22 Torschüsse und zwölf Eckbälle aus. Aber vielleicht war das ganz gut so, dass dieses Vorhaben beim Nullzunull nicht geklappt hat. Denn die Menschen kamen diesmal nicht wegen Toren und Punkten ins Stadion, sondern um Vichai Srivaddhanaprabha noch einmal zu würdigen.

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