Johan Cruyff:Guardiolas Sohn fragt: Papa, warum redest du immer von Cruyff?

A man cries in front of a picture of Johan Cruyff during a memorial at Camp Nou stadium in Barcelona

Ein Mann trauert im Camp Nou vor einem Bild von Johan Cruyff.

(Foto: Albert Gea/Reuters)

In Barcelona trauern Tausende um den großen Holländer- selbst der medienscheue Bayern-Trainer spricht im Radio über seine Beziehung zu Johan Cruyff.

Von Javier Cáceres

Es heißt, Johan Cruyff habe das alles nicht gewollt. Er wollte keine Trauerzüge, keine Klageweiber, keine Statuen, kein Aufheben nach seinem Tod. Aber wie sollten sie ihn nicht verabschieden wollen, ihn, den großen Erneuerer des Weltfußballs? "Wenn es im Fußball Patentrechte gäbe, wären seine Familienangehörigen Multimillionäre", sagte der frühere argentinische Fußballweltmeister Jorge Valdano.

Und so begab es sich, dass am Samstag Tausende Anhänger des FC Barcelona zum Stadion Camp Nou pilgerten, darunter viele ehemalige Weggefährten und Spieler, Politiker und Sportler aller Disziplinen, um an einer eigens eingerichteten Gedenkstätte "Adéu" zu sagen, Servus, und sich in das Kondolenzbuch einzutragen. Und um den Mann zu beweinen, der Zeit seines Lebens eine Ära nach der anderen begründet hatte, am Donnerstag an Lungenkrebs gestorben und am Freitag eingeäschert worden war.

Es erzählt viel über das komplexe, nie spannungsfreie Verhältnis des Niederländers zum FC Barcelona, dass dessen Familie am Freitag klarstellte, sie habe keine Hommage abgesegnet. Welche Form des Gedenkens sie für angemessen halte, wolle sie noch entscheiden. Cruyff wurde zwar zum Säulenheiligen des FC Barcelona, aber er war auch ein streitbarer Geist, der sich stets mit den Mächtigen anlegte, bei Ajax, im niederländischen Verband, beim FC Barcelona. "Er bewies den Mächtigen gegenüber Stärke", sagte Bayern-Trainer Josep Guardiola, der nach Barcelona reiste, um seinem ehemaligen Coach und Lehrmeister eine letzte Ehre zu erweisen.

Wie Cruyffs Tod Feine verbindet

Cruyff blieb bis zuletzt ein Freigeist. Unter dem Präsidenten Joan Laporta wurde Cruyff zum Ehrenvorsitzenden ernannt, doch als Laportas Nachfolger Sandro Rosell in Frage stellte, ob die Statuten überhaupt die Ehrenpräsidentschaft kennen würden, gab er die Insignie des symbolischen Amts, eine Medaille, bei der Empfangsdame im Camp Nou wieder ab. Die Geste saß. Rosell erholte sich nie wieder - und bekam dies von Laporta am Samstag in Erinnerung gerufen. "Jene, die ihn nicht zu schätzen wussten, erkennen jetzt die Dimension, die er hatte", sagte Laporta: "Er hat das Verständnis von Fußball und dem Leben revolutioniert." Der heutige Präsident, Josep Bartomeu, sagte: "Es ist unmöglich, Barca ohne Cruyff zu verstehen."

Der FC Barcelona liebt es, zu betonen, dass er més que un club ist: mehr als ein Klub. Doch manchmal ist er eben auch nur ein Klub, getragen von Menschen mit mitunter verletzten Eitelkeiten, Ambitionen, Intrigen. So gesehen war es Aufsehen erregend, dass die acht noch lebenden Präsidenten, untereinander zum Teil spinnefeind, einen gemeinsamen Brief verfassten, in dem sie eigentlich nur eins sagten: "Gràcies, Johan", Danke Johan. Das war auch der Satz, der ihn damals am meisten beeindruckte, als er den FC Barcelona in seiner ersten Saison als Spieler, 1973/74, zum Meistertitel führte. Es war der erste nach 14 Jahren der Dürre. "Die Leute auf der Straße sagten nicht: Glückwunsch. Sie sagten: Danke!"

"War er wie Merlin?" - "Genau. Wir hatten Merlin"

Nicht anders war es am Samstag im Camp Nou, an einem Tag, an dem sich die Zeitungen mit Nachrufen füllten und Zitaten wie dem von Guardiola: "Wir sind zu Waisen geworden." Und natürlich mit zahllosen Anekdoten wie jener von Hristo Stoitschkow, dem bulgarischen Stürmer, mit dem Cruyff immer wieder wettete.

Einmal ging es um 100 000 Peseten, kein kleiner Betrag. Er werde in einem Spiel keine zwei Tore schießen, hatte ihm Cruyff gesagt, um ihn zu reizen. Stoitschkow hielt dagegen - und traf sehr früh. "Er kam zur Bank und machte mit den Fingern eine Geste, dass ich das Geld vorbereiten solle. Da hab ich die Tafel mit der Nummer 8 raussuchen lassen...", hat Cruyff einmal erzählt. Es war die Rückennummer Stoichkovs, der ihn danach mit bulgarischen und spanischen Flüchen eindeckte und mit den Fußballschuhen nach ihm warf, während Cruyff Tränen lachte: Er hatte die Wette gewonnen.

Ob alle Anekdoten wahr sind? Egal

Oder jene Geschichte vom brasilianischen Stürmer Romário, von dem Cruyff erzählte, Romário habe ihn um zwei freie Tage gebeten, um zum Karneval nach Rio de Janeiro zu jetten. Wenn er zwei Tore schieße, gehe das in Ordnung, habe Cruyff geantwortet: "Nach 20 Minuten hatte er tatsächlich zwei Tore geschossen, kam zur Seitenlinie gelaufen und sagte: Míster, mein Flieger geht in zwei Stunden. Da blieb mir keine andere Wahl, als ihn auszuwechseln."

Es bestehen berechtigte Zweifel, dass sich diese Geschichte so zugetragen hat, in den Statistiken finden sich keine Spiele, in denen Romário zur Karnevalszeit zwei Tore geschossen hätte und dann ausgewechselt worden wäre. Aber wen schert das schon? Cruyff wurde wegen seines Erfindergeists zur Legende.

Vor ein paar Tagen, erzählte Guardiola in einem Radiointerview, habe ihn sein Sohn gefragt, warum er immer von Cruyff rede, und er habe um eine Antwort gerungen. Er sei der Lehrer gewesen, zu dem man immer gehen wollte, "weil er dir half, das Spiel zu lieben", habe Guardiola gesagt. "War er wie Merlin?", habe das Kind gefragt. "Genau. Wir hatten Merlin", antwortete Guardiola, der cruyffistischste Cruyffist unter der Sonne. "Der Fußball der letzten 25 Jahre gehört Barca, gehört ihm. Und das ist unzerstörbar", sagte er.

Selbst Florentino Pérez, Präsident von Barcelonas Erzrivalen Real Madrid, zollte dem großen Johan Tribut: "Männer wie er sollten niemals sterben."

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