Transfers im Fußball:Hernández soll ja erst der Anfang sein

Transfers im Fußball: Plötzlich 80 Millionen Euro wert: Lucas Hernández kommt im Sommer zum FC Bayern.

Plötzlich 80 Millionen Euro wert: Lucas Hernández kommt im Sommer zum FC Bayern.

(Foto: Gabriel Bouys/AFP)

80 Millionen Euro für einen Abwehrspieler? Die Fußballbranche hat die Summen, die noch kürzlich als Fantasiewerte galten, akzeptiert. Der bislang wildeste Transfersommer steht bevor.

Kommentar von Claudio Catuogno

So viel Geld für einen Abwehrspieler? Sind die Bayern übergeschnappt? Als Uli Hoeneß 1991 fünf Millionen Mark vom Festgeldkonto nahm, um dem Karlsruher SC den Vorstopper Oliver Kreuzer abzukaufen, da postierte die Sportbild Kreuzer zum Fotoshooting vor ein Gebäude, das offenbar genau so viel gekostet hatte wie er. Legendäre Schlagzeile: "Ich bin so teuer wie eine Tennishalle!"

Heute, da Hoeneß' FC Bayern 80 Millionen Euro für den Abwehrspieler Lucas Hernandez ausgibt, muss man andere Vergleiche ziehen. Die Preisentwicklung von Tennishallen hat nicht Schritt halten können mit jener des kickenden Spitzenpersonals, was aber mindestens so viel über die darbende Freizeittennisbranche aussagt wie über das globale Fußballgeschäft.

In München jedenfalls fänden sich inzwischen jede Menge Miets- und Geschäftsgebäude, die für deutlich mehr Millionen den Besitzer wechseln, als Hernandez jetzt dem FC Bayern wert ist. "Ich bin noch nicht mal ein Viertel so teuer wie dieses Wohnhaus - und deshalb werden den Familien, die dort leben, jetzt die Mieten verdoppelt!" Das wäre doch mal eine innovative Schlagzeile, um auf die wahren Probleme hinzuweisen! Die stets mit einem Seufzer auszusprechende Frage, wohin das alles noch führen wird, stellt sich gerade in vielen Bereichen, und wer zum Beispiel in München die Rekordtransfers im Immobiliensektor verfolgt, der ahnt: Es gibt bedrohlichere Investments als 80 Millionen Euro für einen Fußballer.

Die angekündigte Transferoffensive ist auch eine Selbstvergewisserung

Exemplarisch für einen Transfermarkt außer Rand und Band ist es natürlich trotzdem, wenn die neue Transfer-Bestmarke des FC Bayern auf einen Schlag fast doppelt so hoch liegt wie die bisherigen Spitzenwerte: Corentin Tolisso 2017, 41,5 Millionen, und Javi Martínez 2012, 40 Millionen. Und selbst Hernandez soll ja erst der Anfang sein: Hoeneß, als Präsident und Aufsichtsratschef weiter eine Art Supermanager hinter den Plänen, hat vorsorglich schon das "größte Investitionsprogramm, das der FC Bayern je hatte", angekündigt (passenderweise auf einer Finanzmaklermesse). So eine Ansage mag zwar nicht dazu geeignet sein, gute Preise rauszuhandeln, weil ja jetzt die ganze Welt weiß, dass die Bayern die Schatulle weit offen haben; Leverkusen hat vorsorglich schon mal mitgeteilt, dass der Jung-Nationalspieler Kai Havertz nicht unter 100 Millionen zu haben wäre. Aber zur Selbstvergewisserung, weiter zu den europäischen Großkalibern zu gehören, taugt so eine Ankündigung in jedem Fall. Auch wenn etwa bei Real Madrid - vorerst gerüchteweise - schon wieder ganz andere Summen im Raum stehen: Bezahlen die selbsternannten "Galaktischen" demnächst 280 Millionen für Frankreichs Tempodribbler Kylian Mbappé?

Als der Brasilianer Neymar vor zwei Jahren im Auftrag von Paris Saint-Germain für 222 Millionen Euro aus seinem Vertrag beim FC Barcelona herausgekauft und kurz darauf Mbappé für 108 Millionen (plus Boni) beim AS Monaco abgelöst wurde, da war viel vom "freien Markt" und seiner nun mal "rotierenden Preisspirale" die Rede. Dabei folgten diese beiden Transfers eben nicht in erster Linie wirtschaftlichen Überlegungen wie jener, ob sich so ein Kaufpreis durch den Erlös aus Trikotverkäufen plus dem Werbewert möglicher Titelgewinne rekapitalisieren lässt. Neymar und Mbappé zu PSG, das war auch ein geostrategisch begründeter Coup des Emirats Katar, dem der Pariser Klub gehört. Die Strategie: Maue Imagewerte durch die globale Strahlkraft von Zauberkickern und Pokalen aufzupolieren. Neymar und Mbappé, das waren quasi die neuesten Waffengattungen in einem Handelskrieg mit Ball.

Doch zwei Jahre später lässt sich festhalten, dass die Branche die Summen, die noch kürzlich als Fantasiewerte galten, akzeptiert hat. Vor allem in Madrid, wo der Patriarch Florentino Perez nicht abtreten will, ohne das derzeit kriselnde Team wieder zum Champions-League-Aspiranten zu formen. Wohl um fast jeden Preis. Das Domino, das von Reals Ambitionen ausgeht, dürfte der Branche bald ihren bislang wildesten Sommer bescheren.

Und wer zahlt's am Ende? Ein Teil der Summen wird bereits ans Publikum weitergereicht. Englands Premier League können sich jene Fans, die dort einst für die Stimmung sorgten, oft schon nicht mehr leisten. Und wer alle Spiele seines Teams im Fernsehen verfolgen will, braucht inzwischen diverse TV- und Streaming-Abos. Aber dass es vielen, die ihr Geld derzeit in den Fußball pumpen, gar nicht um Fußball geht, sondern um geostrategische Machtspiele, das hat man erst kürzlich wieder an dem Konsortium gesehen, mit dem der Fifa-Präsident Gianni Infantino einen geheimen Milliardendeal aushandeln wollte. Die potenziellen Investoren kamen vor allem aus Saudi-Arabien, dem größten Rivalen des WM-Ausrichters Katar in der Region.

Hat irgendwer Tennishalle gesagt?

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