Transfer-Coups der Bundesliga:Ausgegraben aus den Tiefen

Sie kamen aus der Provinz, waren abgehalfterte Ersatzspieler oder wurden von ihren Vereinen davongejagt. Doch irgendjemand entdeckte Spieler wie Johan Micoud, Ivica Olic oder Hans-Peter Briegel und gab ihnen einen Vertrag. Bevor die Bundesliga wieder auf Einkaufstour geht - hier die größten Glücksgriffe.

Die Transfer-Coups der Bundesliga

Oliver Kahn wird vermutlich heute noch fuchsteufelswild, wenn er den Namen Jay-Jay Okocha hört. Es war der 31. August 1993, Eintracht Frankfurt traf auf den Karlsruher SC. Augustine "Jay-Jay" Okocha wurde Mitte der zweiten Halbzeit eingewechselt. Nichts Ungewöhnliches also - bis drei Minuten vor dem Ende der Partie.

Okocha bekam den Ball an der Strafraumgrenze der Karlsruher von Uwe Bein und setzte zu einem Tänzchen an, das mit dem Tor des Jahres 1993 enden sollte. Der Nigerianer reihte Haken an Haken, narrte die komplette KSC-Defensive samt Torhüter Kahn mehrfach und schob am Ende zum 3:1 für die Eintracht ein.

1992 ablösefrei vom Südwest-Oberligisten Borussia Neunkirchen verpflichtet, war Okocha einer der besten Transfers der Eintracht-Geschichte. Eingeplant für die zweite Mannschaft der Hessen, gab Okocha im September 1992 sein Bundesliga-Debüt und erfreute Frankfurter Fans, Mitspieler und Trainer fortan für mehr als vier Jahre mit seinen spektakulären Dribblings. 1996 wurde er dann für mehr als sieben Millionen D-Mark nach Istanbul verkauft.

Gegen Oliver Kahn hat Okocha nach dem 31.08.1993 übrigens nie wieder getroffen. (mkoh)

Bernd Schneider

Selbst bei einem monströsen Angebot wäre Bernd Schneider wohl nicht nach Madrid oder Manchester gegangen, und schon gar nicht nach Italien.

FC Schalke 04 - Bayer 04 Leverkusen

Bernd Schneider, genannt "Schnick", im Trikot von Bayer Leverkusen.

(Foto: dpa/dpaweb)

Bernd Schneider kommt aus Jena, Reden war eher nicht sein Ding, auch nicht der exzentrische Auftritt. Als Carl-Zeiss aus der zweiten Liga abstieg, ging er notgedrungen zu Eintracht Frankfurt, ablösefrei. 1999 holte ihn Bayer Leverkusen für etwas mehr als eine Million Euro. Eine Million Euro!

Später trieb er Roberto Carlos im WM-Finale zum Irrsinn, die Südamerikaner riefen ihn "den weißen Brasilianer". Wenn der zurückhaltende Schneider ein Klima vorfand, in dem ihn das Umfeld spielen ließ, dann spielte er. Und wie!

Kein deutscher Fußballer seiner Generation konnte so mit dem Ball umgehen, niemand erschuf so lässige, virtuose Szenen voller Leichtigkeit. Eine Million Euro! Ein Witz! (hum)

Ivica Olic

Fußball - UEFA-Pokal - Hamburger SV - FC Basel

Vom HSV entdeckt: Ivica Olic.

(Foto: dpa)

Es ist der Sommer des Jahres 1998. Die Nachwuchsfußballer der Hertha trainieren auf dem Berliner Maifeld. Mit dabei: ein 19-Jähriger aus Kroatien. Manager Dieter Hoeneß hat ihn eingeladen, er nennt ihn Danko Dikic. Doch Dikic heißt gar nicht Dikic. Dikic heißt Olic. Ivica Olic. Und der gilt als eines der größten Talente Europas. Deshalb lässt Hoeneß ihn unter falschem Namen mittrainieren. Keiner soll mitbekommen, dass die Berliner an Olic dran sind.

Olic wird verpflichtet, doch was dann passiert, ist aus heutiger Sicht kaum zu erklären: Der Kroate wird bei den Profis zweimal eingewechselt, schafft selbst in der zweiten Mannschaft den Durchbruch nicht. Im Sommer 2000 verschwindet Olic wieder aus Berlin. Ein Transferflop? Später sagte Hoeneß: "Falko Götz konnte ihn selbst bei den Amateuren nicht gebrauchen." Olic geht zurück nach Kroatien.

Zehn Jahre später bejubelt der Bruder von Dieter, UIi Hoeneß, ein Tor des FC Bayern München. Ivica Olic hat es geschossen. Das 2:1 gegen Manchester United im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinales, das die Voraussetzung war für den späteren Einzug ins Halbfinale. Olic ist, das gilt als sicher, der Spieler mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis in der Bundesliga.

Ausgegraben hat ihn in Wirklichkeit keiner der Hoeneß-Brüder. Es war der Hamburger SV, der Olic von ZSKA Moskau zurück in die Bundesliga holte. (segi)

Marek Mintal

Nuremberg's Mintal scores past VfB Stuttgart's Hildebrand during their German soccer cup DFB-Pokal final match in Berlin

Das Phantom schlägt zu: Marek Mintal trifft für Nürnberg.

(Foto: REUTERS)

Sie nannten ihn das "Phantom" - weil er 90 Minuten lang unsichtbar sein konnte und am Ende doch zwei Treffer erzielt hatte. Marek Mintal hätte diesen Spitznamen auch aufgrund seiner Transfergeschichte verdient. Der fränkische Autohändler Peter Hammer, ein Fußball-Verrückter sah sich im Jahr 2003 bei geschäftlichen Aufenthalten in der slowakischen Provinz ein paar Fußballspiele an - und entdeckte Mintal. Er empfahl dem damaligen Trainer Wolfgang Wolf den schmalbrüstigen jungen Mann aus Zilina. Beim FCN waren Schnäppchen auch damals schon beliebt, also schlugen die Franken für 100.000 Euro zu.

Es sollte sich lohnen: Gleich in seiner ersten Saison schoss der damals 26-Jährige die Nürnberger mit 18 Toren zurück in die Bundesliga. Als amtierender Zweitliga-Torschützenkönig bewies er auch in der Bundesliga seine Qualitäten und gewann mit 24 Treffern erneut die Torjägerkrone.

Wegen seiner unauffälligen, aber effektiven Spielweise erhielt Mintal bald seinen Spitznamen: Oft war er kaum zu sehen, bis er schließlich aus dem Nichts zuschlug. Es folgten durchwachsene Jahre mit vielen Verletzungen, dem Pokalsieg, dem folgenden Abstieg mit einem Zweitligajahr, das Mintal als bester Torjäger abschloss.

Zurück in der ersten Liga ließ seine Torgefährlichkeit schließlich nach und das "Phantom" geisterte zunehmend auf der Bank herum - dennoch wählten ihn die "Club"-Fans zur "Mittelfeldlegende des Jahrhunderts". Nicht schlecht für einen, der von einem KFZ-Verkäufer entdeckt wurde. (jbe)

Artur Wichniarek

Arminia Bielefeld v Hannover 96 - Bundesliga

Artur "König" Wichniarek als Spieler von Arminia Bielefeld.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der Transfer war heikel. Nicht wegen Artur Wichniarek, von dem der damalige Trainer Hermann Gerland in seiner gewohnt lakonischen Art sagte, er sei "ganz gut zu Fuß". Aber Arminia Bielefeld, dessen Trainer Gerland in der Saison 1999/2000 in der Bundesliga war, konnte sich den Stürmer von Widzew Lodz nicht leisten. Manager Heribert Bruchhagen musste eine Extra-Bürgschaft für die Transfersumme in Höhe von drei Millionen Mark besorgen, um nicht gegen Lizenzauflagen zu verstoßen.

Es war gut angelegtes Geld. 18 Tore in der ersten Zweitliga-Saison, 20 Tore in der zweiten - die Fans nannten ihn bald "König Artur", und Arminia, die ewige Fahrstuhlmannschaft, war 2002 wieder Bundesligist. Das war gut für den Verein, aber rückblickend schlecht für Wichniarek. Denn Dieter Hoeneß wurde auf den Polen aufmerksam und gab ihm einen Vertrag bei Hertha BSC. Zur Sicherheit kaufte er auch Fredi Bobic, der schon damals nicht gerade als modernster Stürmer der Welt galt.

"Er hat mir einen Über-30-Jährigen vor die Nase gesetzt", zürnte Wichniarek bald in Richtung Hoeneß. "Berlin hat mich die Karriere gekostet." Tatsächlich hielt sich die Berliner Wertschätzung für Wichniarek so sehr in Grenzen, dass er sich nach zwei glücklosen Serien in der Amateurmannschaft wiederfand.

Schwer gekränkt wechselte der Pole zurück nach Bielefeld, wo er wieder mindestens zehn Tore pro Saison schoss. Aber Wichniarek war nicht nur ein flinker Stürmer, sondern auch stets auf seine Alterversorgung bedacht. Und so wechselte er zur Saison 2009/10 wieder dorthin, wo das Geld lockte: zu Hertha BSC Berlin. Seine Bilanz seitdem: null Tore und zwei missglückte Gastspiele bei Lech Posen und dem FC Ingolstadt. In Bielefeld, so viel Trost sei erlaubt, denken sie trotzdem gerne an "König Artur" zurück. (mikö)

Johan Micoud

Johan Micoud mit DFB-Pokal, 2004

Johan Micoud mit dem DFB-Pokal.

(Foto: dpa/dpaweb)

Einen Spitznamen, den bekommt man nicht geschenkt als Fußballer, man muss ihn sich erspielen, erkämpfen, erschießen. Franz Beckenbauer wird auf alle Zeiten der Kaiser sein, Helmut Rahn war der Boss, Gerd Müller der Bomber. Kein vernünftiger Mensch wäre je auf die Idee gekommen, Andreas Möller einen Spitznamen zu geben (außer Heintje vielleicht). In Bremen, da nannten sie Johan Micoud Chef - nein, sie nannten ihn Le Chef.

2002 war er aus Parma gekommen. 29 Jahre war er damals, vielleicht schon ein wenig abgehalftert, jedenfalls kein Vergleich zu Zinedine Zidane, den alle nur Zizou nannten und der in der französischen Nationalelf Micouds Position besetzte.

In Bremen leitete er Zuspiele direkt weiter, lange bevor der Begriff One-Touch-Football erfunden wurde. Er führte Werder Bremen 2004 zum Double, beim Spiel in München - das die Meisterschaft entscheiden sollte - drosch er den Ball nicht ins Tor, er hob ihn elegant über den verdutzten "Titan" Kahn hinweg.

2006 ging er aus Bremen fort, zwei Jahre später beendete er seine Karriere, obwohl er zahlreiche Angebote vorliegen hatte. Es sei der richtige Moment aufzuhören, sagte Micoud damals. Er kaufte sich lieber ein Weingut und brachte vor zwei Jahren seinen ersten eigenen Bordeaux heraus. Einfach so. (jüsc)

Hans-Peter Briegel

Fußball-WM 1986 in Mexiko: Finale Deutschland - Argentinien Briegel Schumacher

Hans-Peter Briegel während des WM-Finales 1986.

(Foto: ag.dpa)

Natürlich wurde Hans-Peter Briegel anfangs belächelt. Ein Leichtathlet, der Profi-Fußballer werden wollte? Als Jugendlicher war Briegel immerhin deutscher Jugendmeister im Weitsprung und Dreisprung, absolvierte auch zwei Zehnkämpfe, wenn auch mit mäßigem Erfolg. Dann wurde Briegel 17 Jahre alt - und wollte lieber Fußballer werden.

Er wechselte zum SV Rodenbach, wo er als Stürmer begann, bis eines Tages bei einem Spiel Erich Ribbeck vorbeischaute. Der war damals Trainer des 1. FC Kaiserslautern und muss eine Eingebung gehabt haben: "Diesen Lockenkopf", dachte Ribbeck, "mache ich zum ersten modernen Außenverteidiger der Fußballgeschichte."

Briegel kam 1975 tatsächlich zum FCK - und er beeindruckte die Pfälzer nach anfänglichen Schwierigkeiten schnell: Vielleicht weil er ohne Schienbeinschützer spielte. Ganz sicher jedoch, weil er als Abwehrspieler schnell wie kaum ein anderer die Seitenlinie entlang sprintete und zahlreiche Tore schoss: immerhin 47 in 240 Bundesliga-Spielen.

Nach neun Jahren wechselte Briegel 1984 nach Italien, wurde sogar "Fußballer des Jahres", schlug ein Angebot von Real Madrid aus, auch wenn er dies später als großen Fehler bezeichnete. Seinen Spitznamen behielt er: "Die Walz aus der Pfalz." Als Leichtathlet wäre er zu solchen Ehren sicher nie gekommen. (ebc)

BALAKOV ASAMOAH HOOGDALEM

Krassimir Balakow, beim VfB Stuttgart eine der Ecken beim "Magischen Dreieck".

(Foto: AP)

Krassimir Balakow

Es war zunächst einmal ein Zweieck, das sie in Stuttgart Mitte der Neunziger hatten. Die Schwaben waren nach dem Gewinn der Meisterschaft 1992 ins Mittelfeld der Bundesliga abgerutscht, im Sturm agierten Fredi Bobic und Giovane Elber - zwei gefährliche Angreifer, denen in der Saison 1994/95 jedoch ein fähiger Passgeber fehlte.

Bei der Suche nach einer prägenden Figur für das Mittelfeld suchten die Stuttgarter im entfernten Lissabon. Dort entwickelte sich an der Seite von Luis Figo bei Sporting ein Talent. Name: Krassimir Balakow. Frisur: Lockenmähne. Preis: knapp vier Millionen Mark.

Bereits in seinem ersten Bundesliga-Jahr wirbelte er gemeinsam mit Bobic und Elber die Abwehrreihen durcheinander, in der offensivstarken Dreierclique gab Balakow in den kommenden Jahren den Spiritus Rector, den Genialen, der mit seinem linken Fuß wahre Wunderdinge vollbringen konnte.

Sein Zauber verblasste erst, als Elber und Bobic den Klub längst verlassen hatten - aber vom "Magischen Dreieck" sprechen sie im Ländle noch heute. (jbe)

TSV 1860 München - Eintracht Braunschweig

Berkant Göktan im Dress von 1860 München.

(Foto: dpa)

Berkant Göktan

Im Frühjahr 2006 war Berkant Göktan an seinem vorläufigen Tiefpunkt angekommen: vorzeitiges Vertragsende mit dem 1. FC Kaiserslautern, kein Proficlub wollte ihn mehr. Der gebürtige Münchner kam zurück zu seiner Familie. Er versuchte, sich selbst fit zu halten, kickte mit Freunden im Englischen Garten. Später sagte er einmal: "Der Rasen im Englischen Garten ist genauso schön wie in Liverpool", doch das glaubte der von Franz Beckenbauer einst als "das größte Talent seit Jahren" Gelobte wohl selbst am allerwenigsten.

Was dann passierte, war für Göktan ein Glücksfall: Die Münchner Löwen boten dem inzwischen 25-Jährigen von September 2006 an eine Chance in ihrer zweiten Mannschaft, die vom späteren Chefcoach Marco Kurz trainiert wurde. Göktan fiel positiv auf und gehörte bald zum Kader der Profi-Mannschaft.

Bis zum Saisonende schoss er in der Zweiten Liga zehn Tore. Dass er vor seinen Stationen bei Galatasaray und Besiktas Istanbul fast seine gesamte Jugend und einen Teil seiner Profi-Karriere beim FC Bayern verbracht hatte, hatten ihm die 60er-Fans längst verziehen und wählten ihn zum "Löwen der Saison".

Der Absturz begann während der Sommervorbereitung 2008. Göktan trat barfuß in eine Glasscherbe und musste mehrmals operiert werden. Dazu kam ein Ermüdungssyndrom des Angreifers, seine Genesung zog sich wochenlang hin. Gerüchte über private Probleme und eine Suchtkrankheit machten die Runde. Der Verein ordnete einen Drogentest an, auch diesmal fiel Göktan positiv auf - jedoch wegen Kokainkonsums.

Trotzdem wollten ihn die Löwen nicht fallen lassen und boten ihm an, seinen Vertrag ruhen zu lassen. Doch er lehnte ab und wurde entlassen. Seit einer kurzen Eskapade 2010 beim thailändischen Erstligisten Muangthong United hat der mittlerweile 31 Jahre alte Göktan keinen Verein. Der TSV 1860 war wohl seine letzte Chance. (mane)

Edin Dzeko

Die meisten Manager in der Bundesliga verfolgen einen Plan bei der Verpflichtung neuer Spieler. Sie haben eine Strategie, manche sprechen sogar von einer Philosophie. Bei Felix Magath lässt sich das auf den ersten Blick nicht erkennen - und auch beim zweiten Hinschauen wirkt seine Transferpolitik häufig willkürlich.

Auf Schalke wurde Magath nicht zuletzt wegen der Verpflichtung von Spielern wie Ali Karimi und Angelos Charisteas davongejagt. In Wolfsburg bewies er als Manager und Cheftrainer in Personalunion aber durchaus ein glückliches Händchen bei der Zusammenstellung seiner Mannschaft. So lotste er während seiner ersten Amtszeit einen gewissen Edin Dzeko in die Autostadt. Für vier Millionen Euro vom FK Teplice in der Tschechichen Republik.

Mit 26 Toren schoss der Bosnier den VfL Wolfsburg in der Saison 2008/09 zur Meisterschaft. Nur Sturmkollege Grafite war erfolgreicher; auch der Brasilianier zählt zu den erfolgreichen Investitionen von Magath. In der darauffolgenden Saison wurde Dzeko mit 22 Treffern Torschützenkönig in der Bundesliga.

Entdeckt hatte Magath den in Sarajevo geborenen Stürmer in der tschechischen Provinz. Drei Jahre später soll Manchester City fast 35 Millionen Euro nach Wolfsburg überwiesen haben, um den Bosnier auf die Insel zu locken - ein neuer Transferrekord in der Bundesliga. Vor seiner Abreise löste Dzeko noch Diego Klimowicz als erfolgreichsten Wolfsburger Torschützen aller Zeiten ab. (rom)

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