Transferschluss in der Bundesliga:Tiefenentspannt wie ein Franziskanermönch

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Warum konnte dieser Tag nicht 72 Stunden haben? Bis zur letzten Minute bastelt Felix Magath an der Mannschaft seines VfL Wolfsburg - und tauscht sogar den alten Spielmacher Diego gegen den verletzten Aliaksandr Hleb ein. Einen unzufriedenen Stürmer wird Magath allerdings nicht mehr los.

Boris Herrmann

Man stellt sich den Tag, an dem das berühmte Transferfenster schließt, für alle Beteiligten recht anstrengend vor. Man denkt an wilde Verhandlungen, dauerklingelnde Telefone und Faxgeräte am Rande des Nerven- zusammenbruchs. Und dann denkt man natürlich an Felix Magath, den Trainer und Manager des VfL Wolfsburg, den ungekürten Transfer-Weltmeister.

"Ich kenn ihn halt schon", sagt Felix Magath über seinen Zugang Aliaksandr Hleb. (Foto: dapd)

Dieser sonnige letzte Tag im August, denkt man sich schließlich, müsste für einen wie Magath eigentlich 72 Stunden haben: der kriselnden Mannschaft Beine machen, den alten Spielmacher Diego loswerden, einen neuen Spielmacher verpflichten, das sind nur seine wichtigsten Aufgaben. Und sie alle müssen bis Punkt 18 Uhr in Schriftform erledigt sein. So will es die Deutsche Fußball Liga (DFL). Das klingt nach Stress.

Felix Magath aber ist am Morgen dieses 31. Augusts auf der Autobahn. Er wirkt tiefenentspannt, zumindest am Telefon. "Das meiste ist gemacht", berichtet er mit der Seelenruhe eines Franziskanermönchs. Er sei auf dem Weg zu einer Trainertagung in Genf. "Da gibt es immer spannende Themen", sagt Magath.

An Spannung hätte es ihm allerdings auch zu Hause in Wolfsburg nicht mangeln dürfen. Erst am späten Dienstagabend hat sich der VfL mit Atlético Madrid in Sachen Diego geeinigt. Das war die wichtigste Personalie des Managers Magath, nachdem er sich frühzeitig darauf festgelegt hatte, dass der in Ungnade gefallene Topverdiener nie wieder unter dem Trainer Magath spielen würde.

Am Ende war er sogar bereit, Diego ohne Gebühr für ein Jahr an Atlético auszuleihen, obwohl er sich dieses Problems viel lieber dauerhaft entledigt hätte. "Ein Leihgeschäft war nicht mein Wunsch", sagt Magath, "aber das ist jetzt für alle die bestmögliche Lösung." Magath hat nun immerhin ein erkleckliches Sümmchen weniger auf der Gehaltsliste, das sich Gerüchten zufolge auf sagenhafte neun Millionen Euro belief.

In Madrid könnte Diego nach Informationen der spanischen Sportzeitung Marca fünf Millionen netto erhalten. Die Zeitung hatte auch berichtet, dass der Deal im letzten Moment fast noch geplatzt wäre, weil Magath eine Provision gefordert habe. Diese Darstellung weist der VfL entschieden zurück. Es sei vielmehr bis zum Schluss um ein Beraterhonorar auf der Diego-Seite gegangen. Der 26-Jährige wird von seinem Vater Djair da Cunha beraten.

Diegos Planstelle beim VfL soll nun der Weißrusse Aliaksandr Hleb, 30, übernehmen. Allerdings nur ein bisschen. Denn der Weißrusse vom FC Barcelona wird zunächst nur bis zum 31. Dezember geliehen - auf Kurzleihbasis. Mit dieser Idee bereichert Magath seine Transferkünste um ein weiteres Kuriosum. Hinzu kommt, dass Hleb erst im Juni am Meniskus operiert wurde, sich derzeit in Reha befindet, und wohl frühestens in zwei Wochen ins Mannschaftstraining einsteigen kann. Hleb erhält nach Angaben des Vereins einen stark leistungsbezogenen Vertrag, was Magath offenbar vorschwebt, ist eine Art Probetraining bei laufendem Betrieb.

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Dessen ungeachtet lobt ihn der Trainer als kreative Verstärkung im offensiven Mittelfeld. "Ich kenne ihn halt im Vergleich zu anderen Alternativen auf dieser Position", sagt er. Magath und Hleb hatten vor Jahren gemeinsam beim VfB Stuttgart gearbeitet. Ein alter Bekannter in fortgeschrittenem Alter mit wenig Spielpraxis - es ist unverkennbar, dass Aliaksandr Hleb geradezu idealtypisch ins gegenwärtige Beuteschema von Magath passt. Auch die Sommerzugänge Hasan Salihamidzic, 34, Thomas Hitzlsperger, 29, Sotirios Kyrgiakos, 32, und Chris, 33, erfüllen ja zumindest zwei dieser zentralen Zugangskriterien.

Wobei Magath, 58, durchaus seine beneidenswerte Gelassenheit zu verlieren droht, wenn man sich danach erkundigt, weshalb ausgerechnet der Klub des aktuellen A-Jugendmeisters in ein gut bezahltes Altherrenteam investiert. Zum einen legt er Wert darauf, dass er keine Rentenverträge abgeschlossen habe, weil mit Ausnahme des Innenverteidigers Kyrgiakos alle Erfahrenen nur bis zum Saisonende verpflichtet wurden. Zum anderen rechnet Magath vor: "Ich habe mehr junge Spieler als alte geholt." Man könnte auch sagen: noch mehr.

Inklusive des neuen schwedischen U21-Nationalspielers Rasmus Jönsson gehören dem Profikader des VfL nun tatsächlich 13 Spieler an, die nicht älter als 23 Jahre sind, darunter auch zahlreiche Eigengewächse. Bislang hat die Welt davon wenig Notiz genommen; die Welt hatte es allerdings auch nicht so einfach. In die Startelf hat es noch keiner von diesen Jungen geschafft.

Dass sich zumindest die nachwachsende Offensivriege um Jönsson, Sebastian Polter, 20, und Kevin Scheidhauer, 19, Hoffnung auf Teilzeitbeschäftigung machen kann, hat sich kurzfristig zerschlagen. Am morgen, auf seiner Fahrt nach Genf, hatte Magath noch angedeutet, dass auch der ehemalige Nationalstürmer Patrick Helmes, 27, den Verein verlassen könne.

Daraus wurde allerdings nichts: Helmes befand sich auch nach Abschluss der Transferfrist um 18 Uhr noch im Kader des VfL. Eines der spannenden Themen der kommenden Wochen wird nun sein, ob es für oder gegen die Kompetenz von Magath spricht, wenn er nach drei ernüchternden Niederlagen und einer wilden Spielerbörse behauptet: "Die Situation des Klubs ist eigentlich ganz entspannt."

© SZ vom 01.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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