Umstrittene Fifa-Regel:Schalke freut sich - Donezk kritisiert die Fifa

Alex Kral

Willkommen auf Schalke: Der Tscheche Alex Kral, ehemals unter Vertrag bei Spartak Moskau, spielt jetzt in der Bundesliga.

(Foto: Tim Rehbein/RHR-Foto/Imago)

Im März beschloss der Verband eine Sonderregelung für Transfers aus der Ukraine und Russland. Schalke, Hertha oder Bochum kommen so günstig an Top-Spieler - der ukrainische Spitzenklub Schachtjor fühlt sich betrogen.

Von Karoline Kipper

Wer in den vergangenen Wochen das Geschehen auf dem Transfermarkt verfolgt hat, der konnte nicht übersehen, dass blau-weiße Bundesligisten plötzlich lauter Spieler aus der blau-weiß-roten Liga leihen. Von Spartak Moskau kam Alex Kral zu Schalke 04, an dem tschechischen Nationalspieler war angeblich auch Hertha BSC interessiert. Die Berliner schlugen schließlich beim Nigerianer Chidera Ejuke von ZSKA Moskau zu. Der Ukrainer Ivan Ordets von Dinamo Moskau soll derweil die Abwehr des VfL Bochum in der kommenden Saison verstärken.

"Bei Alex passt das Gesamtpaket", urteilte Rouven Schröder. Das darf man wohl sagen: Einen Top-Spieler ganz ohne Ablösesumme oder Leihgebühr zu verpflichten - das ist ein ziemlich gutes Gesamtpaket für den Schalker Sportdirektor. So wie Hertha hätte Schalke seinen Zugang zwar möglicherweise auch so bekommen, aber nicht zu diesem Preis. Alle drei Vereine konnten sich dank einer Sonderregel des Fußball-Weltverbandes Fifa ohne übertrieben große Kosten und aufwändige Verhandlungen mit Spielern aus Russland verstärken, um die sie sonst hätten werben müssen.

Diese Sonderregel wurde im März vom Fifa-Council beschlossen und im Juni um ein Jahr bis Ende Juni 2023 verlängert. Sie ermöglicht es ausländischen Spielern in Russland, ihre Verträge einseitig bis zum Stichtag 30. Juni auszusetzen. Betroffene Spieler gelten dann als vertragslos und können ohne Konsequenzen von anderen Vereinen - wie Schalke, Hertha oder Bochum - verpflichtet werden.

Ausländische Spieler in der Ukraine wiederum gelten laut der Sonderregelung automatisch als suspendiert. Mag die Sonderregel für manch einen aufnehmenden Klub und wechselnden Spieler, die dank der Klausel zusammenfinden, ein Glücksfall sein, so bringt sie anderen eine finanzielle Misere in ohnehin schwierigen Zeiten: jenen ukrainischen Klubs, die wertvolle Spieler in ihren Kadern verlieren.

"Man kann nicht mit der Fifa kommunizieren, sie antwortet nicht, sie reagiert nicht richtig auf unsere Fragen."

Der Präsident des ukrainischen Vereins Schachtjor Donezk, Sergei Palkin, prangerte kürzlich einem Bericht von The Athletic zufolge in einem Brief an den Fifa Präsidenten Gianni Infantino finanzielle Einbußen an: "Aufgrund der Fifa-Entscheidung hat der FC Shakhtar die Möglichkeit verloren, vier ausländische Spieler für insgesamt 50 Millionen Euro zu transferieren." Der Verein habe mit den Transfereinnahmen die finanziellen Einbußen kompensieren wollen, die der Einmarsch russischer Truppen verursacht hat - seit dem 24. Februar, dem Tag der Invasion, ruht der Spielbetrieb in der Ukraine.

Im Donbass, der Heimat von Schachtjor Donezk, herrscht schon seit 2014 Krieg. Daher spielte der Serienmeister auch schon länger nicht mehr in seinem Heimatstadion. Erst zog Schachtjor nach Lwiw, dann nach Charkiw und schließlich nach Kiew um. Der Präsident des kriegsgebeutelten Vereins wird in seinem Brief deutlich, der Weltverband sei nicht erreichbar: "Man kann nicht mit der Fifa kommunizieren, sie antwortet nicht, sie reagiert nicht richtig auf unsere Fragen. Es ist für mich schwer zu verstehen." Laut The Athletic hat Schachtjor angekündigt, gegen die Regelung der Fifa vor dem Sportgerichtshof Cas vorgehen zu wollen. Der Klub will dem Bericht zufolge 50 Millionen Euro Schadenersatz.

Präsident Palkin berichtet in seinem Brief von konkreten Verhandlungen, die er geführt habe. Zum Beispiel habe sich Schachtjor bereits mit dem FC Fulham auf eine Ablösesumme von 7,5 Millionen für Manor Solomon geeinigt. Alle Deals seien innerhalb von 48 Stunden geplatzt, als die Fifa-Sonderregelung im Juni verlängert wurde. Palkin ist empört: "Jeder glaubt, dass wir eine Fußballfamilie sind. Diese Entscheidung hat diesen Slogan einfach durchgestrichen. Wir sind keine Fußballfamilie, denn niemand kümmert sich um die ukrainischen Vereine."

Das ausgegebene Ziel der Sonderregel war, den vom Krieg betroffenen Spielern in der Ukraine zu helfen. Nun trifft sie einen ukrainischen Verein ins finanzielle Mark. Trotz der seit Jahren andauernden Kämpfe im Donbass spielte der FC Schachtjor regelmäßig in der Champions League, er hat dementsprechend wertvolle ausländische Spieler im Kader. In seiner Not scheint der Klub nun zu versuchen, einheimische Spieler, die von der Sonderregel ausgenommen sind, zu Geld zu machen. Unter anderem werden 20 Millionen für Schachtjors Eigengewächs Mychajlo Mudryk gehandelt - Bayer Leverkusen soll interessiert sein.

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