Die Geldströme von der Insel fluten die Bundesliga, das Wehklagen ist groß, aber was bedeutet das sportlich? Zunächst, dass der VfL Wolfsburg als hartnäckiger Verfolger des FC Bayern kaum noch in Frage kommen dürfte. Schließlich war der überfallartige Konterstil, mit dem die Werkself im Mai im Pokalfinale begeistern konnte, auf die Dynamik von Kevin De Bruyne, 24, programmiert.
Irgendwo zwischen 70 und 80 Millionen sollte die Ablöse an diesem Wochenende ausverhandelt sein, die Manchester City überweist; ein stolzes Schmerzensgeld für die bittere Erkenntnis, dass nicht einmal der VW-Konzern die Mittel fand, den Belgier am Standort zu halten. Nur ist Widerstand zwecklos: Ein Profi, dem ein Wechsel verweigert wird, torpediert nicht selten den Betriebsfrieden.
Stirnrunzeln, aber auch unverhohlene Freude
Gerade erst erschien in Leverkusen Heung-Min Son, 24, nicht mehr zur Arbeit. Auch er wollte nach England, nach Tottenham, und setzte voraus, dass sie am Rhein schon einverstanden sein werden mit den 30 Millionen, die für den Südkoreaner geboten wurden. Waren sie dort auch, trotz demonstrativer Empörung.
Mit Stirnrunzeln, andererseits aber auch unverhohlener Freude begleiten die meisten Bundesliga-Manager die englische Welle. Die Millionen für De Bruyne, Son, Firmino (für 41 aus Hoffenheim nach Liverpool) oder Baba (für 30 von Augsburg nach Chelsea) sprengen zwar alles Dagewesene.
Jenseits der ethischen Frage aber, was die Dienstleistung eines Fußballers wert sein sollte, bleibt den Managern keine andere Wahl: Sie reagieren auf Angebot und Nachfrage. Grob fahrlässig wäre es, würde der FC Augsburg nicht mit der Baba-Unterschrift auf einen Schlag seinen Jahresetat ausgleichen.
Das Jammern aus der Liga, dass sie den Anschluss nicht werde halten können, gehört aber auch zu einem anderen Poker. Virulent ist hierzulande die Debatte, wie stark die öffentliche Hand den Spielbetrieb noch alimentieren soll (Stichworte: Stadionbau, Polizeieinsätze). Konkret stehen zudem bald Fernsehverhandlungen an. Für mehr Geld wollen die Sender mehr Programm, das heißt: mehr exklusive Spiele. Diskutiert wird über Montagsfußball in der ersten Liga. Der Widerstand in der Stammkundschaft ist groß. Da werden die englischen Verhältnisse gerne als Argumentationshilfe begrüßt.
Sportlich aber hält sich die Angst vor der Insel (noch) in Grenzen. Waren doch die Premier-League-Klubs zuletzt den Nachweis schuldig geblieben, dass sie aus sündteuren Individualisten unwiderstehliche Mannschaften bauen können. Im Champions-League-Finale 2015 siegte der FC Barcelona gegen Juventus Turin; Chelsea, Arsenal und Manchester City waren schon im Achtelfinale raus.
Derzeit will das Prinzip nicht so recht greifen, dass der, der doppelt so viel Geld hat, auch doppelt so gut Fußball spielt. Das dürfte perspektivisch kaum so bleiben. Trotzdem ist das Selbstbewusstsein der Bundesliga ausgeprägt, es nährt sich allerdings zunehmend durch jenen Teil des Personals, der nicht gegen den Ball tritt. Zum einen ist im Weltmeisterland eine Manager-Generation aktiv, die es versteht, den Engländern Spieler weit über deren prognostiziertem Marktwert zu verkaufen.
Zum anderen ist eine äußerst kreative Trainer-Generation am Werk: mit dem Barcelona-Import Guardiola in München, dem vermutlich neuen Bayern-Herausforderer Tuchel in Dortmund, dem De-Bruyne-geschädigten Hecking in Wolfsburg, aber auch bis tief hinab in die unteren Ligen. Sie alle gestalten jenen Mehrklang, aus dem sich eine konkurrenzfähige Elf entwickeln kann: aus engagierter Nachwuchspflege, weitsichtigem Scouting und einer attraktiven Idee vom Spiel. Also daraus, ob man was anzufangen weiß mit all dem Geld, das einem unverlangt ins Haus gespült wird.