Dieser Kostic sei "der mit Abstand beste Spieler, der in dieser Saison in Paderborn aufgetreten ist", sagte der Trainer des SC Paderborn, man habe diesen Spieler "weder in der ersten noch in der zweiten Hälfte verteidigen können". Der Trainer des SC Paderborn schaute dabei ein bisschen fatalistisch durch die Gegend, er war gerade dabei, sich mit den Fakten abzufinden: Sein Team hatte am 34. Spieltag 1:2 gegen den VfB Stuttgart verloren, was zweierlei bedeutete.
Erstens: Der Trainer des SC Paderborn war mit seinem Team abgestiegen. Zweitens: Nicht abgestiegen war der lange Zeit so todessehnsüchtige VfB, er hatte sich unter anderem von einem quicklebendigen Kostic wiederbeleben lassen. Filip Kostic hat ein Tor vorbereitet bei diesem Spiel im Mai, und er war so oft mit weit überhöhter Geschwindigkeit seinen Flügel hinauf gerast, dass er mit den handelsüblichen Blitzgeräten der Stadt Paderborn nicht zu erfassen war.
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"Auf eine klare Linie verständigt"
Der Trainer des SC Paderborn hat dieses Spiel nicht vergessen, auch wenn er inzwischen der Trainer von Schalke 04 ist. Als André Breitenreiter in den vergangenen Tagen allmählich begriff, dass er den Spieler Julian Draxler verlieren würde, hat er sich sofort an den Raser vom Mai erinnert. An seinen Vorgesetzten, den Sportchef Horst Heldt, erging der Auftrag, als Nachfolger bitte diesen Kostic zu beschaffen, und Heldt hat penibel jene Arbeitsschritte ausgeführt, die für solche Fälle vorgesehen sind. Er hat alle beteiligten Parteien konsultiert und als Gehalt sowie als Ablösesumme völlig absurde Summen geboten. Es bahnte sich, mit anderen Worten, ein völlig normaler Transfer an.
Allerdings spielt Kostic nun, nach Beendigung der Transferperiode, immer noch in Stuttgart, während der Kostic-Fan Breitenreiter hoffen muss, dass Draxler von jener Lücke ersetzt wird, die er hinterlässt. Die Schalker haben auf die Schnelle keinen anderen Nachfolger von vergleichbarer Qualität mehr auftreiben können, denn es konnte ja keiner ahnen, dass der VfB Stuttgart sich nicht an die Spielregeln hält.
Beim VfB haben sie nach Eingang des unmoralischen Angebots ein Wort benutzt, das für solche Fälle nicht mehr vorgesehen ist. Sie haben "nein" gesagt.
"Nach dem Klassenerhalt war uns klar, dass unsere Offensivspieler Begehrlichkeiten wecken würden", sagt Stuttgarts Sportchef Robin Dutt, "und wir haben uns im Vorstand auf eine klare Linie verständigt." Sie lautete: Wir geben weder Filip Kostic noch Daniel Didavi noch Daniel Ginczek ab. Nicht im Juni, nicht im Juli und auch nicht am 31. August, dem letzten Transfertag, an dem die Branche gewohnheitsmäßig durchdreht und die Klubs ihre Angebote stündlich um ein paar Millionen erhöhen. "Es gibt ja das schöne Wort ,Schmerzgrenze'", sagt Dutt, "aber wir haben entschieden, dass es in diesen Fällen keine Schmerzgrenze gibt. Wenn wir sagen, dass wir einen Spieler dringend brauchen, dann brauchen wir ihn, egal, ob jemand zehn oder 25 Millionen bietet."
Dutt ist mit dem Vorsatz angetreten, die jahrelang recht wilde Personalpolitik zu beruhigen "und nicht jeden Sommer neu anfangen zu müssen". Mit Geld lasse sich "nicht alles aufwiegen", sagt er, zum Beispiel nicht der Verlust eines Offensivtrios, das den VfB trotz des Null-Punkte-Starts immer noch heimlich auf bessere Zeiten spekulieren lässt.
Es ist eine ironische Nebenpointe des irren Transfergeschehens, dass der grotesk fehlgestartete VfB so begehrenswerte Spieler beschäftigt. Auch beim Spielmacher Didavi hat Dutt mehrfach das altmodische Wort "nein" ausgesprochen, auch ihn hätte er trotz eines 2016 auslaufenden Vertrags noch am 31. August für eine zweistellige Millionensumme verkaufen können, nach Wolfsburg oder vielleicht auch nach Leverkusen, wo sie dem Spieler schon länger Avancen machen. Mindestens 20 Millionen, eher mehr hätte der VfB kurz vor Transferschluss noch schnell einnehmen können, wenn er beide Spieler verkauft hätte, aber in Stuttgart haben sie beschlossen, dass sie von dem schönen Geld nichts haben, wenn sie dafür absteigen. "Es werden wieder Zeiten kommen, in denen wir Transfererlöse brauchen", sagt Dutt, "aber in diesem Sommer: keine Chance."
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Schwerhörige Branche
Die Neins aus Stuttgart haben den Trend des wilden Sommers gebrochen, sie waren ein Zeichen wie das Nein von Werder Bremen, das sich weigerte, den Verteidiger Jannik Vestergaard für eine zweistellige Summe nach England zu verkaufen.
Die Neins waren schon deshalb bemerkenswert, weil in diesem Sommer auch deutlich besser gestellte Klubs "ja" sagten oder sagen mussten, wie der VfL Wolfsburg, der Kevin De Bruyne für 75 Millionen an Manchester City verlor, wie Bayer Leverkusen, das Heung-min Son für 30 Millionen an Tottenham abtrat, wie der FC Augsburg, der Abdul Rahman Baba für über 20 Millionen an Chelsea weiterreichte oder wie der ehemalige Trainer aus Paderborn, der seinen Draxler für 35 Millionen nach Wolfsburg ziehen lassen musste.
Besonders bemerkenswert an den Neins war aber, dass sie gegen den Willen der Spieler durchgesetzt wurden. Didavi hatte bereits im Juli mittels kicker-Interview ausrichten lassen, dass er bei aller Liebe zum Stuttgarter Heimatklub sehr gerne zu Leverkusen in die Champions League wechseln würde; und Kostic hat sich in der letzten Transferwoche mit seinem Berater breit in Dutts Büro gesetzt, um dort hochoffiziell um seine Freigabe zu bitten.
Robin Dutt ist noch nicht lange Klubmanager, es war sein erster Transfersommer, und er hat gleich mal gelernt, dass die Branche mitunter schwerhörig ist. Seine Neins waren eigentlich laut genug, aber er hat erleben müssen, wie der Mittelsmann eines Vereins nach längst empfangener Absage am 31. August noch mal nachhakte, nicht beim Sportvorstand Dutt, sondern beim Finanzvorstand des VfB. Aber der Mittelsmann hatte Pech: Der Finanzvorstand hat auch nein gesagt.