Transfers in der Bundesliga:Jung, preiswert, international

Die meisten der bisherigen Wintertransfers in der Bundesliga folgen einem bestimmten Muster. Bereits nach einem Drittel der Periode lässt sich erkennen, wie stark der Winterwechsel seinen Charakter verändert hat: Er ist vorwärtsgewandt - und der Trend geht zum Talent.

Christof Kneer

Hanno Balitsch ist kein Talent mehr. Er ist ein herzhafter Kerl, führungsstark und nie um einen Zweikampf verlegen, und er hat viel erlebt. Er spielte für Waldhof, Köln, Leverkusen, Mainz und Hannover, er kennt die Trainer Rapolder, Lienen, Funkel, Augenthaler, Klopp, Neururer, Hecking, Slomka, Heynckes und Dutt. Balitsch ist, wie man so schön sagt, ein Kind der Bundesliga. Und im Moment ein völliger Außenseiter.

VfB Stuttgart: Belek Training Camp - Day 2

Jung, preiswert, international: Stuttgarts Zugang Gotoku Sakai passt ins Transferschema des Winters.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Balitsch, 31, ist gerade nach Nürnberg gewechselt, es ist ein Transfer, der einem wie ein alter Bekannter vorkommt. So ging das ja jahrelang im Winter: Immer gab es Klubs, die zu wenig Punkte, zu viele Verletzte und noch mehr unerfüllte Erwartungen auf dem Konto hatten und die sich dann aus einem - wie es schien - eigens dafür vorgesehenen Solidarfonds bedienen konnten.

Nach einem bis heute unbekannten Schlüssel bekamen sie ein paar anderswo ausrangierte Routiniers zugeteilt, mit deren Hilfe sie in der Rückrunde erfolgreicher wurden oder auch nicht. Dem Wintermarkt hat die Liga ein paar ihrer schönsten Transfers zu verdanken, in Hannover tauchte einmal der Portugiese Abel Xavier auf, dessen Frisur aussah, als sei sie aus einer Handvoll Streifenhörnchen zusammengeknüpft.

Balitschs Transfer ist einer der wenigen, der noch der alten Liga-Logik folgt. Für die verletzungsgeplagten Nürnberger war der vielseitige Balitsch eine Versuchung, der man nicht widerstehen kann. "Aber ansonsten versuchen wir schon, unserem Stil treu zu bleiben", sagt Club-Manager Martin Bader.

Außer Balitsch haben sie noch den Tschechen Adam Hlousek aus Jablonec verpflichtet, er ist gerade 23 geworden. Kaiserslautern hat den Dänen Nicolai Jörgensen, 20, aus Leverkusen ausgeliehen und den Polen Jakub Swierczok, 19, käuflich erworben.

Aus Freiburg ist zu hören, dass neben dem Innenverteidiger Fallou Diagné, 22, aus Metz noch der dänische Außenverteidiger Michael Lumb, 23, aus St. Petersburg kommen soll. Und der FC Augsburg kontert mit der Leihe des Schalker Tschechen Jan Moravek, 22.

Vorgriff auf die nächste Saison

Jung, unbekannt, preiswert und international - diesem Muster folgen die meisten der bisherigen Wintertransfers. In Köln haben sie einen 19-jährigen Angreifer aus der schwedischen zweiten Liga geholt (Mikael Ishak), Stuttgart präsentiert stolz einen 20-jährigen Außenverteidiger aus Japan (Gotoku Sakai), während Hoffenheim beim Weihnachtsshopping einen 18-jährigen Liechtensteiner vom FC Basel (Sandro Wieser) und einen 20-jährigen Deutschen (Stefan Tesker) aufstöberte, der bisher unter Ausschluss der Öffentlichkeit beim Reserveteam von Twente Enschede verteidigte.

Und Mönchengladbach hat die Wucht der Reus-Debatten genutzt, um fast unbemerkt den 19-jährigen Deutschtürken Tolga Cigerci (Wolfsburg) und den hoch begehrten Finnen Alexander Ring (HJK Helsinki), 20, in die Stadt zu locken. Ring, ein defensiver Mittelfeldspieler, hat im Testspiel gegen Nürnberg gleich mal zwei Tore geschossen. Bei Nürnberg fehlte allerdings der Leistungsträger Hanno Balitsch.

Schon jetzt, nach einem Drittel der Winter-Transferperiode, lässt sich erkennen, wie stark der Winterwechsel seinen Charakter verändert hat. Immer häufiger ist er nicht mehr rückwärts gewandt, er zielt meist schon auf den nächsten Sommer. "Einen Vorgriff auf die nächste Saison", so nennen das die Bundesliga-Manager. "Inzwischen ist es so, dass man oft schon im Winter zuschlagen muss, weil die Spieler im Sommer entweder teurer oder gar nicht mehr zu haben sind", sagt Martin Bader.

Für Freunde der Folklore heißt das, dass sie tapfer sein müssen, sie dürfen im Winter nicht mehr auf Streifenhörnchen hoffen. Durchs Transferfenster steigen stattdessen lauter Perspektivspieler, die gut integrierbar und meistens schrecklich vernünftig sind.

Die Kunst des Winterkaufs besteht zurzeit darin, Perspektivspieler zu finden, die deutsch ticken, obwohl sie nicht deutsch sind. "Deutsche Talente sind nur noch schwer zu kriegen", sagt der Stuttgarter Fredi Bobic. Die deutschen 1a-Talente wechseln ohnehin nur noch nach Dortmund (Gündogan, Leitner, demnächst Bittencourt) oder Leverkusen (Leno, Wollschneid), und die 1b-Talente genießen immer noch einen so guten Ruf, dass sie von ihren Klubs oft nicht fortgelassen werden.

Die halbe Liga hat beim FC Bayern angefragt, ob man nicht den Stürmer Nils Petersen ausleihen könne, der Bayern hat abgelehnt. Genauso wenig haben die Nürnberger ihre Talente Mendler und Wießmeier verliehen, "sie hätten in die zweite Liga gehen können", sagt Bader, "aber wir glauben, dass sie uns in der Rückrunde helfen können".

So kommt es, dass junge deutsche Profis im Winter nur in Ausnahmefällen auf den Markt gelangen - wie Felix Bastians, 23, der in Freiburg einer mysteriösen Suspendierungswelle zum Opfer fiel und vermutlich schon im Winter zu Hertha BSC überlaufen wird.

Der VfL Wolfsburg hat übrigens auch Spieler angeworben in diesem Winter, sieben oder 77, man weiß das nicht mehr genau. Aber ob das in den Trend passt? Sie sind jung und international, das schon, aber preiswert sind sie eher nicht. Wobei Trainer-Manager Felix Magath indirekt dazu beiträgt, dass man auf den klassischen Wintertransfer zurzeit vergeblich wartet. Er hat ja einige überzählige Routiniers, die anderswo prima helfen könnten, Helmes oder Polak, Ochs oder Russ. Aber Wolfsburg hat es nicht nötig zu verkaufen. Sie haben offenbar Geld genug.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: