Süddeutsche Zeitung

Transfers:Bundesliga fürchtet die Geldflut aus China

Jetzt zahlt auch China wahnsinnige Ablösesummen. Die Bundesliga überlegt sich Maßnahmen dagegen, dabei sollte sie einfach auf Altbewährtes setzen.

Kommentar von Philipp Selldorf

Der Bundesliga geht es nicht gut. Es geht ihr sehr gut. Jahr für Jahr setzt sie mehr Geld um, die meisten Klubs arbeiten vernünftig und erwirtschaften Gewinn; selbst die Vereine der zweiten Klasse, einst mit dem Beinamen "Pleiteliga" versehen, verdienen inzwischen genug zum Lebensunterhalt.

Fabelhaft sind auch die sportlichen Verhältnisse. Bayern München kann sich mit den besten Klubs der Welt messen, die anderen Renommiervereine bieten in den Europapokalen gut mit. Weltweit vorbildlich ist die deutsche Ausbildung: Rund 60 Prozent der Bundesligaspieler stammen aus heimischen Internaten - keine andere große Liga in Europa weist so eine Quote vor. Und die Nationalelf? Die beste des Universums.

Folgt man aber Warnmeldungen aus der Liga, dann ist es leider schon zu spät, das Glück zu genießen - die letzten frohen Tage des deutschen Fußballs haben begonnen. Wie schreckliche Ungeheuer erheben sich am Horizont die Gefahren: vorneweg die Engländer, die mit ihrem frivolen Kapital alles kaufen, was uns lieb und teuer ist; dahinter die Chinesen, die sich anschicken, das Gleiche zu tun.

Manche Sorgen sind berechtigt

Manche der 1000 Sorgen, die jetzt die Runde machen, sind sogar berechtigt. In Erwartung der Geldmengen, die mutmaßlich den Markt fluten werden, steigen die Preise an der Transferbörse ins Unsinnige. Der Zweitligaspieler Alessandro Schöpf, 21, kostete Schalke fünf Millionen Euro, Borussia Mönchengladbach bezahlte für den Dortmunder Jonas Hofmann acht Millionen Euro. Vor einem Jahr noch hätten derlei Geschäfte allenfalls die Hälfte des Betrages bewegt.

Wolfsburgs Manager Klaus Allofs stellte fest, dass auch die vielen VW-Millionen, um die ihn die nationalen Mitbewerber beneiden, an Grenzen stoßen. Die 25 bis 28 Millionen, die er dem FC Basel für dessen Stürmer Breel Embelo, 19, geboten hat, waren den Schweizern nicht genug. Im Gespräch mit Sport Bild hat Allofs nun einen Plan vorgestellt, wie die Bundesliga der übermächtig reichen Konkurrenz begegnen könnte.

Mehr Spiel bedeutet mehr Geld

Allofs spricht sich zum Zweck der Umsatzsteigerung erstens für den Ausbau des Supercups aus und zweitens für die Einführung eines weiteren Pokalwettbewerbs. Mehr Spiele gleich mehr Fernsehgeld lautet die Rechnung. Dazu ist zu sagen, dass der bestehende Supercup vom Publikum als Sommerpausenfüller betrachtet und nach dem Vorgängermodell als "Fujicup" verspottet wird. Ein Liga- pokal, wie er in England seit langem existiert, wäre in Deutschland erst mal eine Retortengeburt, ein charmefreies Kunstprodukt. Lebenserwartung: gering.

Diese und ähnliche Vorschläge zeigen, dass infolge der diffusen Ängste vor Engländern und Chinesen eine Neigung zum Aktionismus entstanden ist. Dass die Liga meint, sie müsse ihren Durchschnittsspielern noch mehr Geld bezahlen, weil diese sonst nach Norwich oder Newcastle wechseln, folgt vielleicht einer systemimmanenten Logik. Klug aber wäre dieses Handeln nicht. Zumal da die eigentliche Lösung des Problems - siehe oben - längst bekannt ist: vorbildlich ausbilden, klug wirtschaften, teuer verkaufen.

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Quelle:
SZ vom 04.02.2016
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