Süddeutsche Zeitung

Transferpolitik des AS Monaco:Neuer Dualismus auf Pump

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Die Millionen des Oligarchen Rybolowljew und prominente Zugänge wie Falcao sollen beim AS Monaco den alten Glanz zurückbringen. Gerade erst aufgestiegen, fordert der Klub schon Meister Paris Saint-Germain heraus. Jetzt müssen nur noch die Zuschauer kommen, um die sündhaft teure Elf zu sehen.

Von Annika Joeres, Monaco

Jean-Paul Chaude hat schon viele Weltklassespieler verlieren sehen. An seinem Spieltisch im Casino von Monaco zückten sie bis sechs Uhr morgens ihre Jetons und Spielkarten. Aber seit geraumer Zeit kommen die Kicker des AS Monaco nicht mehr in die mondäne Spielhölle.

Ausgerechnet jetzt, wo der monegassische Fußballklub wieder in die erste Klasse aufgestiegen ist und dem russischen Milliardär Dmitrij Rybolowljew gehört, der Gehälter zum Verjubeln bezahlt. "Die Spieler von heute müssen seriös wirken - sie wollen nur beim Training und nicht im Casino gesehen werden", sagt Chaude. Das sei besser für ihr Image.

Chaude muss es wissen. Der 53-Jährige ist nicht nur Croupier, sondern auch Präsident des Fußballfanclubs vom AS Monaco. Der Klub spielt nun zwar wieder in der ersten französischen Liga mit, traditionell fehlen ihm aber die Unterstützer im Stadion. Deshalb schaltet Rybolowljews PR-Abteilung täglich ganzseitige Anzeigen für ein Ticket-Abo. "Buchen Sie die Zukunft" prangt dort etwa.

Oder auch: "Wir sind ambitioniert, wir sind Monaco." Meistens lächelt auf den Plakaten und Zeitungsseiten Radamel Falcao im Vordergrund. Der Kolumbianer ist der spektakulärste Zukauf des Klubs. Rybolowljew zahlte für ihn 60 Millionen Euro an Atlético Madrid. An einem glühenden Juli-Nachmittag wurde der Stürmer vor dem Hotel L'Hermitage, einer der teuersten Unterkünfte im Fürstentum, vorgestellt.

Gekleidet in einen lachsfarbenen Blazer, antwortete er seinen Interviewern in perfektem Französisch und eroberte damit zumindest die Herzen der französischen Presse. "In Monaco zu spielen ist der Traum jedes Fußballers" sagte Falcao. Das Ziel sei die Champions League.

Den Auftakt der Einkaufstour hatten bereits im Mai James Rodríguez und João Moutinho gemacht, für die der Klub insgesamt 70 Millionen Euro an den portugiesischen Meister FC Porto überwies. Der Franzose Eric Abidal, der vom FC Barcelona in den Fürstenstaat kam, soll die französischen Fans begeistern; allein der Fanclub von Jean-Paul Chaude unterhält im Nachbarstaat zwölf Büros.

Insgesamt verpflichtete Monaco für 144 Millionen Euro neue Spieler und verfügt nun über den zweitteuersten Kader der französischen Liga - direkt hinter dem Meister Paris Saint-Germain, der seit Jahren mit katarischem Geld um sich wirft und der auf Monacos Aufrüstung mit eigener Aufrüstung reagiert. Monaco holt für 60 Millionen Falcao? Gut, dann holt Paris eben für 64 Millionen Edinson Cavani vom SSC Neapel, am Montag unterschrieb der Uruguayer einen Fünfjahresvertrag. Dazu sind noch weitere Zugänge wahrscheinlich, unter anderem der begehrte Linksverteidiger Lucas Digne vom OSC Lille, der kürzlich mit Frankreichs U20 den WM-Titel gewann.

So entsteht in Frankreich ein neuer Dualismus, und es lastet viel Druck auf den Spielern von Monaco, die kurz nach dem Aufstieg bereits zu künftigen Champions-League-Sieger hochgejubelt werden. Flugs versuchen einige Spieler, den Druck zu senken: Stürmer Valère Germain warnte in einem Interview, dass Paris zwei Jahre Vorsprung habe und schon einer der ersten drei Plätze "formidabel" für Monaco sei.

Für die Spieler bringt die Medien- und Einkaufskampagne von Rybolowljew ungewohnte Aufmerksamkeit mit sich. Die vergangenen Jahre war es ruhig im Fürstenstaat. Zu einigen Spielen fanden sich nur wenige hundert Zuschauer ein, die Fans blieben auf ihren Stühlen sitzen, selbst auf Siege folgten weder Gesänge noch Partystimmung. Monaco hat also einiges wieder gutzumachen.

Ende 2011 waren viele Anhänger enttäuscht, dass sich der Klub von einem reichen Russen hatte kaufen lassen. Zumal Rybolowljew schon einmal wegen Mordes angeklagt war und sein Vermögen durch undurchschaubare Düngergeschäfte anhäufte. Nach dem Aufstieg aber sind die Fans zufrieden. "Es ist wie im Glücksspiel", sagt Chaude. Wer viel Geld ausgebe, schare die Menschen um sich.

Rybolowljew weiß seine Spieler zu vermarkten und die Fans zu umgarnen. Sie jubelten, als ihnen auf einer Party unter einem enormen Zeltdach Ende Juni die Verpflichtung von Falcao angekündigt wurde. Rybolowljew hatte 2000 Fans eingeladen und verköstigt, der populäre Hip-Hopper Akon trat live auf. "Der Champagner floss in Strömen, es gab tolles Essen - der lässt für uns was springen", erzählt Monsieur Chaude noch heute begeistert.

Chaude ist in Monaco geboren und lebt in einem kleinen Appartement, aber die meisten der knapp 40.000 Einwohner des Fürstentums kommen aus dem Ausland. Viele reiche Russen haben hier ihren zweiten Wohnsitz - schon alleine deswegen passt Rybolowljew gut in den Fürstenstaat.

Die Speisekarten in den teuersten Restaurants, einige Fußminuten vom Stadion entfernt, bieten ihre Kaviar-Häppchen auf Russisch an. Ein Quadratmeter in den oberen Etagen der Betonklötze kostet rund 80.000 Euro und damit so viel wie nirgendwo sonst auf der Welt.

Neben Tennis, der Formel 1 und Yachtschauen spielt Fußball im monegassischen Alltag deshalb nur eine kleine Rolle, es gibt nicht einmal ein Fanlokal. Derzeit zelebriert Trainer Claudio Ranieri das österreichische Sommercamp. Nahezu jedes Jahr wandert die monegassische Elf im heißen Juli und August aus.

Aber dieses Mal finden sich in der lokalen Zeitung Monaco Matin täglich Geschichten aus Seefeld, die fitten Jungs vorne, die schneebedeckten Gipfel dahinter. Zwei Spiele gegen deutsche Mannschaften hat Ranieri in die Vorbereitung integriert, vergangenes Wochenende gab es gegen Fortuna Düsseldorf ein 2:3, am Samstag steht eine Partie gegen den FC Augsburg (Anstoß 16.30 Uhr, Memmingen) an.

Chaude findet die PR-Kampagnen gut. Er hat keine Lust mehr, neben leeren Stühlen im Stadion zu sitzen. "Der harte Kern von Monaco-Fans ist klein", sagt er. Aber jetzt, Mitte Juli, hätten sie schon 500 Mitglieder in ihrer Kartei, so viele wie sonst erst zu Beginn der Saison.

Viele der Fans kennt Chaude persönlich - sie sind wie er in Monaco geboren und halten dem Verein seit Jahrzehnten die Treue. Fünfhundert sei auch eine passende Zahl für einen kleinen Stadtstaat und seine Mannschaft. Wenn es nicht das Land der ehrgeizigen Millionäre und Milliardäre wäre.

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SZ vom 18.07.2013/cko
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