Transfermarkt:Immerhin die Bundesliga entsagt dem großen Geldrausch

Transfermarkt: Weltstars Ronaldo und Kylian Mbappé sind in Bewegung - und mit ihnen mehrere Lastwagen voller Geldscheine.

Weltstars Ronaldo und Kylian Mbappé sind in Bewegung - und mit ihnen mehrere Lastwagen voller Geldscheine.

(Foto: Franck Fife/AFP)

Die Klubs in Frankreich, England und Spanien geben auch in diesem Sommer wieder Fabelsummen für Spieler aus. Die Bundesliga wirkt daneben beinahe geschrumpft. Aber man sollte sich von ein paar Zahlen nicht blenden lassen.

Kommentar von Philipp Selldorf

Wie aus gut unterrichteten Quellen verlautet, plant die Post eine Erhöhung des Briefportos. Seit 2019 blieb der Preis stabil, nun soll er steigen - aber nur, wenn eine Organisation namens Bundesnetzagentur dies genehmigt. Da hatten es die Ahnherren der heutigen Postherrscher vor hundert Jahren wesentlich einfacher. Sie brauchten keine blöde Behörde um Erlaubnis zu fragen. Im August 1923 zum Beispiel kostete die Beförderung eines Briefes bescheidene 1000 Mark, doch schon im Herbst knöpfte die Reichspost dem Kunden für die gleiche Leistung 100 Millionen Mark ab, und zum Ende des Jahres brachte sie Briefmarken im Wert von 50 Milliarden Mark in Umlauf.

So ähnlich, könnte man meinen, geht es derzeit im Fußball zu. Da gibt zum Beispiel der FC Barcelona bekannt, dass er nicht mit 1,1 Milliarden Euro in der Kreide steht, was bereits allgemein für unerhört gehalten wurde - sondern sogar mit 1,3 Milliarden. Und während Real Madrid nach dem neuen Vertragsschluss mit dem 33 Jahre alten Angreifer Karim Benzema die Ausstiegsklausel bei einer Milliarde festsetzte, wurden in England vor sechs Wochen noch kaum bekannte Spieler für Summen gehandelt, die aus dem Fantasiezahlenreich der Hyperinflation zu stammen scheinen - jenem Land also, in dem die Reichspost die Zahl 50 Milliarden auf ihre Briefmarken druckte. Und nun setzt das letzte Wochenende vor dem Schluss der Wechselbörse den dramaturgischen Schlusspunkt, indem es die Weltstars Ronaldo und Kylian Mbappé in Bewegung setzt und mit ihnen mehrere Lastwagen voller Geldscheine.

Die Bundesliga hat ihre sittlichen Versprechen aus den frühen Tagen der Corona-Krise weitgehend erfüllt

Dass der pandemiebedingte Stillstand der Ligen erst ein Jahr her ist, das mag man in Anbetracht dieser Vorgänge kaum glauben. Hatten nicht während der Pause die Leute im Fußball Einsicht gelobt und versprochen, dem großen Geldrausch entsagen zu wollen?

Tatsächlich taugen die Fußball-Geschäfte dieses Sommers allenfalls bedingt zur moralischen Sonntagsrede. Dass englische Spitzenklubs viel Geld für neue Spieler ausgeben, liegt ja vor allem daran, dass sie viel Geld zur Verfügung haben. Real Madrid kann sich den teuren Sehnsuchtsstar Mbappé leisten, weil der Klub zuvor andere Spieler teuer verkauft hat. Selbst die wegen ihres parvenuhaften Gebarens verpönte Gesellschaft Paris Saint-Germain unterwirft sich durch den Verkauf des wechselwilligen Mbappé - der nationalen Galionsfigur im Team - den Branchengesetzen. Geht man die exponierten Fälle dieser Handelssaison durch, ergibt jeder einzelne Transfer über den Imagegewinn hinaus einen gewissen sportlichen Sinn: Lionel Messi in Paris, Mbappé in Madrid, Romelu Lukaku beim FC Chelsea, Jack Grealish bei Manchester City.

Die Bundesliga wirkt vor diesen massiven Verschiebungen im Markt auf einmal ziemlich klein, beinahe geschrumpft. Es könnte sich dabei aber auch um eine optische Täuschung handeln. Im Verhältnis zum nächsten Champions-League-Gegner FC Barcelona zum Beispiel ist der FC Bayern sicher nicht schwächer geworden. Und RB Leipzig muss zwar damit rechnen, dass es in einer Gruppe mit PSG und Manchester City Probleme geben könnte, ins Achtelfinale zu kommen. Aber ob Messi in Paris wirklich regelmäßig und verlässlich sein altes Niveau erreicht? Und wer weiß: Vielleicht grübelt Pep Guardiola vor dem entscheidenden Spiel wieder eine Stunde zu lang über seine Aufstellung und das System und macht damit alles kaputt.

In Wahrheit hat die Bundesliga ihre sittlichen Versprechen aus den frühen Tagen der Corona-Krise sogar weitgehend erfüllt. International relevante Vereine wie die Bayern und Borussia Dortmund halten sich auf dem Spielermarkt zurück, weil sie seriöserweise dem Verlustausgleich Vorrang geben. Ambitionierte Klubs wie Mönchengladbach, Frankfurt oder Stuttgart, die zuletzt glänzend gearbeitet hatten und nun vor unverschuldeten Defiziten stehen, üben vorbildlich Diät. Selbst die neureiche Hertha verzichtet. Man sollte sich von ein paar großen Zahlen an einigen wenigen Orten nicht täuschen lassen.

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