Transfermarkt im Fußball:Der Verteidiger ist der neue Ronaldo

Transfermarkt im Fußball: Letzte Saison noch gegeneinander, ab sofort Teamkollegen: Cristiano Ronaldo und Matthijs de Ligt.

Letzte Saison noch gegeneinander, ab sofort Teamkollegen: Cristiano Ronaldo und Matthijs de Ligt.

(Foto: AP)
  • Auf dem aktuellen Transfermarkt gibt es eine neue Bewegung: Auch Innenverteidiger und Torwarte kosten inzwischen horrende Summen.
  • Das heißt nicht unbedingt, dass defensive Positionen auf einmal mehr geschätzt werden. Vielmehr geht es darum, Spieler zu finden, die den Unterschied machen.
  • Die Suche nach den neuen de Ligts und van Djiks gestaltet sich risikoreich: Zu beobachten an Bayerns jüngstem Rekordtransfer für Lucas Hernandez.

Von Christof Kneer

Michael Reschke hat Matthijs de Ligt spielen sehen, da war der noch 17. Er hat ihn dann noch mal spielen sehen und noch mal, und beim nächsten Telefonat mit seinem Kumpel Pep Guardiola hat Reschke dann gesagt, du, Pep, falls dein Manchester City übrigens mal einen Innenverteidiger sucht: Schaut euch mal diesen jungen Holländer von Ajax Amsterdam an. Der weitere Fortgang der Geschichte zeigt, dass die Leute aus Manchester sich diesen de Ligt zwar womöglich angesehen, aber jedenfalls nicht verpflichtet haben. Er wäre gewiss nicht billig gewesen, dieser de Ligt, was aber recht egal gewesen wäre, weil die Leute aus Manchester haben's ja. Und er wäre auf jeden Fall billiger gewesen als heute.

Reschke, 61, kennt den Transfermarkt im Grunde seit der Erfindung des Transfermarkts, er hat schon für Leverkusen und den FC Bayern die Kader komponiert, in Stuttgart war er Sportvorstand, jetzt auf Schalke komponiert er wieder Kader. Er hat jeden Trend und Gegentrend auf dem Markt verfolgt, und natürlich registriert er jetzt auch Marktbewegungen wie diese: Am Donnerstag ist de Ligt, inzwischen 19, zu Juventus Turin gewechselt, für 75 Millionen Euro plus Nebengeräusche.

Hernandez ist nun der Rekordtransfer in der Geschichte des FC Bayern

Zu dieser Vollzugsnachricht passt sehr gut die Meldung, wonach Manchester United kurz vor der Verpflichtung des englischen Nationalverteidigers Harry Maguire stehe. Maguire, 26, bisher noch bei Leicester City im Dienst, soll inklusive Nebengeräusche knapp 90 Millionen Euro kosten, damit hätte er den Niederländer Virgil van Dijk als teuersten Verteidiger der Welt abgelöst. Für van Djik hatte der FC Liverpool im Januar 2018 etwa 85 Millionen Euro ausgegeben. Auch gut machen sich in dieser Reihe jene 80 Millionen, die der FC Bayern gerade springen ließ, um den Innenverteidiger Lucas Hernandez per Klausel aus seinem Vertrag bei Atlético Madrid herauszukaufen. Hernandez ist nun der Rekordtransfer in der Geschichte des FC Bayern.

Für den Fußball als Sport ist das eine Entwicklung, die grundsätzlich sehr zu loben ist: dass die Innenverteidiger, früher Vorstopper genannt, heute nur noch Rekorde brechen und nicht mehr die Knochen ihrer Gegenspieler. Ob diese Entwicklung aber auch für den Fußball als Geschäft so praktisch ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Zu vermuten ist, dass die Innenverteidiger diese Entwicklung ganz cool finden, weil mit spektakulären Ablösen ja auch spektakuläre Gehälter verbunden sind; und bestimmt werden auch die Spieleragenten diesen Trend gern unterstützen. Je höher die Ablösesummen, desto üppiger fallen ihre Provisionen aus, und sie müssen nicht mal selber kicken dafür.

De Ligt, van Dijk, Maguire, Lucas Hernandez: Ja, der verrückte Markt hat jetzt auch jene Spieler auf den billigen Plätzen erreicht, die jahrzehntelang nur dafür da waren, den teuren Spielern den Spaß zu verderben. Diese Marktentwicklung ist eine logische Folge der Entwicklung dieses Spiels, in dem die Verteidiger längst mehr sind als nur die, die man halt auch irgendwie braucht, um eine Elf vollzubekommen.

Aus Sicht des Marktexperten Reschke wäre es allerdings höchstens halb richtig, wenn man nun folgern würde, dass Abwehrspieler gerade die heißeste Ware auf dem Markt sind. Reschke sagt: "Auf dem aktuellen Markt richten sich die Summen gar nicht mehr unbedingt nach den Positionen. Es geht beim Preis mehr denn je um Qualität, um die absolute Topklasse - und die ist dann sehr teuer, egal, ob es ein Stürmer, ein defensiver Mittelfeldspieler oder auch ein linker Verteidiger ist." Natürlich wird ein Weltklassestürmer immer teurer sein als ein Weltklasseverteidiger, aber tatsächlich hat sich auf dem Markt inzwischen eine virtuelle und völlig positionsunabhängige Kategorie gebildet, die Reschke "die Unterschieds-Kategorie" nennt.

Als beispielgebend gilt der FC Liverpool des Trainers Jürgen Klopp

"Topvereine suchen Spieler, die auf höchstem Niveau den Unterschied machen", sagt er, "das kann auch ein Innenverteidiger oder Torwart sein." Als beispielgebend gilt der FC Liverpool des Trainers Jürgen Klopp, der erst mit zwei irre teuren, aber irre zielsicheren Defensivtransfers zu einem konkreten Siegerteam werden konnte. Erst durch den Erwerb des Verteidigers van Dijk (85 Millionen) und des Torwarts Allison (75 Millionen) wurde diese wilde, auf Klopp-Spektakel abgerichtete Elf aus so strapazierfähigem Material gebaut, dass sie die Champions League gewinnen konnte - in der Tradition des modernen Real Madrid, dessen jüngste Triumphe nicht nur dem Genie von Ronaldo, Modric oder Kroos entsprangen, sondern auch der Autorität und berüchtigten Wettkampfhärte des Verteidigers Sergio Ramos.

Nicht garantiert ist nun allerdings, dass jeder teure Verteidiger auch wirklich zum van Dijk taugt, so geht etwa der FC Bayern mit den 80 Millionen für Lucas Hernandez massiv ins Risiko. Allerdings haben die Bayern auf dem neuen Verteidigermarkt auch schon ein spektakulär gutes Geschäft abgewickelt: So darf der noch unter Reschkes Regie für 20 Millionen erworbene Niklas Süle angesichts der neuen Marktpreise als furchterregendes Schnäppchen gelten. Und auch die Dortmunder dürfen sich ruhig etwas einbilden auf die Heimholung des Verteidigers Mats Hummels. Zwar liegen 30 Millionen Ablöse für einen 30-Jährigen durchaus über Tarif - aber in ihm erkennen die Dortmunder mit ihrer jungen Elf eben genau das, was Geld kostet: einen Spieler, der den Unterschied ausmacht.

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