Transfermarkt:Die Fußball-Welten sind mehr denn je getrennt

Lesezeit: 2 min

Pierre-Emerick Aubameyang stand auch auf der Einkaufsliste des FC Chelsea. Der Stürmer wurde - wie kann es anders sein - in einem Last-Minute-Transfer vom FC Barcelona geholt. (Foto: Gerard Franco/Zuma/Imago)

Die Premier League investiert mehr als alle anderen großen Ligen zusammen - das ist eine Wahrheit auf dem Transfermarkt. Doch auch in der Bundesliga herrscht ein großes Gefälle.

Kommentar von Philipp Selldorf

Im Hause Bayer Leverkusen standen die Verantwortlichen unter höchster Hochspannung. Es war der letzte Tag im Januar, der letzte Tag der Wintertransferperiode, der Trainer brauchte unbedingt noch einen erstklassigen Innenverteidiger, und der Wunschkandidat hatte immer noch nicht unterschrieben, weil sein Klub dem Handel im Weg stand. Einen alternativen Wunschkandidaten gab es nicht.

Schließlich, Lunchtime in London war endlich over, übermittelte Tottenham Hotspur die Einwilligung, den kroatischen Nationalspieler Vedran Corluka freizugeben, und die Leverkusener wunderten sich, dass der Verein nicht die gleichen, sondern dieselben Konditionen akzeptierte, die das Bayer-Management bereits am 15. Januar mit Spurs-Boss Daniel Levy ausgehandelt hatte. Macht Euch keine Sorgen, hatte Levy den Leverkusenern in der Zwischenzeit versichert, der Deal steht. Warum er ihn dann nicht früher realisiert hatte? Die Antwort kannte schon vor zehn Jahren nur der Wind.

Deadline Day
:Freude bei Manchester United - es ist vorbei

Der englische Klub hat doch noch einen neuen Rekordeinkauf gefunden. Mario Balotelli lehrt jetzt in der Schweiz einen Trainer das Fürchten - und Hertha BSC spart ein bisschen. Geschichten vom Transferschluss.

Von SZ-Autoren

Der Schlusstag an der Transferbörse, hierzulande Deadlineday genannt, gehört in England zum medialen Unterhaltungsprogramm. Namen, Millionensummen, Vertragslaufzeiten schwirren umher, und jedes Mal passiert es irgendwo, dass der von allen Beteiligten gewünschte Wechsel eines Spielers misslingt, weil in der absurden Hektik des Finales ein Klub seinen Schreibtisch nicht aufgeräumt bekommt. Deshalb scheiterte jetzt der Transfer von Michy Batshuayi, 28, der als Zugang Nummer 22 zum Aufsteiger Nottingham Forrest gehen sollte: Beim FC Chelsea schafften sie es nicht, die erforderlichen Unterlagen zu übermitteln, sie waren einfach zu sehr mit ihren Last-Minute-Einkäufen und Verkäufen beschäftigt.

Schalke shoppt zum Nulltarif, Leipzig gibt 18 Millionen für Abdou Diallo aus

Betriebsamkeit ergibt sich aus der Fristsetzung quasi unvermeidlich, das ist hierzulande nicht anders. Dennoch fragt man sich in Kontinentaleuropa, warum speziell die Engländer oft erst am letzten Tag aushandeln, was sie in aller Ruhe schon vor sechs Wochen hätten erledigen können. Vermutlich geht es in der Premier League wie im hohen Hause zu Westminster oder beim Feinkosthändler Fortnum & Mason um die Wahrung von Tradition und Brauchtum. Wahrscheinlich noch gravierender ist das Argument, dass es dem FC Chelsea nicht wehtut, ob ein Batshuayi immer noch auf der Lohnliste steht bzw. keine Ablöse einbringt. Dass es also letztlich egal ist. Man hat unter anderem 80 Millionen Euro für die Anschaffung des 21-jährigen Innenverteidigers Wesley Fofana und 65 Millionen für einen Linksverteidiger namens Marc Cucurella bezahlt.

Die Fußballwelt, in der Chelsea bei den Transfers ungefähr 230 Millionen Euro mehr ausgegeben als eingenommen hat, ist dieselbe Fußballwelt, in der ebenso altehrwürdige Klubs wie der VfB Stuttgart, der 1. FC Köln und Schalke 04 mit einem von Sparzwängen diktierten Einnahmeplus vom Markt heimgekehrt sind. Die Schalker betonten am Schlusstag, der neue Stürmer Kenan Karaman, vormals Besiktas Istanbul, komme ablöse- und kostenfrei, man werde "auch keine Erfolgsboni" bezahlen, falls im Außenseitermodus der Klassenverbleib gelingen sollte. Infolge alter Sünden mitsamt den Wirkungen der Corona-Krise ist in Gelsenkirchen der Nulltarif das neue Leitmotiv. Zur gleichen Zeit gibt es in der gleichen Liga einen anderen beispielhaften Fall: RB Leipzig schafft für 18 Millionen den Verteidiger Abdou Diallo an, um die Verletzung von Lukas Klostermann zu kompensieren.

Blickt man auf die Lehre des jüngsten Transferfensters, sind die Erkenntnisse zweierlei: Dass die Premier League weit mehr als alle anderen großen Ligen zusammen in Spieler investieren konnte, weil das Geld überreichlich vorhanden ist - das ist nur die eine Wahrheit über die Ungleichheit des Wettbewerbs. Die andere Wahrheit ist, dass auch innerhalb der Bundesliga das wirtschaftliche Gefälle mehr denn je die Fußball-Welten trennt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungWechsel in die Premier League
:Groß werden in England

13 Spieler wechselten im Sommer von der Bundesliga in die Premier League. Doch der Insel-Traum stellt sich für manchen als zu ambitioniert heraus - trotz der Erfolge in Deutschland.

Kommentar von Felix Haselsteiner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: