Süddeutsche Zeitung

Transfermarkt:Die Grenzen des hemmungslosen Geldausgebens

Selbst die größten Klubs geraten in Turbulenzen, wenn ein teurer Transfer schiefgeht. Doch die Exzesse lassen womöglich nach - der Coutinho-Deal lässt sich als Beleg dafür deuten.

Kommentar von Philipp Selldorf

Über einen früheren deutschen Nationalspieler wird in seinem ehemaligen Verein erzählt, dass er kein begabter Autofahrer gewesen sei. Das wäre an sich nicht erzählenswert, interessant wird die Geschichte aber dadurch, dass der Mann in seinem Fuhrpark ein halbes Dutzend teurer Sportwagen versammelt hatte. Wenn eines dieser Autos aus einer engen Lücke auf dem Spielerparkplatz zu rangieren war, dann musste er einen Kollegen fragen, ob er das für ihn erledige.

Im Profifußball gibt es sehr viele Fälle, die belegen, wie sich mit viel Geld viel Unsinn anstellen lässt. Man braucht dazu nicht auf die oft vom Ernst des Lebens noch unberührten Spieler zu deuten - es sind die Unternehmen selbst, die sogenannten Vereine, die es ihnen vormachen. Von einem dieser Fälle profitiert nun der FC Bayern mit der Übernahme des Angreifers Philippe Coutinho. Die Konditionen dieses Leihgeschäfts hat der FC Barcelona selbst bekanntgemacht: Die Münchner bezahlen eine Leihgebühr und übernehmen Coutinhos Gehalt, letzteres ist allerdings nicht mit gewöhnlichen Millionen-Gehältern zu vergleichen, nicht mal mit den Multimillionen-Gehältern der anderen Bayern-Spieler. Bis Juni 2020 dürfte Coutinho den Klub geschätzt 30 Millionen Euro kosten. Viel Geld für ein Gastspiel, aber in Anbetracht des Marktwerts und der Verhältnisse, die in der entfesselten Branche herrschen, ein guter Handel.

Der Coutinho-Deal lässt sich sogar als Beleg dafür deuten, dass die Hyperinflation auf dem Spielermarkt Grenzen erreicht haben könnte. Selbst die Größten der Großen unter den Klubs geraten in Gefahr, an den Wucherungen Schaden zu nehmen. Zwar hat es auch in diesem Sommer etliche Transaktionen gegeben, bei denen mehr als 100 Millionen Euro bewegt wurden (Antoine Griezmann/FC Barcelona; Joao Felix/Atlético Madrid; Eden Hazard/Real Madrid), aber es häufen sich auch die Fälle, bei denen Großklubs durch misslungene Spekulationen in Schwierigkeiten geraten sind.

Das Geschäft mit Superstars funktioniert, wenn auch die Superstars funktionieren

Der FC Barcelona ist einer der Betroffenen, Paris Saint-Germain ein anderer, zwei Klubs, die durch hemmungsloses Geldausgeben die Preise in die Höhe trieben und nun dafür büßen müssen. Während Barcelona durch Coutinhos Veräußerung zum Freundschaftspreis quasi mit Gewalt die Kosten senkt, wartet man in Paris darauf, dass jemand kommt und Neymar abholt. PSG könnte ihn schon noch gebrauchen, aber man möchte ihn halt nicht mehr haben - abgesehen vom bedauernswerten Trainer Thomas Tuchel. Aber wer soll die 222 Millionen zurückbringen, die Neymar vor zwei Jahren gekostet hat? Real Madrid? Hat bereits für Hazard, Jovic, Militao, Mendy und Rodrygo 300 Millionen ausgegeben und wird überzählige Kostgänger wie Gareth Bale oder James nicht los, weil Normal-Vereine sie nicht bezahlen können. Barcelona? Hat schon 200 Millionen für Griezmann und de Jong ausgegeben und trägt noch schwer am irrwitzigen Preis, den Borussia Dortmund für Ousmane Dembélé erhalten hat. Bisher war Dembélé für Barca eine sportliche Fehl-Investition mit hohem Wertverlust.

Das Geschäft mit Superstars funktioniert, wenn auch die Superstars funktionieren. Dann rechnen sich sogar die riesigen Kosten. Aber wenn es schiefgeht wie bei Coutinho, Dembélé und Neymar, geraten selbst die Giganten in Turbulenzen und sogar: in wirtschaftliche Zwänge.

Das heißt nicht, dass die Preise bald sinken werden, lediglich die Exzesse lassen womöglich nach. Gute Spieler werden weiterhin teuer gehandelt, es lohnt sich ja, wenn es die richtigen sind. Als der FC Liverpool 2018 Fabelsummen für Virgil van Dijk und Torwart Alisson Becker bezahlte, waren die Bedenken groß. Doch dank der Spezialisten van Dijk und Alisson gewann der Klub im Mai die Champions League. In diesem Sommer hat Liverpool übrigens offiziell nur zwei Millionen für Transfers ausgegeben - und ist wieder Tabellenführer der Premier League.

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SZ vom 20.08.2019/chge
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