Transferkarussell Bundesliga:"Flops sind für uns ruinös"

Nichts geht mehr - am Dienstag endete die Transferperiode. Ein Gespräch mit Dirk Dufner, Sportdirektor des SC Freiburg, über den Transfermarkt, die Suche nach Spielern und über Talente, die manchmal zu teuer, aber meist zu billig sind.

David Binnig

Seine Zeit ist abgelaufen - denn seit gestern ist die Transferperiode vorbei. Manager Dirk Dufner musste lange suchen, bis er in Japan etwas Passendes fand: einen Stürmer. Dufner, 42 Jahre alt, ist Sportdirektor des SC Freiburg. Das heißt: Er muss mit geringen Mitteln viel erreichen. Ein Gespräch über den Transfermarkt, die Suche nach Spielern - und Talente, die manchmal zu teuer, aber meist zu billig sind.

Dirk Dufner, Sportdirektor des SC Freiburg

Immer auf der Suche - nach bezahlbaren Spielern mit Potential: Dirk Dufner, Sportdirektor des SC Freiburg.

(Foto: imago sportfotodienst)

sueddeutsche.de: Herr Dufner, Sie können sich entspannen, die Transferperiode ist vorbei. Wie haben Sie diese Phase erlebt?

Dufner: Auf die Bundesliga bezogen: mit Staunen. Bei den Zahlen, die man bei den anderen Vereinen so liest, wundert man sich dann doch, dass man in derselben Liga spielt. Bei uns selbst war es in diesem Jahr ein bisschen kompliziert. Trotzdem hat es auch seinen Reiz, mit wenigen Möglichkeiten etwas zu gestalten.

sueddeutsche.de: Mit "kompliziert" meinen Sie die Stürmersuche?

Dufner: Wir haben in dieser Saison etwa 800.000 Euro an Transferausgaben für die Verstärkung des Kaders - das ist das Limit. Darin enthalten sind auch Ausgaben für den Sturm, was die Suche nicht leicht gemacht hat. Beim SC ist es nun mal immer so: Wenn wir Transfererlöse erzielen, können wir die auch ausgeben. Wenn nicht, haben wir eben ein enges Budget.

sueddeutsche.de: Sie wurden schließlich in Japan fündig und holten einen Angreifer namens Kisho Yano.

Dufner: Wir haben den Markt sehr lange sondiert. Man hat Favoriten im Kopf, man geht nach Prioritätslisten vor - und nach dem, was man sich leisten kann. In Deutschland war für uns nichts Adäquates dabei. Wir haben bei großen Vereinen nach jungen, talentierten Stürmern gesucht, aber es hat nicht gepasst. Kisho Yano hatten wir schon länger auf dem Zettel. Er wurde uns bereits vor der WM angeboten. Wir haben ihn dann in Japan beobachtet. Außerdem war er ablösefrei und auch deshalb für uns sehr attraktiv.

sueddeutsche.de: Wie viele Kandidaten standen denn auf ihrem Zettel?

Dufner: Die Personalie Sturm ist am schwierigsten zu besetzen. Wir haben uns mit ungefähr 30 Stürmern beschäftigt. Natürlich verhandelt man dabei mit mehreren Spielern, am Ende haben wir uns dann für Yano entschieden.

sueddeutsche.de: Und wie kommen die Spielernamen überhaupt erst auf den Zettel?

Dufner: Wir konzentrieren uns im Kern auf den heimischen Markt. Unser Scouting-System erfasst den Jugend-, Amateur- und Profibereich in ganz Deutschland, ehe wir uns in Europa und auf anderen Kontinenten umschauen. Natürlich melden sich auch Spielerberater bei uns und ein Netzwerk von Experten, die dem Verein nahe stehen und uns auf neue Spieler aufmerksam machen.

sueddeutsche.de: Also hat auch ein wenig finanzstarker Klub wie der SC Freiburg Scouts.

Dufner: Wir haben zwei hauptberufliche Scouts und mehrere Leute, die auf 400-Euro-Basis arbeiten oder gezielt bestimmte Spieler für uns beobachten. Eine große Scouting-Abteilung könnten wir uns nicht leisten.

sueddeutsche.de: Wann rechnet sich eine Scouting-Abteilung denn?

Dufner: Die rechnet sich, wenn man in der Liga bleibt. Außerdem hilft sie Flops zu vermeiden, die wir uns nicht leisten können. Größere Klubs können das, wenn sie Spieler für zehn Millionen Euro holen, die nach einer Saison wieder weg sind. So etwas wäre für uns ruinös.

"Trotzdem wird gezockt"

sueddeutsche.de: Und wenn Sie schließlich von einem Spieler überzeugt sind, wie lange dauert es dann, bis der Transfer über die Bühne gegangen ist?

Freiburg holt japanischen Stürmer Kisho Yano

Lange gesucht, in Japan bei Albirex Niigata, schließlich gefunden: der neue Stürmer Kisho Yano (links).

(Foto: dpa)

Dufner: Das ist komplett unterschiedlich. Manchmal beobachtet man monatelang und wartet die Entwicklung ab, manchmal geht es aber auch sehr schnell. Man schaut sich die Spieler möglichst live an und sichtet das Material auf DVDs, dann verhandelt man und bringt es zum Abschluss.

sueddeutsche.de: Beschreiben Sie doch bitte einmal, wie eine solche Verhandlung abläuft.

Dufner: Auch da gibt es ganz verschiedene Möglichkeiten. Oft sagt man am Anfang ganz klar, was man bereit ist zu zahlen - was aber nicht heißt, dass nicht trotzdem noch gezockt wird. Oder man wartet ab bis zum Schluss, um den Preis zu drücken. Den Spieler Anton Putsilo haben wir auf diese Weise kurz vorm Transferschluss für 200.000 Euro bekommen. Vor ein paar Wochen wollte sein Klub noch 700.000 für ihn.

sueddeutsche.de: Der SC hat einen der niedrigsten Etats der Liga und spielt in der ersten Liga traditionell gegen den Abstieg. Wie überzeugt man einen Spieler davon, sich trotzdem für Freiburg zu entscheiden?

Dufner: Die Bundesliga ist eine der attraktivsten Ligen der Welt. Der SC kann für die Spieler ein Sprungbrett zu größeren Vereinen sein. Und auch wir zahlen Geld, wenn auch nicht so viel wie andere. Aber Argumente wie früher, als die Schere zwischen reichen und armen Klubs noch nicht so groß war, zählen heute leider nicht mehr. Damals konnte man sagen: Komm zu uns, die Stadt und die Landschaft sind schön, hier hast du deine Ruhe und kannst dich entwickeln. Das zieht nicht mehr, wenn die Gehaltsunterschiede zu groß sind.

sueddeutsche.de: Dreht sich das Transferkarussel heute schneller als früher?

Dufner: Im Ausland haben viele Klubs finanzielle Probleme. Zwar werden für die Top-Spieler immer noch verrückte Summen gezahlt, doch bei durchschnittlichen Spielern gehen die Preise eher runter.

sueddeutsche.de: Doch auch junge, unerfahrene Talente sind heutzutage teuer. Hoffenheim zahlte für den jungen, unerfahrenen Sebastian Rudy vom VfB Stuttgart sechs Millionen Euro Ablöse.

Dufner: Heute gibt es sehr viele deutsche Talente - herausragende wie Sebastian Rudy bringen noch immer sehr viel Geld, für "normale" Talente ist der Markt schwieriger geworden. Da heute jeder Verein gute junge Spieler ausbildet, geht dem traditionellen Ausbildungsverein SC Freiburg ein Vorteil verloren. Wir tun uns schwer, unsere ausgebildeten Spieler adäquat zu verkaufen.

sueddeutsche.de: Der SC Freiburg ist bekannt für seine Fußballschule. Lohnt sich diese Investition noch?

Dufner: Die Fußballschule gehört zu unserer Philosophie. Sie kostet uns etwa drei Millionen Euro im Jahr, das rechnet sich nicht immer. Aber wenn wir die ganzen Spieler, die wir dort ausgebildet haben, kauften müssten, wäre das auch teuer. Unser vordringlichstes Ziel ist es, Talente von dort möglichst in die erste Mannschaft zu bringen. Wenn sie dann bereit sind, den nächsten Schritt zu einem größeren Verein zu gehen, lassen wir sie gegen eine Transferentschädigung ziehen.

Eine absurd niedrige Summe

sueddeutsche.de: Sollte ein Verein wie der SC nicht öfter das Risiko eingehen, viel in junge Spieler zu investieren, um sie später mit großem Gewinn weiter zu verkaufen?

Dufner: Wenn wir solche Risiken eingehen und es geht zweimal schief, wäre das fatal.

sueddeutsche.de: In der vergangenen Saison holte der SC den Stürmer Papiss Cissé, der derzeit mit drei Treffern an der Spitze der Torjägerliste steht. Ein Rekordtransfer.

Dufner: Wir zahlten 1,5 Millionen Euro. Im Ligavergleich ist diese Summe für einen Stürmer absurd niedrig. Für uns ist es aber ein großes Investment. Wir haben Cissé lange und intensiv beobachtet. Einen wie ihn, bei dem man die Gewissheit hat, der hilft einem weiter, den können wir uns normalerweise gar nicht leisten. Wir stehen oft vor dem Problem: Wir müssen Spieler holen, die entweder schon nachgewiesen haben, dass sie gut sind - nur in letzten beiden Jahren nicht, sonst sind sie zu teuer. Oder sie haben noch nicht nachgewiesen, dass sie gut sind, haben aber das Potenzial dazu. Dieses Risiko müssen wir immer eingehen.

sueddeutsche.de: Andere Vereine wie der 1. FC Nürnberg leihen viele Spieler aus. Der SC leiht fast nie. Wieso nicht?

Dufner: Wir haben vor dieser Saison Zvonko Pamic von Leverkusen ausgeliehen. Den Spieler haben wir schon in Kroatien beobachtet. Wir waren sogar vor Bayer dran, konnten ihn uns aber nicht leisten. Es ist eine zweijährige Leihe und einen solchen Spieler haben wir nicht im eigenen Unterbau, deshalb die Ausnahme. Doch grundsätzlich stehe ich Leihen skeptisch gegenüber: Denn man kann keine Transfererlöse erzielen und die Spieler sind nicht an den Verein gebunden.

sueddeutsche.de: Was muss der SC tun, um keine Fahrstuhl-Mannschaft mehr zu sein?

Dufner: Ohne ein modernes Stadion mit allen Vermarktungsmöglichkeiten halte ich das fast für ausgeschlossen. Selbst in der zweiten Liga gibt es sechs bis acht Vereine, die bessere Voraussetzungen haben, dauerhaft in der ersten Liga zu spielen. Mit diesem Thema müssen wir uns intensiv auseinander setzen.

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