Süddeutsche Zeitung

Transfer zu Manchester City:Sanés Abschied erschüttert Schalke nur peripher

Der Wechsel von Nationalspieler Leroy Sané zu Pep Guardiola und ManCity scheint ein unaufhaltsamer Prozess zu sein - Schalke freut sich auf ein Rekordgeschäft.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Während der Europameisterschaft hätte Leroy Sané zwar beinahe (Fußball-)Weltgeschichte geschrieben, als er circa dreieinhalb Sekunden nach seiner Einwechslung mit seiner ersten Ballberührung lediglich um eine Winzigkeit das Anschlusstor gegen Frankreich verfehlte. Ansonsten ist das Turnier für den 20 Jahre alten Flügelstürmer aber nicht so gelaufen, wie er sich das gewünscht hatte. Bis zum Halbfinale in Marseille musste er auf den ersten Einsatz warten. Nicht immer konnte er verbergen, dass die unerfüllten Hoffnungen auf die Stimmung drückten.

Dass der Bundestrainer keine Gelegenheit fand, den Angreifer früher ins deutsche Spiel zu bringen, ändert nichts daran, dass Sané auf dem Transfermarkt die erste Wahl darstellt. Zwar ist er erst vor anderthalb Jahren aus der A-Juniorenliga hochgezogen worden, seitdem hat er aber in seinen Auftritten für Schalke 04 den Spekulationstrieb der großen Vereine in Europa geweckt. Besonders Vertreter der englischen Liga nahmen die Spur auf, auch der FC Bayern brachte sich mehr oder weniger diskret in Position.

Wie das so üblich ist, wandten sie sich dazu nicht an Schalkes Geschäftsstelle in Gelsenkirchen (auch wenn das Fifa-Statuten immer noch vorsehen), sondern an Sanés Berater, zu denen außer den ehemaligen Profis Jürgen Milewski und Jens Jeremies (früher FC Bayern) auch sein Vater Souleymane gehört. Jetzt berichtet die Bild, dass Sané mit einem ausländischen Interessenten Übereinkunft über die Zeichnung eines Vier-Jahres-Vertrages erzielt habe. Dieser Interessent soll, was Kenner nicht überrascht, Manchester City sein.

Dessen neuer Trainer Pep Guardiola, so viel steht fest, hat großen Gefallen am schnellen Schalker. Nach Sanés Heimkehr aus Frankreich soll er den Flügelstürmer zu einem persönlichen Gespräch empfangen haben. Guardiolas Einfluss auf junge wie erfahrene Fußballer und seine Überzeugungskunst sind bekannt. Ein offizielles Angebot aus Manchester liegt nach Angaben von Schalkes neuem Sportchef Christian Heidel nicht vor. Das kann Verhandlungspolitik sein - oder auch nicht.

Der gängige Weg bei solchen Transfers ist, dass der Verein Einigung mit dem Spieler beziehungsweise dessen Interessenvertretern herstellt. Sollte das jetzt tatsächlich geschehen sein, was bei allen berechtigten Vorbehalten gegenüber solchen "Nachrichten" nicht unwahrscheinlich ist, dann darf Heidel in Bälde mit einem Gesprächsangebot aus England rechnen.

Die Schalker Anhänger nehmen den Verkauf des in der Nachwuchsschule aufgezogenen Spielers als unaufhaltsamen Prozess wahr. Es geht seit Langem nicht mehr darum, ob Sané seinen Klub aus Kindertagen verlässt, sondern lediglich, wann und mit welchem Ziel. Emotionale Erschütterungen des Publikums sind nicht zu erwarten. Dass Profis gegen Geld den Verein wechselten, das war schon vor 50 Jahren Normalität.

Nun aber wird der Transfermarkt um den gesteigerten Börsenfaktor bereichert, talentierte Spieler werden als Wertpapiere betrachtet, und nicht wenige Fans fangen an, gewinnreiche Erlöse für ihre Spieler mit ähnlicher Genugtuung aufzunehmen, wie sie sich über Tore ihrer Mannschaft auf dem Spielfeld freuen.

Sané wird, gemessen an den im Sommer 2016 gehandelten Summen, für Schalke 04 ein Rekordgeschäft werden. Mit einer Summe jenseits von 50, womöglich jenseits von 60 Millionen Euro ist zu rechnen. Der Vertrag des Angreifers gilt bis 2019 und wird erst im kommenden Sommer durch eine Ausstiegsklausel beschränkt. Derzeit ist die Transferentschädigung also frei zu verhandeln. Im vorigen Sommer vereinnahmte Schalke für Julian Draxler rund 36 Millionen Euro, der Betrag kann auf 40 Millionen Euro steigen, auch durch eine Beteiligung am Weiterverkauf.

Dass Schalke beim Erwerb des Schweizer Nationalspielers Breel Embolo ebenfalls eine Rekordsumme investiert hat, ist auch im Zusammenhang mit dem mutmaßlich anstehenden Verkauf von Leroy Sané zu sehen. Am 19 Jahre alten Angreifer Embolo war auch RB Leipzig interessiert, konnte sich aber zunächst mit dem FC Basel nicht über die Kaufsumme einigen.

Der vom FC Basel geholte Breel Embolo startet ins Training

Als (neben anderen Vereinen) Schalke in den Wettstreit um den talentierten Spieler eintrat, stieg Leipzig aus den Verhandlungen aus. Von einem Preis deutlich jenseits der 20 Millionen Euro ist die Rede - plus hohen Bonuszahlungen. Viel Geld für einen Verein, der sich unverändert die Konsolidierung und den Abbau des mehr als 140 Millionen Euro betragenden Schuldenstands zum primären Ziel gesetzt hat.

Andererseits ist dieses teure Geschäft wohl als Vorschussgeschäft zu sehen. Embolo ist ein junger, längst nicht fertiger, aber recht weit entwickelter Spieler, ähnlich wie Sané. Er steigt in Kürze in die Saisonvorbereitung mit Schalke ein, am Mittwoch war er Zeuge des 9:1-Testspielsiegs in Rheine, an diesem Freitag präsentiert er sich in Gelsenkirchen der Presse. Hätte Schalke zunächst die Millionen für Sané eingesammelt, um dann den Kauf eines halbwegs adäquaten Ersatzmanns anzugehen, wäre der Ersatzmann zwangsläufig teurer geworden. Abgesehen davon, dass Embolo dann in Leipzig oder London spielen würde.

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Quelle:
SZ vom 15.07.2016
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