Süddeutsche Zeitung

Trainingslager in Katar:Sammer schwört den FC Bayern ein

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Von Benedikt Warmbrunn, Doha

Schwer hängt der Wüstendunst über der Aspire Academy in Doha, eine Stahlskyline aus Flutlichtmasten und Baukränen ragt in ihn hinein, auch die Sonne setzt sich blässlich durch. Matthias Sammer hat sich daher gleich am Vormittag mit Sonnencreme eingeschmiert, "50 plus ist drauf", erzählt er am Mittag, "deswegen hoffe ich, dass alles gut geht". Auf zusätzlichen kosmetischen Schnickschnack hat er verzichtet, einen Anti-Aging-Effekt zum Beispiel habe seine Sonnencreme nicht, "Anti Aging", sagt der Sportvorstand, 48, "ist beim FC Bayern ohnehin zwecklos".

Bei diesem hohen Lichtschutzfaktor darf nun durchaus davon ausgegangen werden, dass Sammer mittags einen klaren Kopf hat, als er zu den Journalisten spricht. Er hat ja ein Anliegen mitgebracht, "eine Hauptmessage", auch im katarischen Winter zieht Sammer seine Denkweise konsequent durch. Er ist also zu den Journalisten gekommen, um zu mahnen, weil er eine Gefahr sieht, und dass diese Gefahr sonst niemand sieht, ist für ihn nur ein Grund, umso lauter zu mahnen.

Der Denker Sammer ist ein Meister des antizyklischen Denkens, nach Niederlagen sieht er das Gute, in einer Siegesserie warnt er vor dem Ende des Guten, und so hat er auch in diesem Trainingslager des FC Bayern in Doha einige Punkte gefunden, die ihn nun zu einer gut halbstündigen Mahnwahnrede treiben. Acht Punkte Vorsprung hat die Mannschaft in der Tabelle der Fußball-Bundesliga, sie hat in DFB-Pokal und Champions League noch alle Chancen, selbst den anstehenden Trainerwechsel von Pep Guardiola zu Carlo Ancelotti hat der Klub reibungslos verkündet.

Trainer Guardiola selbst hat zudem gesagt, dass er weiter hoch motiviert sei, die Spieler sagen, dass sie weiter hoch motiviert seien. Also sagt Sammer: "Aber was dabei rauskommt, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass nichts herauskommt, wenn der Kopf nicht zu hundert Prozent da ist." Also sagt er: "Bevor die Beine anfangen zu arbeiten, gehört da der Kopf dazu." Also sagt er: "Da oben ist die Luft sehr dünn, und da hat das falsche Gerät, der falsche Anschluss schon katastrophale Auswirkungen."

Seine Warnungen belegt Sammer sogar mit zwei überraschend einleuchtenden Beispielen, es sind Beispiele aus den vergangenen beiden Wintern des FC Bayern. Da startete die Mannschaft nach der Pause jeweils mit einer deutlichen Niederlage, überlistet von einer cleveren Taktik des Gegners. "Einmal", sagt Sammer, "war es zum Glück Salzburg", also nur ein Testspiel. Das vergangene Mal allerdings war es in der Bundesliga, beim 1:4 in Wolfsburg.

Auch in diesem Januar hat der FC Bayern wieder zwei dieser Möglichkeiten, die erste ist ein Testspiel am 16. Januar in Karlsruhe, die andere der Rückrunden-Auftakt am Freitag darauf beim Hamburger SV. Für Sammer sind das zwei Möglichkeiten zu viel, er sagt also noch einmal: "Hier geht es ja nur um Millimeter, um Prozentpunkte. Sonst kann es katastrophal ausgehen."

Und so geht das immer weiter am Donnerstag, dass Sammer noch nicht in einer Nebenwelt der Mahner und Warner verschwunden ist, zeigt er allein durch eine Bitte: "Ich möchte, dass keiner erzählt: Was erzählt der denn für einen Blödsinn." Er sagt auch: "Ich bin nicht perfekt. Aber ich weiß ein bisschen, wie Sport funktioniert und wie man sich vorbereiten muss."

Vermutlich hätte sich der Sportvorstand in diesen Mahnungen verloren, gäbe es nicht ein paar Themen aus der Gegenwart, die besprochen werden mussten. So bestätigt Sammer, dass Sinan Kurt, Gianluca Gaudino und Jan Kirchhoff in der Rückrunde nicht mehr zur Mannschaft gehören werden, wobei er das nicht so deutlich sagt.

Er sagt: "Es sind Gespräche dabei, die geführt werden." Bei Kurt wurden sie sogar zu Ende geführt, er unterschreibt bei Hertha BSC bis 2019. Sammer versichert am Mittag, dass der FC Bayern eine Rückkaufoption vereinbaren werde, auch bei Gaudino, der vor einem Wechsel zu St. Gallen stehen soll. Kirchhoff, das bestätigt der FC Bayern am Donnerstagabend, wechselt fest zum FC Sunderland, mit einem Vertrag bis 2017, ohne Rückkaufoption.

Auf Kirchhoff kann Sammer auch verzichten, weil sich die Verletztensituation entspannt. Douglas Costa und Juan Bernat trainieren wieder, David Alaba kehrt in ein paar Tagen zurück, Arjen Robben wohl auch, Mario Götze trainiert im Kraftraum, Franck Ribéry und Medhi Benatia laufen. Dass all diese Spieler zurückkehren ist für Sammer wichtig, um in der Champions League bessere Chancen zu haben, wobei er auch das natürlich nicht so deutlich sagt.

2013, beim Gewinn der Champions League, habe er "nicht einmal davon gesprochen, die Champions League zu gewinnen", also spricht er auch am Donnerstag nicht darüber, die Champions League zu gewinnen. Er sagt lieber: "Die Champions League kommt zu dir. Die Champions League gewinnst du, wenn das Momentum passt. Und wenn du alle Spieler hast."

Schließlich ist Sammers Zeit für die Journalisten vorbei. Aber ob nun alles gut wird oder eben nicht, das weiß nicht einmal er. "Ich bin nur für die Botschaft verantwortlich und nicht unbedingt Messias, um alles voraussehen zu können."

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SZ vom 08.01.2016
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