Trainingslager des FC Bayern:Bemüht ums Feingefühl

Bayern Muenchen - Doha Training Camp Day 1

Pep Guardiola: Zur Vorbereitung in Doha

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Trainer Guardiola wacht im Trainingslager in Doha akribisch darüber, dass sich der FC Bayern gewissenhaft auf die Rückrunde vorbereitet - und verteilt fleißig Liebesbotschaften. Auf den Gemütszustand von Stürmer Mario Mandzukic achtet er besonders.

Von Philipp Selldorf, Doha

Mario Mandzukic steht im Regen. Das hat in diesem Moment aber nichts damit zu tun, dass der FC Bayern am Wochenende die längst bekannte Nachricht bekannt gemacht hat, im nächsten Sommer Robert Lewandowski in die Gemeinde aufzunehmen, sondern es liegt daran, dass es tatsächlich ziemlich ergiebig regnet am Persischen Golf, und dass Mandzukic während dieser Übung beim Vormittagstraining irgendwie an den Rand geraten ist.

Auf dem Programm steht eine technische Kurzpassübung. Es geht um schnelle Zuspiele und schnelle Ballgewinne ohne Körpereinsatz, und Mandzukic gehört nicht zu denjenigen, die an dieser relativ filigranen Lektion Freude haben. Toni Kroos zieht magisch die Bälle an, Thomas Müller lässt alle an seiner guten Laune teilhaben, und selbst der Torwart Manuel Neuer und der Lehrling Mitchell Weiser finden ihr Vergnügen am Spiel. Mandzukic aber steht am Rande und schaut verdrossen drein, bis der Muezzin zum Gebet ruft und das Training vorbei ist. Wobei, um genau zu sein, nicht der Muezzin das Training beendet hat, sondern Pep Guardiola, indem er nahezu synchron und sehr energisch seine Trillerpfiffe benutzte.

Darüber hinaus lässt sich vermuten, dass Mandzukic nicht besonders begeistert ist von der Tatsache, dass demnächst ein weiterer Mittelstürmer das Münchner Fünf-Sterne-Aufgebot bereichern wird. Der 27-jährige Torjäger und Nahkämpfer hat sich während der anderthalb Jahre beim FC Bayern ein respektables Ansehen verschafft, aber er kann sich schon jetzt nicht sicher sein, wie weit dieses Ansehen bei seinem anspruchsvollen Trainer reicht, der keine natürliche Vorliebe für Mittelstürmer besitzt.

Und erst recht weiß Mandzukic nicht, wie es um seine Geltung bestellt sein wird, wenn ihm bald auch noch Robert Lewandowski Konkurrenz macht. Nichts ist daher normaler als die Meldungen von der Gerüchtebörse, dass sich unter anderem Juventus Turin und der FC Arsenal für den womöglich bald überzähligen und somit vielleicht preisgünstigeren Bayern-Profi interessieren sollen.

Und ebenso entspricht es den Gepflogenheiten des großen Fußballgeschäfts, dass der Manager des kroatischen Angreifers umgehend verlauten ließ, sein Mandant sehe keinen Anlass, wegen Lewandowski den FC Bayern verlassen zu wollen. Während wiederum der Münchner Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge seine Pflicht tat und hochoffiziell über den hauseigenen Fernsehsender proklamierte: "Es ist kein Thema bei uns, dass wir Mario abgeben werden. Grundsätzlich sind wir mit ihm sehr zufrieden." Deshalb sei der Klub "durchaus bereit, wenn das gewünscht ist", über eine Verlängerung des bis 2016 laufenden Vertrages "nachzudenken".

"I'm in love with Arjen"

Wie hoch der Stand der gegenseitigen Zufriedenheit im Sommer sein wird, darüber darf nun monatelang spekuliert und geklatscht werden, für Pep Guardiola sind solche Mutmaßungen verständlicherweise kein Thema, sie sind ganz einfach irrelevant für ihn. Guardiola sieht sich ausschließlich für die Gegenwart des FC Bayern zuständig, und die hat derzeit ihren Schauplatz im Hotel "Grand Heritage" im Wüstenkleinstaat Doha.

Das Grand Heritage ist ungefähr einem französischen Landadelssitz aus dem frühen 18. Jahrhundert nachempfunden und liegt am Rande der viele, viele Hektar umfassenden Liegenschaften der "Aspire"-Sportakademie, deren Ausstattung durch den Begriff "luxuriös" schwach beschrieben ist. Hier wacht der spanische Trainer darüber, dass seine Spieler sich gewissenhaft auf die Rückrunde vorbereiten. Denn Guardiola ist besorgt: Zuletzt habe man "zu viele Konter zugelassen", findet er, und wenn nun inklusive der Bayern-Chefs Kalle Rummenigge und Uli Hoeneß alle davon sprechen, dass seine Mannschaft die beste der Welt sei, dann macht ihm das nur noch mehr Sorgen: "Ich verstehe die Leute", räumt Guardiola zwar gnädig ein, "aber ich bin Trainer, und die beste Mannschaft der Welt kann schon morgen verlieren."

Letzteres meint er wohl nicht wörtlich, denn es müsste doch einiges passieren, damit die Bayern am Mittwoch den Test gegen den sudanesischen Klub Al-Merrikh SC verlieren. Auf ein Testmatch gegen den ebenfalls auf dem Aspire-Gelände logierenden FC Schalke 04 hatten die Münchner verzichtet, wie der Schalker Manager Horst Heldt berichtete, wobei er fairerweise einräumte: "Ich glaube nicht, dass sie Angst vor uns haben." Vor einem Jahr gewannen die Bayern an gleicher Stelle gegen Schalke, und zwar 5:0, was den just zum Trainer berufenen Jens Keller in einen Notstand versetzte, der bis zum heutigen Tag kaum nachgelassen hat. Sein jüngster Notfall ist der Zugang Jan Kirchhoff, den Kollege Guardiola für überzählig hielt und der sich schon im zweiten Training eine ernste Bänderverletzung zuzog.

Guardiola hingegen hat in München noch keine Not erlebt, und damit das so bleibt, hat er am Montag die Aussage verweigert, als er auf Deutsch, auf Englisch und auf Arabisch zur Neuerwerbung Lewandowski befragt wurde. Er berief sich dabei auf Moral und Anstand, es sei "nicht korrekt für meine Spieler, für Borussia Dortmund und für Jürgen Klopp, über Lewandowski zu sprechen", sagte er.

Mindestens so sehr wie ums Feingefühl ist der Trainer aber auch um die Stimmung seines aktuellen Mittelstürmers bemüht, und der heißt immer noch Mandzukic, nicht Lewandowski. Mandzukic sei "ein starker Typ", lobte Guardiola, "er war sehr wichtig in meiner Periode". Unter anderem beruht die Wertschätzung auf zehn Bundesliga- und zwei Champions-League-Treffern, die dem Angreifer in dieser Saison gelungen sind, und Guardiola erwartet in Kürze weitere Rendite, weshalb er am Montag ein bisschen in die Vereinspolitik eingriff, indem er im Befehlston feststellte: "Mario hat einen Vertrag, und er bleibt hier!"

Ansonsten nur Lob und gute Worte für alles und jeden. Für Bastian Schweinsteiger, der sich durch Dauerläufe fürs Comeback nach der Knöchelverletzung präpariert ("es ist sehr wichtig für mich, dass der zweite Kapitän hier ist"); für die Trainingsverhältnisse ("super-perfekt"); und ganz besonders für Franck Ribéry ("es ist eine Ehre, sein Trainer zu sein") und Arjen Robben ("I'm in love with Arjen"). Und beim Nachmittagstraining sah man dann auch Mandzukic wieder lachen. Obwohl es schon wieder regnete am Persischen Golf.

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