Trainingsauftakt beim BVB:Der Pasta-Bote kommt nicht mehr

  • Trainingsauftakt in Dortmund: Eine weitere Saison im Niemandsland der Tabelle will der BVB unter dem neuen Trainer Thomas Tuchel unbedingt vermeiden.
  • Der Klopp-Nachfolger beginnt mit ersten Arbeiten am Ernährungsplan, der Italiener Toni liefert vorerst nicht mehr.
  • Der Kader ist noch zu groß, Verkaufskandidaten sind aber schwierig zu finden.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Der erste Tag nach den Ferien: Alle sind braungebrannt, der Flachs blüht - und der neue Lehrer kommt mit neuen Methoden. Thomas Tuchel ist zum ersten Schultag mit Borussia Dortmunds Spielern ins Labor für Leistungsdiagnostik an der Ruhr Universität von Bochum gegangen. Laktattests, Atemgasuntersuchungen, Körperfettbestimmung nach dem Impedanzverfahren, Herzfrequenzanalysen im Stufentest. Dem Italiener Toni, der bisher regelmäßig Pasta und andere Dinge des Stoffwechsel-Teufels als Mittagessen ins BVB-Trainingsgelände lieferte, wurde vorerst komplett abgesagt.

Am Tag danach, am Dienstag, durfte dann aber auch bei Dortmunds neuem Trainer Tuchel wieder mit dem Ball gespielt werden. Dessen Vorgänger Jürgen Klopp, der die vergangenen sieben BVB-Jahre zu einer Ära verdichtet hatte, ist zwar studierter Sportwissenschaftler, aber von der asketisch-mathematischen Haltung des studierten Betriebswirts Tuchel wohl so weit entfernt wie der Barock- vom Bauhaus-Stil. Daran werden sich die Profis, von denen einige kaum einen anderen Trainer hatten als Klopp, gewöhnen müssen.

Sollte der Italiener Ciro Immobile den Trainer überzeugen, wird auch er beim BVB bleiben

Vor dem ersten Training soll BVB-Boss Hans-Joachim Watzke der Mannschaft die deutliche Ansage gemacht haben, dass von ihr ab sofort wieder mehr erwartet wird als ein mühsam errungener Europa-League-Startplatz. Der luxuriös bezahlte Kader ist darauf ausgerichtet, Bayern-Herausforderer zu sein. Eine weitere Saison im Niemandsland der Bundesliga ist nicht eingeplant. Wem der Auftakt im Uni-Labor und die inzwischen auffällig hagere Gestalt des neuen Trainers noch nicht verdeutlicht hatte, dass der kühle Hauch von Konkurrenzdruck zurückkehrt, dem dürfte Watzke informell den Rest gegeben haben.

"In der Rückrunde", sagt Watzke, "haben wir gesehen, dass wir eine gute Mannschaft haben. Da müssen wir weitermachen." Allzu laut wollen sie es in Dortmund nicht sagen, aber alles unterhalb der Champions-League-Qualifikation wäre dem BVB, der auch in der separaten Rückrunden-Tabelle nur auf Platz fünf rangierte, für die kommende Saison zu wenig. Auswahl hat Tuchel genug, auch wenn beim Trainingsauftakt einige fehlten: Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang bekam eine Woche Zusatzurlaub, weil er noch mit Gabuns Nationalelf unterwegs war, Shinji Kagawa stößt erst kommenden Montag in Tokio zum BVB-Tross, der dort sowie in Malaysia und Singapur ein etwas skurriles Trainingslager mit zwei Testspielen absolviert. Nuri Sahin, Adrian Ramos und Kevin Großkreutz sind bis Ende August mit Verletzungen außer Gefecht, ebenso der aus Mainz zurückgekehrte Jonas Hofmann.

Sportchef Michael Zorc macht keinen Hehl daraus, dass er den Kader für zu groß hält. In Torwart Mitch Langerak, der zum VfB Stuttgart geht, ist ein Profi verkauft. Für Milos Jojic, der nach gutem Start bei Klopp nicht mehr zum Zuge kam, interessiert sich offenbar der 1. FC Köln. Auch der zuletzt an den VfB Stuttgart ausgeliehene Moritz Leitner oder der im Winter für zwölf Millionen Euro notverpflichtete Kevin Kampl könnten Kandidaten sein. Konkrete Angebote für Matthias Ginter, den Mönchengladbach mit einem Stammplatz lockte, und für Sokratis, für den Wolfsburgs Manager Klaus Allofs eine zweistellige Ablöse geboten haben soll, hat Dortmund hingegen abgelehnt. Für Ciro Immobile gab es bisher angeblich keine konkreten Angebote. Nur in Italien ist täglich zu lesen, dass dem Nationalstürmer die zahlungskräftigere Hälfte der Serie A auf den Fersen sei. Sollte Immobile allerdings Tuchel überzeugen, lässt der BVB ihn nicht ziehen. Trotz der verlockenden Ablöse und der spürbaren Entlastung des Gehalts-Etats, die Immobile eigentlich zum idealen Verkaufskandidaten machen.

Gündogans Verbleib ist fast entschieden

Fast entschieden zu sein scheint, dass Ilkay Gündogan beim BVB bleibt. Berater und Onkel Ilhan Gündogan hatte vorige Woche berichtet, dass der Spielmacher die Ideen von Tuchel "spannend" fände. In Dortmund bleiben kann Gündogan aber nach internen Absprachen nur, wenn er seinen bisher bis 2016 laufenden Vertrag verlängert. Das scheint sich nun anzudeuten, trotzdem wird die Verlängerung wohl erneut nur für ein Jahr vereinbart werden. Man hört, dass der Nationalspieler Offerten von Paris St. Germain und Manchester United ausgeschlagen haben soll, mit jeweils zweistelligen Jahresgehältern.

Doch für Gündogan scheint die Perspektive verengt zu sein auf Dortmund - oder auf die prominenten Adressen Barcelona, Real Madrid und FC Bayern. Die Perspektive, zu einem Klub aus diesem Trio vielleicht im Sommer 2016 zu wechseln, will sich Gündogan womöglich offen halten. Für den BVB könnte das dennoch ein gutes Geschäft sein, denn mit mehr Anlaufzeit dürfte Gündogan, 24, nächstes Jahr eher eine Ablöse von mindestens 20 Millionen Euro einbringen - oder eben doch endlich langfristig verlängern. Sportchef Zorc jedenfalls scheint den Unmut vieler BVB-Fans über den Berufsfußballer Gündogan deshalb nicht zu teilen. Er hält es für "attraktiv", wenn der Stratege zumindest eine weitere Saison bleibt und im BVB-Trikot seinen Marktwert steigert.

Bis dahin, hoffen sie in Dortmund, könnte der eine oder andere aus dem Pulk der 17-jährigen Talente halbwegs in Gündogans Fußstapfen passen. Felix Passlack oder Dzenis Burnic sollen in dieser Saison sporadisch mit den Großen trainieren. Auch Julian Weigl, 19, der von 1860 München kam, gilt als strategische Begabung. Kann aber auch sein, dass Gonzalo Castro, der aus Leverkusen kam und nach Statistiken die emsigste Mittelfeldkraft der abgelaufenen Rückrunde war, bei Tuchel bessere Karten hat als Gündogan. Allzu viele Rücksichten auf Erbhöfe dürfte es beim neuen Trainer nicht mehr geben. Weder bei der Pasta, noch bei der Aufstellung.

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