Ohne auffallende Mimik schritt Reiner Maurer die Treppen der Geschäftsstelle hinab, es war Samstagfrüh, der Tag nach dem 0:2 des TSV 1860 München gegen den 1. FC Köln. Detailliert wie gewohnt analysierte der 52-Jährige die zweite Heimpleite hintereinander, die, wie sich erweisen sollte, die berühmte eine Niederlage zu viel gewesen war. "Wenn man nicht erfolgreich ist, verstehe ich den Frust der Fans", sagte er gefasst, angesprochen auf die Pfiffe und "Maurer-raus"-Rufe, die er nach einer schwachen Partie beider Teams vernehmen musste. Dann stieg er ins Auto, um sich die Partie des nächsten Gegners Paderborn in Aalen anzusehen.
Maurer, das kann keiner bestreiten und das tut auch keiner im Klub, hat stets korrekt seine Arbeit verrichtet. Er war der Akribische, und er war jene Kraft, die die Mannschaft mit kühlem Kopf seit 2010 durch vereinspolitisch turbulente Zeiten führte. Und doch hätte er sich diese Fahrt natürlich sparen können. Nach einem quälend langen Tag voller Besprechungen und umherschwirrender Gerüchte, die sich in der hysterischen Welt des Internets alsbald in unbestätigte Vollzugsmeldungen verwandelten, entschied sich die Klubführung, den Mindelheimer, der selbst einst als Sechziger aufgelaufen und bereits von 2004 bis 2006 Trainer beim TSV war, zum zweiten Mal zu beurlauben. Vorerst wählt der Klub die kleine Lösung: Alexander Schmidt vom Regionalliga-Team übernimmt.
Der Aufrücker auf Bewährung, ein Augsburger und seit elf Jahren bei 1860 im Nachwuchs aktiv, wurde am Sonntag mit viel Vorschusslorbeeren präsentiert. Notwendig wurde die personelle Korrektur, weil "die Entwicklung nicht so war, wie wir uns das vorgestellt haben", erklärte Geschäftsführer Robert Schäfer, "irgendwann gibt es einen Punkt, an dem die Mannschaft neue Impulse braucht". Achter sind die Löwen in der zweiten Liga, von den letzten sechs Spielen verlor der TSV vier, die Momentaufnahme klingt nicht rosig.
Jedenfalls nicht hier, auf Giesings Höhen. Denn auch wenn die Sechziger froh sein können, überhaupt noch im Profifußball zu sein, da sie im vergangenen Jahr finanziell fast kollabierten, sind die Ansprüche keineswegs gesunken. Das hat besonders mit dem Einstieg des arabischen Geschäftsmanns Hasan Ismaik zu tun, der 49 Prozent der Anteile hält, über seinen gewieften Münchner Statthalter Hamada Iraki das Tagesgeschäft kontrolliert und bei einer Pressekonferenz davon sprach, man wolle wie der FC Barcelona werden. Stattliche Nahrung war das für die Phantasie der Löwen-Fans, die vor dieser Saison - wie in der Saison zuvor - über einen Dreijahresplan des Klubs unterrichtet wurden. Spätestens 2015 solle der TSV erstklassig sein.
Dass sich der Investor aus dem Mittleren Osten bis heute kaum blicken lässt und der Verein nur dank eines Millionen-Darlehens von der Investorenseite neue Spieler holen konnte, tut der allgemeinen Erwartungshaltung im Klub und unter den meisten Anhängern keinen Abbruch. Wie die Löwen-Welt funktioniert, zeigte das Wochenende. Englands früherer Nationalcoach Sven-Göran Eriksson sah sich auf Einladung des bestens vernetzten Investmentbankers Iraki die Partie der Münchner gegen Köln an.
Selbstverständlich folgten die Schlagzeilen, dass der Schwede ein möglicher Nachfolger Maurers sei ( Bild: "Löwen scharf auf den geilen Sven!"), und dementiert wurde auch erst mal nichts. Als ob die Sechziger, die sich Maurer als Billiglösung hielten und die vor wenigen Monaten gar Teilzeitkräfte wegen des Spardrucks entließen, sich Eriksson leisten könnten. Schäfer sagte daher etwas Vernünftiges, als er betonte: Bei Männern mit dem Weltruf wie dem von Eriksson gehe es "um ein Volumen, das wir unter den gegebenen Bedingungen nicht stemmen können".
Dass Erikssons Besuch "die Attraktivität der Löwen in diesem Jahr" belegt, wie der Geschäftsführer ergänzte, darf man wiederum als netten Versuch werten, aus dem Ganzen etwas Eigen-PR mitzunehmen, die die Sechziger dringend benötigen. Schließlich haben sie ja gerade ihren Trainer entlassen, weil die Mannschaft seit Wochen nicht attraktiv agiert. "Die Spielleistung, neben der Punkteleistung, war so, dass sie uns Sorgen macht", räumte der Sportliche Leiter Florian Hinterberger ein, der selbst froh sein dürfte, noch im Amt zu sein.
Der gebürtige Regensburger, früher auch ein Löwen-Profi, war neben Maurer und Schäfer maßgeblich an der Zusammenstellung des Kaders beteiligt, in dem vor allem die Zugänge bisher blass blieben. Der Argentinier Ismael Blanco saß zuletzt nicht mal auf der Bank, auch andere wie der Kroate Marin Tomasov oder der Grieche Grigoris Makos, der gegen Köln mit Gelb-Rot vom Platz flog, enttäuschen.
"Bei mir steckt keiner in einer Schublade", versprach der neue Trainer Schmidt nun, und Schäfer versicherte: "Alexander Schmidt ist keine Zwischenlösung. Er wird die Chance nutzen." Viel Zeit hat der Beförderte nicht. Bis zur Winterpause, wenn die Klubführung die nächste Bilanz zieht, stehen nur sechs Spiele an, und Verstärkungen sind laut Schäfer nicht geplant.