Trainerwechsel bei Hertha BSC:Sturkopf mit blauem Blut

Lesezeit: 2 min

  • Jos Luhukay ist weg, der neue Trainer schon da: Pál Dárdai soll Hertha BSC vor dem Abstieg retten.
  • In seinem erstem Auftritt kündigt der Ungar an, womit die Hauptstadt rechnen muss. Und dass er gleichzeitig Nationaltrainer Ungarns bleiben will.
  • Hier geht's zur Tabelle der Fußball-Bundesliga

Von Thomas Hummel

Wie wenig gerade bei Hertha BSC funktioniert, musste Michael Preetz auch auf dieser Pressekonferenz erfahren. Der Geschäftsführer Sport sprach seine im Kopf schon vorgeformten Worte in ein Mikrofon - aber es funktionierte nicht. Auch beim zweiten Versuch verstanden ihn nicht alle. Also musste er mit seinem Pressesprecher umständlich die Plätze tauschen, um endlich gehört zu werden.

"Wir haben eine lange Nacht hinter uns, haben noch mal alles auf uns einwirken lassen", sagte er schließlich. "Heute Morgen haben wir uns nochmal zusammengesetzt und sind zu dem Entschluss gekommen, uns von Trainer Jos Luhukay sowie den Assistenten Markus Gellhaus und Rob Reekers zu trennen."

Den Nachfolger hatte er schon am Mittwochabend angerufen - vermutlich nach dem Spiel gegen Bayer Leverkusen. Das zumindest erklärte Pál Dárdai, der Angerufene. Er habe nicht lange überlegt, sagte Dárdai, er sei überzeugt, dass die Mannschaft das Potenzial habe für einen besseren Tabellenplatz. Der 38 Jahre alte Ungar, Rekordspieler der Berliner, übernimmt die Mannschaft zusammen mit seinem künftigen Assistenten Rainer Widmayer. "Bis auf Weiteres", wie Hertha mitteilte.

Ausschlaggebend für die Freistellung von Luhukay war wohl neben der anhaltenden Erfolglosigkeit und dem Absturz auf Rang 17 das angespannte Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft. Luhukay führte als Chef mit viel Druck. Viele seiner taktischen Maßnahmen griffen aber nicht mehr, die oft kritisierten Profis verloren das Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Dabei war der Niederländer einst der gefeierte Retter, als er den Klub 2013 zurück in die Bundesliga führte. Doch schon in der Rückrunde der vergangenen Saison ging es bergab, das setzte sich nun fort. Nur vier Punkte aus den letzten sieben Spielen und die düsteren Erinnerungen an die Abstiege 2010 und 2012 ließen die Verantwortlichen nun handeln.

Dárdai führte sich am Donnerstagnachmittag mit ein paar handfesten Parolen ein. "Jeder, der mich kennt, weiß: Ich werde bis zum Tod arbeiten hier, dass wir das so schnell wie möglich schaffen", sagte er auf der Pressekonferenz. Er meinte den Klassenerhalt. Er habe immer seine Ziele erreicht, er sei ein Sturkopf, sehr ehrlich. Deshalb sei er vielleicht manchmal auch ein unangenehmer Mensch.

Seine Anstellung ist eine wohl einmalige Geschichte in der Fußball-Bundesliga. Denn Dárdai arbeitet derzeit auch als Trainer der ungarischen Nationalmannschaft. "Das ist eine Ehrensache. Für mich ist auch Ungarn wichtig. Hertha aber ist sehr, sehr wichtig", sagte er und führte blumig aus: "Wenn ich ehrlich bin, bin ich Herthaner, Berliner, habe blaues Blut. Aber Ungarn trage ich in meinem Herzen."

Geschäftsführer Preetz warf ein, dass der Verein mit dem ungarischen Verband das Gespräch in der nächsten Woche suchen und die Detailfragen abstimmen werde. Doch nicht nur, dass Dárdai bisweilen die Nationalmannschaft in der EM-Qualifikation betreuen muss, er geht auch noch "zur Schule", wie er es nannte. Er macht noch seinen Trainerschein. Deshalb verpflichteten die Herthaner den 47-jährigen Widmayer. Der hatte schon als Assistenztrainer von Markus Babbel für Hertha gearbeitet und den Klub im Dezember 2011 für drei Tage als Interims-Chefcoach geführt. "Wenn ich dann vielleicht mal einen Tag nicht hier bin, dann haben wir einen sehr erfahrenen Trainer hier", folgerte Dárdai, der selbst unter Widmayer gespielt hatte.

Preetz führte aus, wie schnell sich Widmayer zu dem neuen Job entschließen musste. Als die beiden telefonierten, habe ihn Widmayer gefragt, wie lange er Zeit habe, sich das überlegen. Preetz: "Ich habe gesagt: zehn Minuten. Er sagte: Eine Stunde wäre vielleicht nicht schlecht. Aber er hat mich nach fünf Minuten schon zurückgerufen." Mit einer Zusage.

Zur Pressekonferenz am Donnerstag schaffte Widmayer es dennoch nicht mehr rechtzeitig. Dafür wird er am Samstag zusammen mit Dárdai beim Auswärtsspiel bei Mainz 05 wieder auf der Bank von Hertha BSC sitzen.

© SZ.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: