Trainersuche im Hockey:Feuermacher gesucht

Belgien - Deutschland

Die deutschen Hockeynationalmannschaften (hier Nationalspieler Florian Fuchs, links) bekommen überraschend einen neuen Leistungssportdirektor.

(Foto: Dirk Waem/dpa)

Die Hockeymänner brauchen für das Projekt Olympia schnell einen neuen Trainer - einen, der Erfahrung hat und ihre vielen Reserven heben kann.

Von Volker Kreisl

Der Gegner ist Österreich, die Nummer 20 der Welt. Ein Team, das noch nicht als Gigant in Erscheinung trat, auch nicht als Geheimtipp, nicht mal als Stolperstein. Was für ein Glückslos also - der Weg der zuletzt geschlagenen deutschen Hockeymannschaft zu Olympia, so wirkt es, dürfte ganz schnell freigeräumt sein.

Anfang November spielen die Deutschen, Nummer sechs der Welt, gegen Team Austria die Qualifikation für Tokio aus. Hin- und Rückspiel finden in Mönchengladbach statt, im deutschen Hockeymilieu. Theoretisch kann da nichts schiefgehen, praktisch jedoch verfügen die Österreicher über starke Einzelspieler, die alle vor der Chance ihres Lebens stehen und nur was zu gewinnen haben. Das deutsche Team dagegen hat viel zu verlieren, bei Olympia galt es stets als feste Größe, war Sieger (2008, 2012) oder zumindest Bronzegewinner (2016). Und schon in jüngerer Zeit hat es viele entscheidende Spiele verloren, zudem nun auch seinen Trainer.

Wieder muss es sich auf einen Neuen einstellen. Nach dem Rücktritt von Stefan Kermas, der es drei Jahre lang geschult, aber nicht zu neuem Selbstbewusstsein geführt hat, wird nun der ideale Coach gesucht. Einer, der die Mannschaft sofort übernehmen kann, der Autorität hat und die Spieler neu motiviert - weniger ein Feuerlöscher als ein Feuermacher. Immerhin, die Suche gestaltet sich für die Führung des Deutschen Hockey-Bundes offenbar nicht allzu schwer: Bekannte und teils durchaus klangvolle Namen sind im Gespräch, man verhandelt intensiv, keiner hat bislang abgewinkt, bis Ende nächster Woche soll die Entscheidung fallen.

Valentin Altenburg, Europameister mit der U21, hat das Nationalteam als kurzfristig eingesprungener Olympia-Coach in Rio auf Platz drei geführt und kennt viele Spieler noch. Allerdings ist er soeben wieder Vater geworden und könnte statt eines aufreibenden Kurzprojekts eher ein langfristiges Vereinsengagement vorziehen. Auch André Henning wäre für den DHB interessant, er gilt als unbequem und hat trotzdem einen guten Ruf, allerdings stehen im Kader des Trainers vom Bundesligisten Rot-Weiss Köln mehr als ein halbes Dutzend Nationalspieler, was oft internen Ärger bringt. Der Dritte, Jamilon Mülders, hat dem Frauenteam seit 2012 moderne Strukturen verpasst, in Rio ebenfalls Bronze geholt, müsste nun aber wohl vom Mannheimer HC freigestellt werden, wo er kürzlich unter Vertrag kam.

Und schließlich ist seit Ende Juli auch noch Markus Weise theoretisch auf dem Markt, jener Trainer, der die beiden Männer-Olympiasiege verantwortete, der in den vergangenen vier Jahren den Aufbau der Nachwuchsakademie das Deutschen Fußballbundes mitgestaltete, der im Frühjahr schließlich bekannte, dass er "die unmittelbare Nähe zum Spielfeld mit seinen Emotionen" vermisse. Damit könnte der Fußball gemeint sein, andererseits - emotional geht es in Weises alter Disziplin Hockey schon auch zu.

Zum Beispiel neulich bei der EM in Antwerpen noch unter Führung von Kermas, bei jener 2:4-Niederlage, bei der die Deutschen 32 Spielminuten lang überlegen waren. Sie hatten die Angriffe des von den Zuschauern aufgepeitschten Gastgebers Belgien erst abgewettert und dann elegant gekontert. 2:0 führten sie, das Team rückte dem Einzug ins Finale immer näher - bis die Emotionen das Spiel entschieden. Das 1:2 von Tom Boon ließ bei den Belgiern das Adrenalin einschießen, bei den Deutschen weckte es offenbar das Gefühl von Bedrängnis und Ohnmacht - 16 Minuten später stand es 2:4.

Daraus ergibt sich wohl auch die inhaltliche Aufgabenstellung eines neuen Trainers. Weniger geht es darum, eine neue Taktik zu entwerfen, als darum, eine fast fertige Mannschaft zu vollenden; eine, die dieses Spiel nicht mehr abgegeben hätte. In fast allen Bereichen haben Kermas' Spieler eine vielversprechende Entwicklung vollzogen, doch es fehlen noch die letzten Prozent: beim Torschuss die Treffsicherheit, bei der Strafecke Präzision und Überblick und überhaupt ein zweiter guter Schütze, falls Tom Grambusch verletzt ist. Im Mittelfeld fehlt oft der entscheidende, öffnende Pass, und auch die Abwehr trat überwiegend ordentlich auf, doch in höchster Bedrängnis ohne jene Weltklasse, die die Vorgänger jahrelang aufwiesen.

Was der neue Trainer den Schülern wohl nicht extra vermitteln muss, ist die Tücke der Aufgabe Anfang November in Mönchengladbach. Denn das Team ist erfahren genug, diese zwölf Österreicher nicht zu unterschätzen, die in der deutschen Bundesliga unter Vertrag stehen, auch nicht deren weitere Teamkollegen, die in Belgien spielen. Es dürfte auch schlau genug sein, daran zu denken, dass dieser Gegner im Feldhockey zwar nur 20. ist, aber in der Halle Welt- und Europameister, somit technisch bewandt.

Und dass es trotzdem bei einer Niederlage noch lange heißen würde, diese Männer-Generation hat erstmals seit vielen Jahren Olympia verpasst, und zwar gegen Österreich.

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