Kleider machen Leute, heißt es gern. Aber sagen Outfits auch irgendetwas über Fußballtrainer aus? Beim Hamburger SV, als Klub eher Modell Einstecktuch, konnten sie in den vergangenen Jahren jedenfalls mit legerer Garderobe nicht den gewünschten Erfolg verbuchen: Die überzeugten Jogginghosenträger Daniel Thioune und Tim Walter scheiterten genauso am Aufstieg wie der jüngst entlassene Steffen Baumgart, der in Jeans und T-Shirt zwar Wind und Wetter trotzte, dessen Team zuletzt allerdings eher weichgespülte Auftritte hingelegt hatte.
Am Sonntag, beim 2:2 gegen Darmstadt 98, wurde die aus HSV-Sicht eigentlich wenig traditionelle Kleiderordnung nun fortgeführt: Merlin Polzin, früher jeweils Assistent der genannten Coaches, erschien im klassischen HSV-Trainingsanzug zur ersten von vier Zweitliga-Partien, die er nun definitiv bestreiten darf als … ja, was eigentlich? Interimscoach? Nicht ganz offizieller Cheftrainer, der im Winter dann zu einem offiziellen ernannt wird? Klar erscheint gerade nichts beim HSV, obwohl bis vor Kurzem alles darauf hinausgelaufen war, dass die Seitenlinie künftig – eigentlich typisch Hamburg – wieder von einem Mann im schicken Trenchcoat bevölkert werden würde. Doch die dritte Amtszeit von Bruno Labbadia, deren Verkündung quasi täglich erwartet worden war, wurde vom Hamburger Sportvorstand Stefan Kuntz kurzerhand abgeblasen, trotz intensiver und freundschaftlicher Gespräche. Warum? Die Umstände. Denn dem jungen Polzin, 34, war zwischenzeitlich ein überzeugender 3:1-Sieg in Karlsruhe gelungen. Für Kuntz offenbar Grund genug, die Zukunft des HSV neu zu denken, zumindest fürs Erste. Und dann wird rund um Weihnachten womöglich noch mal neu gedacht.
Was die Trainersuche oder Nichtsuche angeht, gibt der HSV derzeit kein allzu souveränes Bild ab, da ist sich die Branche weitestgehend einig. Und ähnlich diffizil war am Sonntag auch die Leistung auf dem Rasen. Polzin kann auf seiner Plusseite zwar verbuchen, dass die Hamburger unter ihm weniger zaghaft auftreten und dass er potenzielle Unterhaus-Unterschiedsspieler, etwa den Flügenangreifer Jean-Luc Dompé, nicht mehr (wie Baumgart) zum Nothelfer degradiert. Jener Dompé war es dann auch, der mit einem feinen Pässchen die Darmstädter Abwehr aufriss und den Führungstreffer durch Ransford Königsdörffer vorbereitete (10. Minute). Viel mehr Funkelndes hatte die Elf allerdings nicht zu bieten: Die Darmstädter waren von ihrem Trainer Florian Kohfeldt, übrigens mal wieder in schwarzer Jeanshose im Stadion erschienen, vorzüglich abgemischt worden und das dominante Team – was im Umkehrschluss hieß, dass die Hamburger nicht so spielten, wie sie könnten. Und im heimischen Volksparkstadion sollten.
Kapitän Sebastian Schonlau gab beim Darmstädter Ausgleich nach einem Eckball zum wiederholten Male keine imposante Figur ab (33./Aleksandar Vukotic). Für die erneute Hamburger Führung brauchte es einen schnell ausgeführten Freistoß und einen Kunstschuss von Adem Karabec (45.). Und weil nach einem Doppelfehler der Außenverteidiger Miro Muheim und William Mikelbrencis nicht nur Killian Corredor das 2:2 schießen durfte, sondern bei den Hamburgern nur punktuell etwas nach vorne klappte, konnte Kohfeldt seinem Team eine „hervorragende Leistung“ attestieren. Polzin bilanzierte da zurückhaltender, und das heißt für den HSV: Trainerfrage ausdrücklich ungeklärt.