Trainerentlassung:Mainzer Neuanfang

Obwohl der Klassenerhalt gelang, muss Trainer Martin Schmidt gehen. Sieben Jahre trainierte er im Verein, zunächst die zweite, schließlich die erste Mannschaft. Nun soll der 38-jährige Nachwuchstrainer Sandro Schwarz nachrücken.

Von Tobias Schächter, Mainz

Wer an Martin Schmidt denkt, denkt auch an: Kuhglocken. Als der Fußballtrainer aus der Schweiz im Februar 2015 zum ersten Mal die Mannschaft des FSV Mainz 05 betreute, waren Freunde und Verwandte aus dem Wallis im Stadion und schwenkten - wie später auch oft - schwere Glocken. Dieser spezielle Sound wird die Heimspiele der Nullfünfer künftig nicht mehr untermalen. Nach einer Saisonanalyse am Sonntag gab Sportdirektor Rouven Schröder am Montag die Vertragsauflösung bekannt. Gemeinsam sei man am Ende zu dem Entschluss gekommen, ab sofort getrennte Wege zu gehen, berichtete Schröder. Schmidts Vertrag läuft noch bis 2018. Nach der letzten Phase habe Schmidt den Vertrag aber ohnehin nicht verlängern wollen. Diese "letzte Phase" war ein nervenaufreibender Abstiegskampf, die Mainzer entgingen den Relegationsspielen am Ende nur aufgrund des besseren Torverhältnisses gegenüber Wolfsburg.

Vor zweieinhalb Jahren übernahm Schmidt die Mannschaft vom Dänen Kasper Hjulmand und führte sie erst zum Klassenerhalt und in der darauffolgenden Saison in die Europa League. Noch in der Vorrunde stemmten Mannschaft und Trainer die zusätzliche Belastung durch die Europapokalspiele grandios. Doch im Verlauf der Rückrunde wuchs mit jeder Niederlage die Kritik am bisweilen sturen Schweizer: Zu oft wechselte er sein Personal auf zentralen Positionen, kein Spieler entwickelte sich weiter, auch taktisch stagnierte die Elf. Mit manchen Aufstellungen lag er total daneben. Seine Fixierung auf Daten schien ihm den Instinkt für richtige Entscheidungen jenseits aller messbaren Leistungen zu rauben. Schmidt ist ein pedantischer Arbeiter, der Nachtschichten fährt, um kommende Gegner noch besser zu analysieren. Vielleicht trug auch diese Besessenheit dazu bei, dass sich der 50 Jahre alte Quereinsteiger auf seiner ersten Bundesligastation am Ende womöglich verbrauchte.

Sieben Jahre wirkte der außergewöhnliche Mann bei Nullfünf, zunächst viereinhalb Jahre als Nachwuchscoach, auf Empfehlung des ehemaligen Cheftrainers Thomas Tuchel. Als vor ein paar Wochen der Trend Richtung Abstieg ging, sprach Sportchef Schröder ihm noch einmal das Vertrauen aus. Bezeichnend war allerdings, dass weder ein Vereinsverantwortlicher noch ein Spieler sich mit Unbedingtheit für einen Verbleib des Trainers über die Saison hinaus ausgesprochen hat.

Das Verhältnis wirkte zuletzt bleiern. In Mainz ist es Geschäftsmodell, die besten Spieler gewinnbringend zu verkaufen und durch neue, hungrige Spieler zu ersetzen. Doch in der abgelaufenen Saison war es nicht gelungen, die zentrale Mittelfeldachse mit Julian Baumgartlinger (im Sommer 2016 nach Leverkusen) und Yunus Malli (im Winter nach Wolfsburg) zu erneuern. So steht der Klub nun insgesamt vor einem Neuanfang. Präsident Harald Strutz kündigte nach einer Debatte um seine lange vertuschte Bezahlung im Ehrenamt seinen Rücktritt an. Sportlich soll laut Schröder ein "nahbarer, demütiger Trainer kommen, der Spieler weiterentwickelt".

Als Favorit gilt Sandro Schwarz, der Trainer der zweiten Mannschaft. Dass diese gerade aus der dritten Liga abgestiegen ist, kratzt nicht an Schwarz' Ruf als großes Trainertalent. Der 38-Jährige ist in Mainz geboren und wäre eine anerkannte Identifikationsfigur für den Neustart. Auch ohne Kuhglocken.

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