Trainerdiskussion bei Schalke 04:Jens Keller kämpft schon wieder

FC Schalke 04 - Borussia Mönchengladbach

Seit 21 Monaten in der Kritik: Schalke-Trainer Jens Keller - hier beim Spiel gegen Borussia Mönchengladbach im April

(Foto: dpa)

Der FC Schalke 04 will ein Spitzenteam in der Fußball-Bundesliga sein. Beim 1:2 in Hannover verschenkt die Mannschaft nach der Führung jedoch brav die Punkte. Und da sind sie wieder: die Fragen nach der Eignung von Trainer Jens Keller.

Von Carsten Eberts, Hannover

Benedikt Höwedes trug nur ein schwarzes Unterhemd, seine Haare klebten am Kopf, er hatte geschwitzt. "Ich werde den Teufel tun und jetzt den Trainer schlecht reden", sagte Höwedes mit bitterem Gesichtsausdruck. Vor sechs Wochen hatte er im Konfettiregen von Rio de Janeiro den WM-Pokal in die Luft gestemmt. Und nun das: Liga-Alltag bei Schalke 04.

Für den Schalker Kapitän ist es nach den tollen Wochen in Brasilien ein dumpfer Aufprall in der Realität. Der Weltmeister-Glanz war in diesem Moment gänzlich verflogen. Höwedes musste schimpfen, sich rechtfertigen, die Fehler seiner Kollegen erklären, die zum 1:2 bei Hannover 96 führten. Und er musste über seinen Trainer sprechen, über Jens Keller, der im Zentrum der Kritik steht.

Zwei Spiele in dieser arg jungen Saison haben genügt, um die alte Debatte neu zu eröffnen, ob Keller wirklich der Richtige für seinen Job bei Schalke 04 ist. In der vergangenen Saison war er fast weg, der Klub bemühte sich um die Verpflichtung des damaligen Mainzers Thomas Tuchel, ehe Keller dank einer starken Rückrunde bleiben durfte.

Nun ist es erneut so weit: Die erste Runde des DFB-Pokals ging beim Drittligisten Dynamo Dresden verloren, was Keller und seinen Spielern viel Spott einbrachte. Die Pleite in Hannover war ebenso ärgerlich, weil komplett unnötig. Schalke hatte das Spiel im Griff, exakt bis zur 67. Minute, führte durch ein Tor von Klaas-Jan Huntelaar (47.) mit 1:0. Doch binnen drei Minuten kippte die Partie.

Huntelaar verlor in der Offensivbewegung den Ball, Kevin-Prince Boateng hätte den Konter an der Mittellinie stoppen können, erging sich aber in ein Laufduell, das er gegen Leonardo Bittencourt verlor. Der passte auf Edgar Prib, es stand 1:1 (67.). Drei Minuten später der nächste Konter, Joselu durfte frei aus 22 Metern abziehen - da stand es 2:1 (70). Schalke hatte das Spiel in braver, amateurhafter Manier hergeschenkt.

Dabei war der Klub in dieser Saison eigentlich angetreten, den Beweis zu führen, dass Schalke ein echtes Spitzenteam ist. Er sei "extrem sauer", eröffnete Keller lautstark die Pressekonferenz : "Es ist wahnsinnig ärgerlich, dass man ein Spiel, das man im Griff hat, durch zwei Konter verliert." Unterstützung bekam er von Höwedes. "Man muss so clever sein und auch mal ein taktisches Foul machen", rügte er Boateng, ohne dessen Namen zu nennen. Das müsse man von einer Mannschaft, deren Anspruch die Champions League sei, "einfach erwarten können".

Die Trainerdiskussion lässt sich nicht vermeiden

Kellers Ansinnen indes war klar: Er war der Ansicht, seinen Spielern den richtigen Plan mit auf den Weg gegeben zu haben. Die Schuld an den individuellen Fehlern wies er jedoch von sich. Keller kämpfte, schon jetzt, nach dem ersten Spieltag.

Denn er wusste ja, was für Fragen kommen würden. Wie er den schlechten Saisonstart erklärt, wie das nur erst gegen die Bayern werden soll, die am Samstag nach Gelsenkirchen kommen. "Es ist schon überraschend, dass die Kritik jetzt schon wieder so hart ist", klagte Keller. Doch er kenne das Gefühl bereits, "die Debatte wird ja ständig geführt".

Auch Sportvorstand Horst Held äußerte sein Unverständnis. "Wieso sollte ich die Trainerfrage im Keim ersticken, wenn es nichts zu ersticken gibt?", fragte er belustigt. Etwas ernster fuhr er fort: "Die Trainerdiskussion lässt sich nicht vermeiden, findet aber bei uns nicht statt. Das muss man jetzt aushalten."

Keller sei "ein guter Trainer"

Keller hat bei Schalke überraschend viele Krisen überstanden. Auch diesmal rechnet er damit. "Ich habe das jetzt 21 Monate mitgemacht und die Mannschaft da immer wieder rausgezogen", gab er sich kämpferisch. Ein Heimsieg gegen den FC Bayern würde Kellers Standing schlagartig verbessern, doch damit ist schwer zu kalkulieren.

Auch Höwedes plädierte fürs Aushalten. "Natürlich haben wir uns den Saisonstart anders vorgestellt. Aber deshalb ist doch nicht gleich alles schlecht", mahnte der Kapitän. Spätabends im Aktuellen Sportstudio gab er ein wenig Einblick ins Seelenleben seines Klubs. "Das ist auf Schalke so, dass man lieber über Krisen als über Erfolge spricht", erklärte Höwedes. Und ja, er empfinde Keller als "guten Trainer", der "trotz vieler Widerstände gute Arbeit leistet".

Höwedes sagte "gut", nicht "sehr gut" oder "hervorragend". Aber mehr Lob kann Jens Keller auf Schalke nicht erwarten.

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